Zusammenfassung
Lepra (früher auch als „Aussatz“ bezeichnet) ist eine chronische Infektionskrankheit, die durch das Mycobacterium leprae verursacht wird. Ähnlich dem Tuberkuloseerreger ist Mycobacterium leprae ein säurefestes, grampositives Stäbchen, welches sich langsam vermehrt und so oft erst nach Jahren zu den ersten Symptomen führt. Die Infektion verursacht meist typische Läsionen der Haut und sensible Ausfallerscheinungen des peripheren Nervensystems. Auch Schleimhäute, Atemwege und Augen können betroffen sein. Je nach Immunlage des Wirtes beobachtet man unterschiedliche Verlaufsformen und klinische Ausprägungen; die häufigste Form ist jedoch die eher benigne Lepra tuberculoides. Gefährdet sind die Patienten insbesondere durch unbemerkte Verletzungen und Sekundärinfektionen an den berührungsunempfindlichen Gliedmaßen, welche zu Verstümmelungen bis hin zu lebensgefährlichen Infektionen führen können.
Zu den ältesten Krankheiten der Menschheit gehörend war Lepra noch bis in das 19. Jahrhundert weltweit verbreitet. Heute kommt die Infektionskrankheit insb. in Endemiegebieten innerhalb Südostasiens und Südamerikas vor. Die Ansteckung und Manifestation der Infektion ist insbesondere mit Unter- bzw. Mangelernährung, schlechtem Allgemeinzustand und Immundefizienz assoziiert und weniger an bestimmte Klimabedingungen oder Bevölkerungsgruppen gebunden. Damals wie heute ist die Lepraerkrankung stigmatisierend; Erkrankte müssen noch immer den Ausschluss aus Gemeinschaft und Familie fürchten, auch wenn die Ansteckungsgefahr in den meisten Erkrankungsfällen gering ist.
Seit der Einführung von Dapson in den 1950er Jahren ist eine wirksame Therapie der Lepraerkrankung möglich. Mit Beginn der Kombinationstherapie aus Dapson und mehreren Wirkstoffen in den 1980er Jahren konnte die Behandlungszeit deutlich verkürzt und die Resistenzentwicklung eingedämmt werden. Mittlerweile wurden die Therapeutika durch die WHO frei zugänglich gemacht, sodass die Zahlen für Prävalenz und Inzidenz auch in Endemiegebieten weiter fallen.
Epidemiologie
Ätiologie
Erreger [5]
- Mycobacterium leprae
- Unbewegliche, aerobe, grampositive, säurefeste Stäbchen
- Hoher Lipidgehalt der Hülle
- Generationszeit bis zu 13 Tage(!)
- Temperaturoptimum <37 °C
- Inkubationszeit: Durchschnittlich 3–7 Jahre [6]
- Lokalisation/Vermehrungsort
- Insb. an kühlen Körperpartien
- Haut und Gewebe der Akren und des Gesichts
- Periphere Nerven des Gesichts, der Extremitäten
- Weitere Lokalisationen: Auch vordere Augenkammer, Schleimhäute des oberen Respirationstrakts und Hoden möglich
- Vermehrung in Makrophagen und Schwann-Zellen
- Ausbildung von Granulomen
- Insb. an kühlen Körperpartien
Übertragung und Infektion [2][7][8]
- Erregerreservoir: Mensch
- Risiko: Abhängig von
- Immunstatus- und Allgemeinzustand des Empfängers
- Bakteriendichte, Art der Läsionen des Überträgers
- Dauer und Enge des Kontaktes
- Übertragungswege
- Tröpfcheninfektion wahrscheinlich: Insbesondere Nasen-, aber auch Wundsekret
- Haut-zu-Haut-Übertragung evtl. möglich
Die exakten Mechanismen der Übertragung sind nicht gesichert; die Lepraerkrankung ist jedoch nicht hochkontagiös. Ein längerer, enger Kontakt mit einem Patienten mit hoher Bakterienlast ist für eine Ansteckung nötig!
