Zusammenfassung
Die interskalenäre Plexusblockade ist ein peripheres Regionalanästhesieverfahren der oberen Extremität, bei dem der interskalenäre Anteil des Plexus brachialis zwischen M. scalenus anterior und M. scalenus medius mit einem Lokalanästhetikum blockiert wird. Klinisch kommt es hierdurch zu einer Anästhesie im Innervationsgebiet der Rückenmarkssegmente C5–C7 sowie unsicher im Gebiet von C4 und C8–Th1. Typische Indikationen für das Verfahren sind operative Eingriffe an der Schulter, an der lateralen Clavicula oder am proximalen Humerus (bspw. Schulterarthroskopie oder Osteosynthese bei proximaler Humerusfraktur). Die interskalenäre Plexusblockade erfolgt ultraschallgestützt und häufig in Kombination mit einer Katheteranlage zur Fortführung der Analgesie. Intraoperativ wird die interskalenäre Plexusblockade meist mit einer Allgemeinanästhesie kombiniert. Da die Punktion im Bereich der hinteren Skalenuslücke in Pleuranähe erfolgt, besteht prinzipiell die Gefahr eines Pneumothorax. Zudem ist eine akzidentelle Blockade des Ganglion stellatum, des N. phrenicus und des N. laryngeus recurrens möglich.
Dieses Kapitel fokussiert sich auf den praktischen Ablauf des Verfahrens. Für allgemeine Informationen siehe:
Anatomische Grundlagen
Plexus brachialis [1][2][3]
Anatomische Grundlagen der interskalenären Plexusblockade | ||
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Plexus brachialis | ||
Ursprung |
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Pars supraclavicularis |
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Pars infraclavicularis |
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Interskalenäre Plexusblockade | ||
Suffizient betäubtes Versorgungsgebiet | Unsichere Blockade | |
Trunci und zugehörige Endäste |
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Bei der interskalenären Plexusblockade wird der Plexus brachialis auf Truncus-Ebene blockiert!
Punktionsort [4]
- Äußere Leitstruktur: Hintere Skalenuslücke
- Begrenzung: M. scalenus anterior und medius
- Punktionshöhe: Ringknorpel (Krikoid)
- Innere Leitstrukturen
- Gefäße
- Knochen: Procc. articulares superiores und inferiores des Wirbelbogens von C6
- Muskeln
Ausbreitungsgebiet
Sensible Blockade [1] | ||
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Haut (orientierende Angaben) | Knochen [5][6] | |
C4 (unsichere Blockade) |
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C5 |
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C6 | ||
C7 |
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C8 (unsichere Blockade) |
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Th1 (unsichere Blockade) |
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Die interskalenäre Plexusblockade erfasst sicher das Innervationsgebiet von C5–C7 sowie unsicher das Innervationsgebiet von C4 und C8–Th1!
Indikation
- Schmerzhafte Prozeduren im Bereich der Schulter, des Oberarms und den lateralen ⅔ der Clavicula
- Interskalenäre Plexusblockade: Schmerzhafte Prozeduren mit geringen postinterventionellen Schmerzen, bspw.
- Schulterreposition
- Diagnostische Schulterarthroskopie
- Kleinere Eingriffe an Oberarm oder Schulter
- Eingriffe an den lateralen ⅔ der Clavicula, bspw. bei Claviculafraktur
- Interskalenärer Plexuskatheter: Schmerzhafte Prozeduren mit mäßigen oder starken postinterventionellen Schmerzen, bspw.
- Osteosynthese bei Humerusfraktur
- Komplexe arthroskopische Operationen
- Rotatorenmanschettenruptur
- Schultereckgelenksverletzung
- Schultergelenkprothese bei Omarthrose
- Revisionseingriffe
- Interskalenäre Plexusblockade: Schmerzhafte Prozeduren mit geringen postinterventionellen Schmerzen, bspw.
