Zusammenfassung
Die Anamnese (von griech. anamnesis = „Erinnerung“) umfasst das Erfragen und die Aufzeichnung der Beschwerden und (Leidens‑)Geschichte des Patienten. Der Ablauf unterscheidet sich je nach Situation, wobei in Notfällen häufig nur eine kurze Anamnese erfolgt, um (lebens‑)wichtige Maßnahmen nicht zu verzögern. Es erfordert dabei einige Übung, bis man zwischen wichtigen und eher nebensächlichen Informationen unterscheiden kann, daher ist es sinnvoll, zu Beginn nach einem festen Schema vorzugehen. Die Anamnese dient allerdings nicht nur der Diagnosefindung, sondern kann für viele Patienten bereits Teil der Therapie sein. Ist der richtige Rahmen gegeben, kann der Patient frei über seine Beschwerden berichten und so bereits eine starke Entlastung erfahren.
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über den möglichen Inhalt einer allgemeinen Anamnese. Je nach Beschwerdebild des Patienten können/müssen weitere und/oder gezieltere Fragen von Bedeutung sein.
Für die Anamnese in der Akutsituation siehe: SAMPLE-Schema bzw. OPQRST-Schema.
Grundlagen der Anamneseerhebung
Die Anamnese ist der erste Kontakt zwischen Arzt und Patient und legt so den Grundstein für eine gute Arzt-Patienten-Beziehung.
- Die Anamnese sollte in einer ungestörten Atmosphäre durchgeführt werden.
- Wünscht der Patient die Anwesenheit einer Bezugsperson, solltest Du (wenn möglich) darauf eingehen.
- Bei Kindern ist die Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten wichtig bzw. zwingend erforderlich und erleichtert in den meisten Fällen die Anamnese
- Falls zwischen Dir und dem Patienten eine Sprachbarriere existiert, solltest Du möglichst einen Übersetzer organisieren oder den Patienten nach Angehörigen/Bezugspersonen fragen, die ihm beim besseren Verständnis helfen können.
- Neben der gründlichen Anamnese ist die exakte Dokumentation der Informationen wichtig, so können sich auch alle anderen Mitglieder des Behandlungsteams ein Bild von der Eingangsanamnese machen.
- Es wird zwischen Eigen- und Fremdanamnese unterschieden:
- Eigenanamnese: Umfasst alles, was der Patient selber über seine eigene Krankheitsgeschichte berichtet.
- Fremdanamnese: Umfasst alle Angaben, die von Angehörigen des Patienten gemacht werden.
Eine gründliche Anamnese ist die wichtigste Grundlage für die Diagnosefindung. Zu Beginn solltest Du nach einem festen Schema vorgehen. Je mehr Erfahrung Du in der Anamneseführung erwirbst, umso eher kannst Du einzelne Abschnitte auslassen, um dafür einen Fokus auf vorrangige Bereiche zu legen!
Einen Bogen zum Ausdrucken für die Dokumentation der Anamnese findest Du im Abschnitt Tipps & Links oder unter www.amboss.com/de/aerztliche-pdfs/untersuchungs-und-anamnesebogen
Inhalt der Anamnese
Aktuelle Anamnese/Leitsymptom
- Häufigster Vorstellungsgrund von Patienten sind Schmerzen, aber auch bei anderen Leitsymptomen sollten folgende Punkte geklärt werden:
- Lokalisation
- Art des Auftretens
- Verlauf
- Ausstrahlung
- Zusätzliche Symptome
- Stärke
- Art/Qualität
- Dauer
- Erleichternde oder verschlimmernde Faktoren
- Auslöser bzw. eigene Erklärung des Patienten bzgl. der Ätiologie der Beschwerden
Vorgeschichte
- Vorerkrankungen
- Voroperationen
- Allergien
- Unverträglichkeiten
- Impfstatus
- Medikamentenanamnese
Vegetative Anamnese
- Appetit
- Durst
- Gewicht
- BMI
- Schnelle oder unbeabsichtigte Gewichtsab-/-zunahme?
- Fieber
- Nachtschweiß
- Stuhlgang
- Frequenz
- Durchfall?
- Obstipation?
- CAVE: Eine plötzliche Änderung der Stuhlgewohnheiten ist ein mögliches Symptom des Kolonkarzinoms!
- Aussehen
- Stuhl mit Blutbeimengungen
- Teerstuhl (schwarz)
- Acholischer Stuhl (hell/weißlich)
- Lehmartiger Stuhl
- Frequenz
- Miktion
- Atmung
- Schlaf → Ein- und/oder Durchschlafstörungen
- Sexualität
Ggf. gynäkologische Anamnese
Genussmittel- und Suchtanamnese
-
Alkohol (genaue Angabe der Menge mit Vol% und l oder in g/d)
- Bei Verdacht auf einen Alkoholismus kann z.B. der CAGE-Test durchgeführt werden
- Nikotin (Angabe der Menge in Pack Years (py))
- Weitere Drogen
Familien- und Sozialanamnese
- Beruf und aktuell ausgeübte Tätigkeit
- Familiäre Situation
- Erkrankungen in der Familie
- Reiseanamnese
- Körperliche Aktivität
- Besondere Belastungssituation erfragen bzw. weitergehende Eruierung bei Verdacht auf psychopathologische Auffälligkeiten (siehe auch Psychopathologischer Befund und Suizidanamnese)
Zum Abschluss der Anamnese sollte auch nach den ambulant behandelnden Ärzten gefragt werden! Zum einen, um die Ansprechpartner für eventuelle Vorbefunde zu kennen, zum anderen um herauszufinden, an welche Ärzte ein Zwischenbericht oder Entlassungsbrief zu richten ist!
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Anamnese (Video frei verfügbar)
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