Klassifikation
Lepra ist eine Spektrumerkrankung, d.h. je nach Immunreaktion des Patienten (und daraus resultierender Bakterienlast) können verschiedene Formen mit unterschiedlicher Ausprägung der Symptome beobachtet werden. Nach der WHO wird zunächst zwischen Formen mit geringer Bakterienlast (paucibazilläre Lepra) und mit hoher Bakterienlast (multibazilläre Lepra) unterschieden. In der Klassifikation nach Ridley und Jopling entstehen anhand klinischer, histologischer und immunologischer Merkmale weitere Subtypen. In der Praxis werden die Bezeichnungen „tuberkuloide“ und „paucibazilläre Lepra“ bzw. „lepromatöse“ und „multibazilläre Lepra“ oft synonym verwendet. Die Lepra indeterminata ist eine instabile Form, die zunächst keinem bestimmten Typ in der Klassifikation der Lepraerkrankungen zugeordnet werden kann.
WHO-Einteilung nach Bakterienindex
- Einteilung anhand des Bakterienindex (aus Proben des Hautabstrichs) nach WHO-Richtlinien
- Paucibazilläre Lepra
- Bakterienlast: Gering
- Multibazilläre Lepra
- Bakterienlast: Hoch
- Sonderform „Single Lesion Paucibacillary Leprosy“: Patienten mit nur einer einzigen Hautläsion und geringer Bakteriendichte im Hautabstrich/in der Biopsie
- Paucibazilläre Lepra
Klassifikation nach klinischen Merkmalen (nach Ridley und Jopling von 1966)
- Einteilung der Lepraformen v.a. nach klinischen, histologischen und immunologischen Merkmalen
Klassifikation der Lepra nach Ridley und Jopling | |||||
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Klassifikation nach WHO | Paucibazilläre Formen | Multibazilläre Lepra | |||
Einteilung nach Ridley u. Jopling | Lepra tuberculoides (TT) | Borderline L. tuberculoides (BT) | Mid Borderline L. lepromatosa (BB) | Borderline L. lepromatosa (BL) | Lepra lepromatosa (LL) |
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Hautläsionen |
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Symmetrie der Läsionen |
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Neurologische Beteiligung |
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Lepromintest |
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tuBErkuloid = BEnigne, leproMAtös = MAligne
Pathophysiologie
- Immunreaktion: Komponenten der Zellwand verursachen sowohl eine IgM-Produktion als auch eine zellvermittelte Immunantwort mit Stimulation von Makrophagen
- Krankheitsverlauf: Immunstatus des Patienten ist bestimmend für den Verlauf und die Klinik
- Gute zelluläre Immunantwort → Eindämmung der Krankheitserreger → Tuberkuloide Lepra
- Schlechte zelluläre und hauptsächlich humorale Immunantwort → Mangelnde Eindämmung der Krankheitserreger → Lepromatöse Lepra
Der Immunstatus des Patienten ist entscheidend für den Verlauf der Lepra! Bei schlechter Immunlage entwickelt sich durch nahezu ungehemmte Erregervermehrung die Lepra lepromatosa!