- Besonderheiten [6]
- Meist in Kombination mit Allgemeinanästhesie (Kombinationsanästhesie)
- Möglichkeit zur Einsparung von Allgemeinanästhetika
- Als alleiniges Verfahren für die meisten Eingriffe nicht ausreichend
- Vorteil: Relativ einfach durchführbares Verfahren [7]
- Weitere Indikationen: Anlage eines interskalenären Plexuskatheters zur
- Sympathikolyse (bspw. zur besseren Durchblutung der betroffenen Extremität)
- Schmerztherapie für physiotherapeutische Behandlung, bspw. bei Frozen Shoulder
- Prophylaxe chronischer Schmerzzustände, bspw. eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS)
Die interskalenäre Plexusblockade eignet sich für Eingriffe im Bereich der Schulter, des Oberarms und der lateralen Clavicula! [4]
Die interskalenäre Plexusblockade wird häufig zusätzlich als Analgesieverfahren zu einer Allgemeinanästhesie eingesetzt!
Kontraindikation
- Allgemeine Kontraindikationen siehe: Regionalanästhesie - Kontraindikation
- Spezielle Kontraindikationen
- Kontralaterale Phrenikusparese oder Rekurrensparese
- Schwere COPD bzw. respiratorische Insuffizienz
Zu den absoluten Kontraindikation einer interskalenären Plexusblockade zählen die kontralaterale Phrenikus- und die Rekurrensparese!
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Material und Medikamente
Material [4][6][7]
- Sterile Arbeitsweise [8][9]
- Steriles Lochtuch
- Desinfektionsmittel
- Steriler Schallkopfüberzug
- Mund-Nasen-Schutz
- Kopfhaube
- Sterile Handschuhe
- Steriles Abdecktuch (bei Kathetertechnik)
- Steriler, langärmeliger Kittel (bei Kathetertechnik)
- Infiltrationsanästhesie
- Injektionskanüle, bspw. 26 G (möglichst dünn)
- 2-mL-Spritze, alternativ 5-mL-Spritze
- Plexusblockade: Basis-Set , weitere Materialien je nach Punktionstechnik [2]
- Single-Shot-Technik
- Ultraschallgestütztes Vorgehen
- Out-of-Plane-Technik: Standard-Kanüle 22 G × 50 mm mit 30°-Kanülenschliff und Schraubkonnektor
- In-Plane-Technik: Echogene Kanüle
- Ultraschallgerät mit Linearschallkopf
- Steriler Schallkopfüberzug, Ultraschallgel
- Nervenstimulationsverfahren (nur in Kombination mit Ultraschall)
- Stimulationskanüle mit Kabel, bspw. Stimuplex® mit 30°-Kanülenschliff, 22 G × 50 mm
- Nervenstimulator mit Anschlusskabel für Punktionskanüle und Hautelektrode
- Ultraschallgestütztes Vorgehen
- Kathetertechnik
- Kanüle mit 20°-Kanülenschliff, 18 G × 50 mm
- Katheter, Katheterkupplung, Filter und Befestigungsmaterial
- Spritzenpumpe zur kontinuierlichen Applikation von Lokalanästhetikum
- Single-Shot-Technik
- Verbandsmaterial: Pflaster bzw. entsprechende Befestigungsmaterialien bei der Katheteranlage
- Notfallmanagement
- Material und Medikamente zur Durchführung einer endotrachealen Intubation
- Material und Medikamente zur Durchführung einer Rapid Sequence Induction
- Material für Atemwegskomplikationen (Beatmungsbeutel und -maske, Guedel-Tubus, Wendl-Tubus, Larynxmaske, Bougie)
Bei einer interskalenären Plexusblockade sind grundsätzlich die Hygieneempfehlungen für Regionalanästhesieverfahren zu beachten! [8]
Medikamente [2][4][10]
- Oberflächliche Infiltrationsanästhesie: Bspw. 5 mL Prilocain 1% oder Mepivacain 1%
- Lokalanästhetikum
- Gesamtvolumen
- Anästhesie: 5–10 mL bei ultraschallgestützten Verfahren (10–30 mL bei Nervenstimulationsverfahren)
- Analgesie: 5 mL bei ultraschallgestützten Verfahren (20 mL bei Nervenstimulationsverfahren)
- Wirkstoffe
- Prilocain 1% für kurze Eingriffe
- Bupivacain 0,5% für längere Eingriffe
- Alternativen
- Ropivacain 0,75%
- Mepivacain 1% bei Schwangerschaft, Anämie oder koronarer Herzerkrankung [2]