Symptomatik
Überblick
- Charakteristische Hautläsionen: Makulae/Plaques bis hin zu Papeln/Hautknoten, sog. Leprome
- Bei Beteiligung des Nervensystems: Sensibilitätsstörungen bis hin zu Paresen und Muskelatrophien
- Ggf. weitere Organbeteiligung mit Befall von Augen, Skelettsystem, Lymphsystem oder Viszeralorganen
Spezifische Symptomatik von Lepra tuberculoides und Lepra lepromatosa
Lepra tuberculoides
Hautbefund
- Effloreszenzen: Makulae/Plaques
- Anordnung: 1–5 einzeln stehende, asymmetrisch angeordnete Hautläsionen
- Form: Flach, scharf begrenzt, oft erhabener Rand, rötlich, ggf. zentral depigmentiert
- Abheilung unter zentraler Atrophie und Depigmentierung
- Ggf. umschriebene Alopezie und Anhidrose
Nervensystem
- Allgemein
- Asymmetrischer Befall von Hautnerven sowie assoziierten peripheren Nerven
- Knotige Schwellung der Nervenscheiden
- Sensibilität: Umschriebene Sensibilitätsstörungen im Bereich der Hautläsionen
- Motorik: Im Verlauf Paresen und Muskelatrophien
Weitere Organbeteiligung
- Augen: Keratitis, Uveitis bis hin zur Erblindung
- Innere Organe: Keine Beteiligung
Verlauf und Prognose
- Verlauf insgesamt langsamer und benigner als bei Lepra lepromatosa
- Prognose günstig, spontane Remission möglich
Lepra lepromatosa
Hautbefund
- Effloreszenzen
- Makulae
- Papeln/Hautknoten, sog. Leprome
- Anordnung
- Zahlreiche Läsionen, symmetrisch angeordnet
- Hautknoten, insb. an Rumpf und Gesicht
- Form
- Unscharf begrenzte Makulae, in der gleichen Farbe wie die umgebende Haut oder bräunlichrot
- Scharf begrenzte Knoten unterschiedlicher Größe, auch Verschmelzen und Ulzeration möglich
- Generalisierte, wachsartige Verdickung der Haut
- Facies leonina: Bei Konfluieren der Leprome kann es zur Ausbildung des sog. Löwengesichts kommen
- Alopecia lepromatosa: Ausfall von Wimpern, Brauen, Kopfhaar
- Ggf. Mitbefall der Schleimhäute von Nase und Larynx
Nervensystem
- Geringe oder ganz ausbleibende Beteiligung
- Ggf. symmetrische sensorische Polyneuropathie
Weitere Organbeteiligung
- Augen: Keratomalazie bis hin zur Erblindung
- Skelettsystem: Befall und Zerstörung von Muskeln und Knochen möglich
- Lymphsystem: Beteiligung bis hin zur Ausbildung einer „Elephantiasis“ möglich
- Viszeralorgane: Adenopathie, Hepatosplenomegalie, Glomerulonephritis, Orchitis, Epididymitis, Osteitis, Kachexie
Verlauf und Prognose
- Verlauf eher schnell und maligne
- Nahezu ungehemmte Vermehrung und hämatogene Aussaat der Erreger
- Keine spontane Remission
Verlaufs- und Sonderformen
Lepra indeterminata (unbestimmte Lepra)
- Einordnung: Instabile Form der beginnenden Lepra
- Klinik: Erytheme eher uncharakteristisch, Nervenbeteiligung selten
- Verlauf
- Oft Übergang in TT oder LL
- Spontanheilung möglich
Sonderform: Lepromatose (Diffuse Lepromatous Leprosy, DLL, Diffuse Leprosy of Lucio and Latapi)
- Ätiologie: Mycobacterium lepromatosis
- Epidemiologie: Selten
- Vorkommen: Hauptsächlich in Mexiko und der Karibik
- Klinik
- Ähnelt der Lepra lepromatosa
- Diffuse, wachsartige Hautinfiltration ohne Knotenbildung
- Schuppige, scharf begrenzte Hautläsionen mit Ulzeration und Nekrosen im Verlauf
- Viszerale Beteiligung
- Therapie: Analog zur Lepra lepromatosa
Mycobacterium lepromatosis ist kein Synonym, sondern der nächste Verwandte des Mycobacterium leprae. Es ist der Erreger der selteneren Lepromatose!
Diagnostik
Diagnosestellung [9]
Für die Diagnosestellung muss laut WHO eines der beiden folgenden Kriterien erfüllt sein:
- Lepra-typische Hauterscheinungen mit umschriebenem Sensibilitätsverlust
- Positiver Hautabstrich mit direktem Erregernachweis
Anamnese
- Besondere Fragestellungen
- Herkunft aus oder Aufenthalt in Endemiegebieten?
- Erkrankung naher Verwandter/Haushaltsmitglieder?
Körperliche Untersuchung
- Besonderer Fokus auf
- Charakteristische Hautläsionen: Makulae/Plaques bzw. Papeln/Knoten
- Tast-/sichtbare Verdickungen peripherer Nerven
- Nachweis der Sensibilitätsstörungen
- Störung des Temperatur-, Schmerz- und Berührungsempfindens
- Insb. im Bereich betroffener Hautareale/Nerven
- Ggf. Nachweis der Beteiligung weiterer Organe (Augen, Larynx etc.)
Erregernachweis
Direkt
- Mikroskopie: Goldstandard
- Abstriche von Hautläsionen oder Nasenschleimhaut
- Biopsie betroffener Hautareale oder Nerven; anschließende Färbung
- Bakterienindex (= Bakteriendichte pro Gesichtsfeld) aus z.B. Nasenabstrich
- Index 6: mehr als 1000 Bakterien pro Gesichtsfeld
- Index 5: zwischen 100 und 1000 Bakterien pro Gesichtsfeld
- Index 4: zwischen 10 und 100 Bakterien pro Gesichtsfeld
- Index 3: zwischen 1 und 10 Bakterien pro Gesichtsfeld
- Index 2: zwischen 1 und 10 Bakterien pro 10 Gesichtsfelder
- Index 1: zwischen 1 und 10 Bakterien pro 100 Gesichtsfelder
- Index 0: 0 Bakterien in 100 Gesichtsfelder
- Alternativ
- PCR: Nachweis bakterieller DNA
- Kultur: Bisher keine Anzucht in Nährmedien möglich
- ELISA: Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen PGL1
Indirekt
- Leprominreaktion
- Indikation: Zur weiteren Einordnung der Lepraerkrankung nach Diagnosestellung, zur Therapieüberwachung bzw. zu Forschungszwecken
- Durchführung: Intrakutane Injektion inaktiver Leprabakterien und darauffolgend ggf. Entwicklung eines Erythems
- Befund: Positiv bei vorhandener zellvermittelter Immunreaktion des Körpers gegen die Leprabakterien
- → Positiv bei Lepra tuberculoides
- → Negativ bei Lepra lepromatosa
In endemischen Ländern sind diagnostische Methoden mit hohem technischen Aufwand (PCR, ELISA) ggf. nicht vorhanden, weshalb auch eine Diagnosestellung bei typischer klinischer Manifestation möglich ist!
Pathologie
Lepra tuberculoides [10]
- Epitheloidzellige Granulome
- Zentrale, verkäsende Nekrose
- Randwall aus Epitheloidzellen
- T-Lymphozyten eher in der Peripherie
- Wenige Leprabakterien
Lepra lepromatosa [11][12]
- Schaumzellenreiche Granulome
- Virchow- bzw. Leprazellen
- Massenhaft auftretende Leprabakterien
Therapie
Therapie nach Richtlinien der WHO
- Grundlage: Einteilung in paucibazilläre vs. multibazilläre Lepra anhand des Bakterienindex bzw. in Endemiegebieten ggf. allein aufgrund des klinischen Bildes
- Sonderform „Single Lesion Paucibacillary Leprosy“ : Einmalgabe einer Dreifachkombination aus Rifampicin, Ofloxacin und Minocyclin
- Paucibazilläre Formen bzw. tuberkuloide Lepra (Lepra mit geringer Bakterienlast)
- Zweifachkombination: Dapson + Rifampicin
- Therapiedauer: 6–12 Monate
- Multibazilläre Formen bzw. lepromatöse Lepra (Lepra mit hoher Bakterienlast)
- Dreifachkombination: Dapson + Clofazimin + Rifampicin
- Therapiedauer: 12–24 Monate
- Prävention/Behandlung von Sekundärinfektionen: Insb. im Bereich bestehender Ulzerationen und Wunden
Generelle Isolation und Abschirmung der Erkrankten von der Außenwelt in eigenen Krankenhäusern ist obsolet! Lediglich bei Lepraformen mit hoher Erregerzahl und offenen Läsionen wird eine Unterbringung in Einzelzimmern empfohlen!
Sekundärinfektionen sind häufig Ursache für das Versterben von Leprapatienten!
Detaillierte Therapie der Lepra nach Richtlinien der WHO [2][13]
Erwachsene | Kinder <14 J. | Dauer | |
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„Single Lesion Paucibacillary Leprosy“ |
| Einmalgabe | |
Paucibazilläre Lepra | 6 Monate | ||
Multibazilläre Lepra |
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| 12 Monate |
Rehabilitation [2][14][15]
- Rehabilitationsmaßnahmen entsprechend der klinischen Symptomatik des Patienten
- Ggf. plastisch rekonstruktive Chirurgie, operative Dekompression von affektierten Nerven etc.