- Kathetertechnik
- Für die initiale Blockade: Prilocain 1% 5–10 mL
- Für die kontinuierliche Gabe: Infusionsbeutel Ropivacain 0,2% 200 mL zur Applikation über eine Pumpe
- Gesamtvolumen
- Adjuvans: Clonidin 75 μg zur Verlängerung der Wirkdauer bei längeren Operationen (Off-Label Use) [10]
- Notfallmedikamente
- 20%ige Lipidemulsion zur Behandlung einer systemischen Lokalanästhetikaintoxikation [11]
- Medikamente zur Kreislaufunterstützung, siehe:
Vorbereitung
Räumlichkeit und Personal
- Räumlichkeit: Vorbereitungsraum im OP-Bereich oder Aufwachraum mit entsprechender Ausstattung
- Technische Möglichkeit zur Beatmung und Reanimation
- Überwachungsmonitor mit vollständigem Zubehör
- Ultraschallgerät und/oder Nervenstimulator
- Einhaltung der Hygieneempfehlungen für Regionalanästhesieverfahren möglich [8]
- Personal: Durchführende und anreichende Person (i.d.R. ärztliches und pflegerisches Personal)
Patientenvorbereitung [4][6]
Monitoring und Gefäßzugang
- Basismonitoring
- Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters
- Lokalisation: Kontralateraler Arm (distaler Unterarm oder Handrücken)
- Anschluss einer balancierten Vollelektrolytlösung
Lagerung und Positionierung
- Lagerung
- Patient:in in Rückenlage oder halbsitzender Lagerung (ca. 30° Hochlagerung des Oberkörpers)
- Kopf flach gelagert und leicht zur Gegenseite gedreht
- Gleichseitiger Arm angelegt
- Positionierung
- Durchführende Person steht hinter dem Kopfende des Tisches
- Ultraschallgerät steht auf der zu punktierenden Seite, etwa auf Höhe des Oberarms
- Standort der durchführenden Person, Punktionsstelle und Ultraschallgerät bilden möglichst eine Linie
Der Standort der durchführenden Person sollte so gewählt werden, dass sowohl Punktionsstelle als auch Ultraschallmonitor bequem einsehbar sind!
Optional: Einleitung einer Analgosedierung bzw. Allgemeinanästhesie
- Hintergrund
- Lagerung zur interskalenären Plexusblockade wird ggf. nicht toleriert
- Steriles Abdecken nahe am Gesicht kann als unangenehm empfunden werden
- Möglichkeiten: Durchführung einer ultraschallgestützten interskalenären Plexusblockade nach
- Einleitung einer Analgosedierung für elektive Diagnostik und Interventionen
- Einleitung einer Allgemeinanästhesie
- Mögliche Vorteile: Verbesserung der Punktionsbedingungen , Vermeidung von Schmerzen und Stress
- Nachteile: Keine direkte Rückmeldung bei (drohender) Verletzung der Nerven, keine direkte Kontrolle des Ausbreitung möglich
Aufsuchen der Punktionsstelle [4][6]
- Landmarken
- Ultraschalluntersuchung („Scouting“ oder „Vorschallen“)
- Durchführung bspw. parallel zur Patientenvorbereitung
- Schallkopf auf Höhe des Ringknorpels auf den lateralen Rand des M. sternocleidomastoideus ansetzen
- Anteile des Plexus liegen aufgereiht zwischen dem M. scalenus anterior und dem M. scalenus medius
- Orientierende Identifizierung der Nerven
- Siehe: Interskalenäre Plexusblockade – Nervenlokalisation im Ultraschall
- Punktionsstelle auf Höhe des Ringknorpels mit wasserfestem Stift markieren
Das Punktionsgebiet liegt an der hinteren Skalenuslücke (zwischen M. scalenus anterior und medius)!
Ablauf/Durchführung
Sicherheitscheck
- Aufklärung zur Regionalanästhesie erfolgt?
- Gerinnungs- und Medikamentenanamnese erhoben?
- Allergien abgefragt?
- Präoperative Nüchternzeiten eingehalten?
- Art der Operation und korrekte Seite überprüft?
- Periphere Venenverweilkanüle: Lage und Funktion geprüft?
- Material und Medikamente: Vollständigkeit und korrekte Zusammenstellung überprüft?
- Allgemeiner Sicherheitscheck gemäß Surgical Safety Checklist durchgeführt?
Begleitende Analgosedierung [12]
- Optionale Maßnahme nach individueller Indikationsstellung zur
- Erhöhung des Patientenkomforts
- Verbesserung der Punktionsbedingungen
- Für die praktische Durchführung siehe: Analgosedierung für elektive Diagnostik und Interventionen - AMBOSS-SOP
Infiltrationsanästhesie [13][14]
- Subkutane Injektion von 2–5 mL Mepivacain 1% oder Lidocain 1% mit einer dünnen Kanüle (bspw. 26 G)
- Durchführung bei Single-Shot-Technik optional, bei Kathetertechnik empfohlen
- Akzidentelle tiefere Injektion vermeiden
Ultraschallgestütztes Vorgehen [6][7]
Unmittelbare Vorbereitung
- Ultraschallkopf steril ablegen
- Punktionskanüle über Schraubverbindung an Verlängerungsschlauch anschließen
- Ende des Verlängerungsschlauchs der Assistenz anreichen
- Assistenz entlüftet Verlängerungsschlauch und Kanüle mit Lokalanästhetikum
- Applikation von sterilem Ultraschallgel oder Sprühdesinfektionsmittel im Punktionsgebiet
Nervenlokalisation im Ultraschall bei der interskalenären Plexusblockade [15]
- Direktes Aufsuchen an der Punktionsstelle
- Schallkopf ansetzen: Auf Höhe des Ringknorpels am lateralen Rand des M. sternocleidomastoideus (idealerweise unterhalb der vorab markierten Stelle)
- Leitstrukturen identifizieren
- A. carotis communis (medial im Bild)
- V. jugularis interna (medial im Bild)
- M. scalenus anterior (medial im Bild)
- M. scalenus medius (lateral im Bild)
- Möglichst Darstellung aller bei der Punktion gefährdeten Nerven und Arterien
- Schallkopf zentrieren: Plexus brachialis in der Mitte des Ultraschallbildes positionieren
- Seitenpositionierung des Schallkopfes überprüfen
- Zielstruktur darstellen
- Anteile des Plexus brachialis liegen „wie eine Perlenkette“ aufgereiht zwischen M. scalenus anterior und medius (interskalenär)
- Nerven sind sonografisch echoarme Strukturen, oberste Wurzel ist C5
- Backtracing bzw. Beurteilung des Nervenverlaufs (insb. bei schwieriger Identifikation)
- Aufsuchen der Anteile des Plexus brachialis distal der späteren Punktionsstelle
- Schallkopf oberhalb und parallel zur Clavicula ansetzen
- Schallebene Richtung Thorax kippen
- Darstellung der Faszikel des Plexus brachialis ventral der A. subclavia
- Schallkopf unter Beobachtung und Zentrierung des Plexus brachialis langsam nach kranial verlagern, dabei Darstellung der Leitstrukturen
- Aufsuchen der Anteile des Plexus brachialis distal der späteren Punktionsstelle
Eine Nachverfolgung des Plexus brachialis nach distal (Backtracing) kann die Identifikation bei uneindeutiger Anatomie erleichtern!
Punktion [15][16]
- Allgemeine Grundsätze
- Vorschieben der Punktionskanüle nur bei sicherer Identifikation der Kanülenspitze
- Bei unsicherer Identifikation: Regelrechte Lokalisation der Punktionskanüle in der Schallebene prüfen
- Out-of-Plane-Technik
- Ansetzen der Punktionskanüle 2–3 cm kranial der Mitte des Schallkopfes
- Vergleichsweise geringeres Risiko für Nervenläsionen bei Passage der Kanüle zum Plexus brachialis [17]
- In-Plane-Technik
- Ansetzen der Punktionskanüle 1–2 cm lateral des Schallkopfes
- Risiko für Nervenläsionen bei Passage der Kanüle durch den M. scalenus medius [4][16]
Die Punktionskanüle wird nur bei sicherer Identifikation der Nadelspitze vorgeschoben!
Beide Punktionstechniken bieten eigene Vor- und Nachteile und sollten je nach Erfahrung angewendet werden! [4][17][18]
Applikation des Lokalanästhetikums [10]
- Injektionsort
- Punktionstiefe (je nach Technik und Anatomie) ca. 2–3 cm
- Position der Kanülenspitze: Lateral der Plexusanteile
- Aspirationsprobe vor jeder Lokalanästhetikagabe
- Injektionsvolumen
- Relativ gering
- Analgesie 5 mL, Anästhesie 5–10 mL [4]
- Zu beachten
- Keine Injektion bei hohem Widerstand
- Verteilung des Lokalanästhetikums im Raum zwischen M. scalenus medius und den Nervenwurzeln C5–C7
- Zu vermeiden: Verteilung des Lokalanästhetikums in die Tiefe (um N. phrenicus und Ganglion stellatum)
Die Injektion darf nicht fortgesetzt werden, wenn im Ultraschall keine Ausbreitung des Lokalanästhetikums sichtbar oder ein hoher Widerstand spürbar ist!