- Physio-/Ergotherapie
- Psychotherapie
- Anbindung an Projekte zur Unterstützung der sozioökonomischen Reintegration
Alternative Therapieschemata
Therapie der Lepra nach Richtlinien des NHDP der USA [15]
Erwachsene | Kinder | Dauer | |
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12 Monate | |||
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| 24 Monate |
Second-Line-Medikamente bei Lepra [14][15]
Der Einsatz der folgenden Wirkstoffe ist bei Unverträglichkeit einzelner Medikamente der Multidrugtherapie zu erwägen. Es wird außerdem versucht, Medikamente mit besserer Wirksamkeit zu identifizieren und durch diese den Therapiezeitraum zu verkürzen, Rückfallraten zu verringern und Resistenzen zu verhindern bzw. ggf. zu behandeln. Dies ist Gegenstand aktueller Forschung.
- Wirkstoffe
- Minocyclin, Ofloxacin, Clarithromycin
- Neuere Medikamente mit Wirkung gegen M. leprae: Moxifloxacin, Rifapentin , Gruppe der Diarylquinoline
- Beispielhafte Einsatzgebiete
- Rifampicin-Unverträglichkeit: Bspw. Dreifachkombination aus täglich Clofazimin + 2 weitere: Ofloxacin , Minocyclin oder Clarithromycin (über 6 Monate), dann Zweifachkombination aus täglich Clofazimin + Minocyclin oder Ofloxacin für weitere 18 Monate
- Clofazimin-Unverträglichkeit: Ersatz durch Ofloxacin , Moxifloxacin oder Minocyclin (über 12 Monate)
- Dapson-Unverträglichkeit: Bei paucibazillären Formen Ersatz durch Clofazimin (im 6-Monats-Regime), bei multibazillären Formen ersatzlos absetzen
Besondere Patientengruppen
Schwangere [16][17][18][19]
- Häufigere Exazerbationen
- Nach bisheriger Studienlage keine teratogenen Effekte der Medikamente in entsprechender Dosierung bekannt
- WHO empfiehlt aktuell auch in der Schwangerschaft die Fortsetzung der Multidrugtherapie aus Dapson, Rifampicin und Clofazimin
- Die Behandlung einer Single Lesion Paucibacillary Leprosy sollte bis nach der Geburt aufgeschoben werden
Meldepflicht
- Arztmeldepflicht
- Nach § 6 IfSG: Keine bundesweite Meldepflicht
- Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen (IfSGMeldeVO)): Namentliche Meldepflicht bei Erkrankungs- und Todesfällen
- Labormeldepflicht nach § 7 IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis, sofern die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen
Komplikationen
Leprareaktionen [1][13][20]
- Pathogenese: Verschiebung des Gleichgewichts aus Immunsystem und Bakterien, z.B. im Verlauf der Erkrankung, unter medikamentöser Therapie, in der Schwangerschaft
- Vorkommen: Insb. bei Lepraformen mit höherer Bakteriendichte
Typ-1-Reaktion (Reversal Reaction)
- Definition: Akute lokale Entzündungsreaktion mit neuritischer Beteiligung
- Pathophysiologie: T-Zell-vermittelt
- Auftreten: Insb. bei Borderline-Formen
- Symptome
- Schwellung und Rötung der Hautläsionen
- Schmerzhafte Neuritiden
- Einstufung als schwerwiegend
Typ-2-Reaktion (Erythema nodosum leprosum, ENL)
- Definition: Akute generalisierte Reaktion mit Auftreten eines Erythema nodosum
- Pathophysiologie: TNF-α- und Immunkomplex-vermittelt
- Auftreten: Insb. bei Borderline-Formen und LL
- Symptome
- Allg. Krankheitsgefühl und Fieber
- Schmerzhafte, weiche, erythematöse Knoten
- Einstufung als schwerwiegend
- Auftreten zahlreicher ENL-Knoten mit hohem Fieber und Neuritiden
- Ulzerationen sowie Beteiligung anderer Organe möglich
Therapie der Leprareaktionen
- Antibiotikatherapie unbedingt fortsetzen!