Vorgehen mit Nervenstimulation [15][19]
Unmittelbare Vorbereitung
- Klebeelektrode für das Nervenstimulationsgerät platzieren
- Punktionskanüle über Schraubverbindung an Verlängerungsschlauch anschließen
- Enden des Verlängerungsschlauchs und des Kabels der Assistenz anreichen
- Nervenstimulationsgerät anschließen und einschalten (Einstellungen: Stimulationsfrequenz 1–2 Hz, Stromstärke 1,0 mA, Stimulationsbreite je nach klinikinternem Standard 0,1–03 ms [6][15])
Punktion
- Anteriore Zugangswege: Prinzipiell zu bevorzugen [20]
- Technik nach Meier [2][21]
- Häufigste Punktionstechnik
- Punktionsrichtung von medial nach lateral
- Vorteil: Erhöhte Sicherheit bzw. geringeres Risiko für Komplikationen [22]
- Technik nach Winnie (klassische Technik) [23]
- Ursprünglich entwickelte Punktionstechnik (mittlerweile veraltet)
- Punktionsrichtung zum Proc. transversus des HWK 6
- Nachteile: Erhöhtes Risiko für Komplikationen [2]
- Technik nach Meier [2][21]
- Tastbare Leitstrukturen
- Ringknorpel
- Pulsierende A. carotis
- Lateraler Rand des M. sternocleidomastoideus
- Punktionsort
- Hinterer bzw. lateraler Rand des M. sternocleidomastoideus (lateral der A. carotis und je nach Anatomie lateral der V. jugularis externa [7])
- Etwa auf Höhe des Schild- oder Ringknorpels [6]
- Einstichwinkel ca. 30° zur Hautoberfläche
Posteriore Zugangswege (bspw. Technik nach Pippa) werden aufgrund eines höheren Komplikationsrisikos nicht mehr empfohlen! [20]
Lokalisation der Nerven bei elektrischer Nervenstimulation
- Aufsuchen der Zielstrukturen unter intermittierender Aspiration durch Assistenz
- Lagekontrolle: Überprüfung der muskulären Reizantwort der Kennmuskeln mittels elektrischer Nervenstimulation
- M. deltoideus: Kennmuskel für C5, Funktion = Abduktion im Schultergelenk
- M. biceps brachii: Kennmuskel für C6, Funktion = Flexion im Ellenbogengelenk
- M. triceps brachii: Kennmuskel für C7, Funktion = Extension im Ellenbogengelenk
- Nach Auslösen der Reizantwort: Nadel optimieren bis zu einer Amplitude von 0,5 mA
- Bei Stimulation auch unter 0,5 mA, Nadel vorsichtig zurückziehen, bis Reizantwort unter 0,5 mA geringer wird
- Lagekontrolle: Überprüfung der muskulären Reizantwort der Kennmuskeln mittels elektrischer Nervenstimulation
- Praktische Hinweise zur Lagekontrolle
- Kontraktion des Zwerchfells / Auslösen eines Singultus : Stimulationskanüle liegt zu weit medial und ventral → Korrektur nach lateral und dorsal
- Kontraktion der Schultermuskulatur bzw. der Muskulatur der Scapula : Stimulationskanüle liegt zu weit lateral → Ggf. Korrektur nach medial und ventral
- Pronation des Unterarms, Flexion der Finger (C8–Th1): Stimulationskanüle liegt zu weit kaudal → Ggf. Korrektur nach kranial
Applikation des Lokalanästhetikums [2]
- Injektionsort: Punktionstiefe (je nach Technik und Anatomie) ca. 2–3 cm
- Aspirationsprobe und finale Optimierung der Nadelspitze (Amplitude bei 0,5 mA)
- Injektionsvolumen: Analgesie 20 mL, Anästhesie 10–30 mL [4]
- Zu beachten
- Keine Injektion bei hohem Widerstand
- Aspirationsprobe vor jeder Lokalanästhetikagabe
- Auftreten von Schmerzen oder Parästhesien während der Injektion: Punktionskanüle um 1 mm zurückziehen
- Nach Injektion: Nervenstimulator zunächst eingeschaltet lassen, Punktionskanüle belassen
- Reizantwort verschwindet bei korrekter Applikation
- Bei Wiederauftreten der Reizantwort: Verdacht auf intravasale Injektion
Eine (deutliche) Muskelkontraktion bei einer Stromstärke <0,5 mA ist ein möglicher Hinweis auf eine intraneurale Kanülenlage!