- Analgetika zur Kontrolle von Fieber und Schmerz: NSAIDs
- Bei schweren Reaktionen: Glucocorticoide oder Immunsuppressiva
- Glucocorticoide: Bei Leprareaktionen sowie neuronaler Beteiligung
- Immunsuppressiva
- Leprareaktionen Typ 1: Cyclosporin, Chloroquin, Thalidomid
- Leprareaktionen Typ 2: Chloroquin, Thalidomid
Neuritis und Neuropathie
- Primäre Affektion: Hautnerven im Bereich von Läsionen
- Im Verlauf: Periphere Neuropathie (Mononeuropathie oder Mononeuropathia multiplex)
- Schwellung, Kompression und Schädigung peripherer Nerven (Gesicht und Extremitäten)
- Sensible, motorische und autonome Ausfälle
→ Unbemerkte Wunden und Infektionen
→ Paresen, Muskelatrophien, Kontrakturen
→ Herzrhythmusstörungen, Haut- und Augentrockenheit etc. - Neuritische und neuropathische Schmerzen
- Sekundäre Affektion: Als Folge einer Leprareaktion
Verstümmelung und Behinderung
- Paresen und Muskelkontrakturen in Form von Nervenbeteiligung
- Verstümmelungen, Deformitäten bis zum Verlust von Gliedmaßen
- Einschränkung der Sehkraft bis zur Erblindung möglich
- Entstellung des Gesichtes
Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung
- Erkrankung gilt vielerorts noch als unheilbar → Furcht vor drohender Diskriminierung und Stigmatisierung → Spätes Aufsuchen medizinischer Hilfe und Beginn der medikamentösen Kombinationstherapie → Erhöhtes Risiko der Übertragung und Entwicklung von Komplikationen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
A30-: Lepra [Aussatz]
- Inklusive: Infektion durch Mycobacterium leprae
- Exklusive: Folgezustände der Lepra (B92)
- A30.0: Indeterminierte Lepra
- I-Lepra
- A30.1:Tuberkuloide Lepra
- A30.2: Borderline-tuberkuloide Lepra
- BT-Lepra
- A30.3: Borderline-Lepra
- BB-Lepra
- A30.4: Borderline-lepromatöse Lepra
- BL-Lepra
- A30.5: Lepromatöse Lepra
- LL-Lepra
- A30.8: Sonstige Formen der Lepra
- A30.9: Lepra, nicht näher bezeichnet
- B92: Folgezustände der Lepra
G63.-*: Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- G63.0*: Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
- Polyneuropathie (bei): Lepra (A30.-†), Diphtherie (A36.8†), infektiöser Mononukleose (B27.-†), Lyme-Krankheit (A69.2†), Mumps (B26.8†), nach Zoster (B02.2†), Spätsyphilis , (A52.1†), Spätsyphilis, konnatal (A50.4†), tuberkulös (A17.8†)
H03.-*: Affektionen des Augenlides bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- H03.1*: Beteiligung des Augenlides bei sonstigen anderenorts klassifizierten Infektionskrankheiten
- Beteiligung des Augenlides bei: Lepra (A30.-†), Frambösie (A66.-†), Infektion durch Herpesviren [Herpes simplex] (B00.5†), Molluscum contagiosum (B08.1†), Tuberkulose (A18.4†), Zoster (B02.3†)
M01.-*: Direkte Gelenkinfektionen bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
- Exklusive: Arthritis bei Sarkoidose (M14.8-*), Postinfektiöse und reaktive Arthritis (M03.-*)
- M01.3-*: Arthritis bei sonstigen anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
- Arthritis bei: Lepra [Aussatz] (A30.-†), lokalisierter Salmonelleninfektion (A02.2†), Typhus abdominalis oder Paratyphus (A01.-†), Arthritis durch Gonokokken (A54.4†)
M63.-* Muskelkrankheiten bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Exklusive: Myopathie bei: endokrinen Krankheiten (G73.5*), Stoffwechselkrankheiten (G73.6*)
- M63.0-*: Myositis bei anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.