Zur verlässlichen Beurteilung der Reizantwort sollten Stromstärke und Kanülenposition nie gleichzeitig verändert werden!
Weitere Vorgehensweisen
- Landmarkengestütztes Vorgehen
- Prinzip: Orientierung mithilfe anatomischer Landmarken, ohne Zuhilfenahme technischer Geräte (Ultraschallgerät, Nervenstimulationsgerät) [1]
- Klinische Relevanz: Heutzutage obsolet
- Dual-Guidance-Vorgehen
- Prinzip: Ultraschallgestütztes Vorgehen mit gleichzeitiger Nervenstimulation [15]
- Klinische Relevanz: In Deutschland bisher untergeordnet, in der Schweiz etabliert [24]
Die landmarkengestützte Punktion gilt heutzutage als obsolet aufgrund besserer Alternativen mit einer höheren Patientensicherheit!
Optional: Anlage eines interskalenären Plexuskatheters [2][10][25]
- Ultraschallgestütztes Vorgehen: Prinzipiell beide Techniken geeignet, In-Plane-Technik potenziell schmerzhafter als Out-of-Plane-Technik
- Vorschub der Punktionskanüle analog zur Single-Shot-Gabe
- Erreichen der Endposition der Kanüle: Spitze sichtbar zwischen C6 und C7
- Applikation von 4–5 mL Lokalanästhetikum → Weitung des Raumes zwischen den Mm. scaleni
- Vorschub des Katheters ca. 3 cm über Kanülenspitze
- Angestrebte Lage des Katheters: Zwischen den Mm. scaleni und den Anteilen des Plexus brachialis
- Rückzug der Kanüle unter gleichzeitigem Fixieren des Katheters
- Unter weiterhin sterilen Bedingungen vor Entfernung der sterilen Abdecktücher
- Katheter vor Dislokation schützen
- Katheterfilter mit Lokalanästhetikum spülen
- Katheterkupplung an Katheterende anbringen
- Aspirationsprobe
- Bei negativer Aspirationsprobe: Katheterfilter auf die Kupplung schrauben
- Applikation von 3–5 mL Lokalanästhetikum, Kontrolle der Ausbreitung unter Ultraschall
- Katheterlage unter Ultraschall ggf. korrigieren
- Filter mit Verschlussstopfen versehen
- Katheter mit Pflaster sicher fixieren (außerhalb des OP-Gebietes)
- Beim Entfernen des Lochtuches auf die Pflaster an der Einstichstelle und die Fixierung des Katheters achten
- Punktionsbereich trocknen und Katheterfilter fixieren
- Pflaster und Pumpeneinstellungen überprüfen
- Pumpe mit Katheter verbinden und einschalten, bspw.
- Initiale Gabe vor der OP: Ropivacain 0,375% 10–20 mL [6]
- Kontinuierliche Gabe: Ropivacain 0,2%–0,375% Laufrate 4–6 mL/h [4]
- Vorgehen mit Nervenstimulation: Technik nach Meier geeignet, Technik nach Winnie nicht geeignet
- Vorschub der Punktionskanüle analog zur Single-Shot-Gabe
- Erreichen der Endposition der Kanüle: Motorische Antwort des Plexus brachialis bei Stimulationsmuster mit 0,2–0,5 mA und 0,1 ms
- Vorschub des Katheters ca. 3 cm über Kanülenspitze
- Rückzug der Kanüle unter gleichzeitigem Fixieren des Katheters
- Weiterer Ablauf analog zum ultraschallgestützten Vorgehen
Zur Vermeidung einer Fehllage des Interskalenärkatheters sollte dieser nicht weiter als 3–5 cm über die Nadelspitze hinweg eingeführt werden! [26][27]
Erfolgskontrolle
- Testung der Hyposensibilität vor OP-Beginn, bspw. mittels Spitz-stumpf-Diskrimination oder Kalt-warm-Diskrimination
- Testung der motorischen Blockade vor OP-Beginn: Visuelle und manuelle Kontrolle der Motorik nach der Aufforderung „Heben Sie bitte den Arm an“
- Siehe auch: Erfolgskontrolle von Nervenblockaden
Dokumentation [6]
- Dauer: Datum und Uhrzeit (Beginn bis Ende)
- Vitalparameter: Vor, während und nach der Punktion
- Punktionstechnik: Ultraschallgestütztes Verfahren oder Nervenstimulation
- Punktionskanüle: Typ und Größe
- Verlauf der Punktion
- Neurologische Auffälligkeiten
- Problemlose Punktion: Kein Blut, keine Parästhesie
- Eindringtiefe der Punktionskanüle
- Bei Nervenstimulation: Stimulationsmuster und Nachlassen der muskulären Reizantwort
- Ergebnis der Aspirationsprobe
- Komplikationen
- Mehrfachpunktionen
- Blutige Punktionen
- Injektionsschmerz
- Parästhesien
- Bei Katheteranlage: Einlagetiefe des Katheters (Hautniveau)
- Medikamente: Wirkstoff, Konzentration und Menge
- Ausbreitung der Anästhesie
Nach Applikation des Lokalanästhetikums
- Lagerung des Arms mit geeigneter Polsterung (Vermeidung von Druckstellen), ggf. Fixierung
- Patient:in darauf hinweisen, den Arm während des Eingriffs möglichst nicht zu bewegen
Problemmanagement
Schwierigkeiten bei der Durchführung einer interskalenären Plexusblockade [2][15] | ||
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Mögliche Ursachen | Prävention und Management | |
Erschwerte Nervenlokalisation |
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Mangelnde Kooperationsfähigkeit |
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Blutige Punktion [4] |
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Verletzung von Nerven bzw. Nervenschäden |
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Unzureichende Wirkung |
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Unzureichende Wirkdauer |
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Horner-Syndrom |
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Iatrogener Pneumothorax [2][4] |
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Rekurrensparese |
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Phrenikusparese [2][29] |
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Akzidentelle epidurale bzw. spinale Injektion [4] |
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Akzidentelle intravasale Injektion von Lokalanästhetika |
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Bezold-Jarisch-Reflex [30] |
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Ein Pneumothorax ist eine mögliche Komplikation der interskalenären Plexusblockade, da sich die Zielstruktur in unmittelbarer Nähe zur Pleura befindet!
Viele Komplikationen lassen sich vermeiden, wenn die Punktionskanüle nur unter Sicht vorgeschoben wird!
Nachsorge
Überwachung im Aufwachraum
- Basismonitoring der Vitalparameter
- Überprüfung der Rückläufigkeit der Blockade siehe: Erfolgskontrolle von Nervenblockaden
Entlassung aus dem Aufwachraum
- Allgemeine Entlasskriterien siehe: Aldrete-Score
- Spezielle Entlasskriterien
- Rückläufigkeit der Blockade
- Sicherungsaufklärung erfolgt
Verlaufskontrolle [8]
- Regelmäßige Kontrolle des Interskalenärkatheters, bspw. am Abend des OP-Tages (Visite durch Akutschmerzdienst)
- Wechselintervalle des Systems und Verbandswechsel: Je nach klinikinternem Standard
- Liegedauer des Interskalenärkatheters
- Keine allgemeingültigen Empfehlungen zur optimalen Liegedauer (individuelle Entscheidung)
- Üblicherweise 1–4 Tage (Infektionsrisiko↑ mit steigender Liegedauer)
- Nach kritischer Risiko-Nutzen-Abwägung auch längere Liegedauer möglich
- Evaluation der Schmerztherapie: Suffiziente Analgesie erreicht? Ziel: NRS <4
- Dokumentation des Ausbreitungsgebietes der Anästhesie
- Neurologische Untersuchung: Kontrolle von Sensibilität und Motorik
- Hinweise auf Komplikationen eines Interskalenärkatheters vorhanden?
- Klinische Entzündungszeichen
- Rasch zunehmende motorische Blockade
- Fortbestehende Parästhesien trotz Pausierung
- Parästhesien außerhalb des Zielgebiets
- Horner-Syndrom
- Heiserkeit (Rekurrensparese?)
- Dyspnoe (Pneumothorax oder Phrenikusparese?)