Zusammenfassung
Im thoraxchirurgischen Patientenkollektiv finden sich häufig Personen mit fortgeschrittenen bzw. symptomatischen kardiopulmonalen Vorerkrankungen. Für eine optimale anästhesiologische Betreuung ist – neben der Kenntnis der anatomischen und physiologischen Grundlagen von Lunge, Herz und zentraler Kreislaufregulation – eine gezielte präoperative Vorbereitung mit Befunderhebung und Diagnostik notwendig. Diese umfasst neben der Beurteilung des aktuellen Allgemeinzustandes auch die Optimierung der Ausgangsbedingungen bzw. die Reduktion des perioperativen Risikos. Ein interdisziplinärer Austausch zu Einschätzung des perioperativen Risikos und Operabilität ist dabei wünschenswert.
Aus anästhesiologischer Sicht stellt die Intubation mit Doppellumentubus zur Lungenseparation mit Einlungenventilation (ELV) eine technische Besonderheit in der Thoraxchirurgie dar. Die genaue Kenntnis der physiologischen Zusammenhänge, insb. der Effekte der ELV auf die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion und die Herzfunktion, ist entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden bzw. schnell zu beherrschen.
Anatomische und physiologische Grundlagen
Anatomische Grundlagen
- Lunge: Einteilung in zwei Lungenflügel, die sich in Lungenlappen (und diese wiederum in funktionelle Segmente gemäß der Aufzweigung der Bronchien) einteilen lassen
- Linker Lungenflügel
- Zwei Lappen (Lobus superior, Lobus inferior)
- Neun Segmente
- Rechter Lungenflügel
- Drei Lappen (Lobus superior, Lobus medius, Lobus inferior)
- Zehn Segmente
- Linker Lungenflügel
- Bronchialsystem
- Linker Lungenflügel
- Linker Hauptbronchus geht fast waagerecht ab
- Länge des linken Hauptbronchus: Ca. 4–5 cm
- Aufteilung in zwei Lappenbronchien
- Weitere Aufgliederung in neun Segmentbronchien
- Rechter Lungenflügel
- Rechter Hauptbronchus geht relativ steil ab
- Länge des rechten Hauptbronchus: Ca. 1–2,5 cm
- Aufteilung in drei Lappenbronchien
- Früher Abgang des Oberlappenbronchus
- Weitere Aufgliederung in zehn Segmentbronchien
- Linker Lungenflügel
- Gefäßversorgung
- Vasa publica
- Lungenarterien: Verlaufen gemeinsam mit gleichnamigen Bronchien zentral in den Lappen und Segmenten
- Lungenvenen: Verlaufen zwischen den Lungensegmenten
- Vasa privata
- Bronchialarterien: Verlaufen zusammen mit den Bronchien
- Bronchialvenen: Verlaufen zusammen mit den Bronchien
- Vasa publica
Der linke Lungenflügel besteht aus zwei Lappen und neun Segmenten, der rechte Lungenflügel aus drei Lappen und zehn Segmenten!
Der Mittellappen des rechten Lungenflügels liegt keilförmig zwischen Ober- und Unterlappen an der vorderen Thoraxwand und kann nur von ventral auskultiert werden!
Physiologische Grundlagen
Atemmechanik
- Wichtige Einflussfaktoren
- Lungendehnbarkeit (Compliance): Bestimmung über Ruhedehnungskurve von Lunge und Thorax
- Atemwegswiderstand (Resistance): Bestimmung über Bodyplethysmografie
- Treibende Kraft für In- und Exspiration: Druckveränderungen (intrapleuraler Druck, intrapulmonaler Druck)
Pulmonaler Gasaustausch
- Beteiligte Lungenabschnitte (Aufzweigung von proximal nach distal)
- Bronchioli respiratorii
- Ductus alveolares
- Sacculi alveolares
- Aufbau der Alveolen
- Alveolarlumen: Auskleidung mit dünnem einschichtigen Alveolarepithel
- Alveolarsepten: Enthalten elastische Fasern und die Lungenkapillaren
- Kohn'sche Poren: Verbindung zwischen benachbarten Alveolen
- Surfactant: Kleidet die innere Oberfläche aus
- Gasaustausch
- Inspiration: Luft strömt in Alveolen
- O2 diffundiert über Alveolarmembran ins Blut, CO2 vom Blut in die Alveole
- Angleichung der Partialdrücke beider Gase in Blut und Luft bis zum Ende der Kapillare
- Exspiration
Grundvoraussetzungen für den Gasaustausch sind die Ventilation der Lunge, die Diffusion der Gase über die Alveolarmembran und die Perfusion der Lunge!
Ventilation der Lunge
- Anteile: Alveoläre Ventilation und Totraumventilation
- Lungenvolumina: Darstellbar in Fluss-Volumen-Diagramm
- Siehe auch: Lungenfunktionsuntersuchung
Perfusion der Lunge [1]
- Gesamtperfusion der Lunge: Entspricht dem HZV
- Ventilations-Perfusions-Verhältnis : Beeinflusst durch
- Intrapulmonaler Rechts-links-Shunt : Abhängig von
Hypoxische pulmonale Vasokonstriktion [2][3][4]
- Definition: Physiologischer Mechanismus zur Optimierung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses
- Grundprinzip: pO2↓ in den Alveolen → Regionale Vasokonstriktion der kleinen Lungenarterien
- Einflussfaktoren
- pCO2
- szvO2
- pH-Wert
- Lagerung
- Blutdruck
- Körpertemperatur
- Volumenstatus
- Medikamente
Einflussfaktoren auf die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion | |
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Verstärkende Einflussfaktoren | Vermindernde Einflussfaktoren |
|
Hämodynamische Zusammenhänge [2][5]
- HZV und Sauerstoffsättigung
- HZV↓↓ → saO2↓
- HZV↑↑ → Intrapulmonaler Shuntanteil↑ (bei Schlagvolumen↑) → saO2↓
- Hypoxische pulmonale Vasokonstriktion und ventrikuläre Pumpfunktion
- Hypoxische pulmonale Vasokonstriktion↑↑ → Nachlast des rechten Ventrikels↑ → Rechtsherzbelastung↑
Typische Eingriffe
Mediastinoskopie [1]
- Besonderheiten
- Schmerzniveau: Hoch
- Lagerung: Rückenlagerung , Überstreckung der HWS
- Dauer: 20–30 min
- Blutung: I.d.R. gering
- Anästhesiologisches Management
- Hämodynamisches Basismonitoring
- Allgemeinanästhesie (balancierte Anästhesie oder TIVA)
- Atemwegssicherung mit Woodbridge-Tubus
- Tiefe Narkose, kontrollierte Beatmung
- Typische Komplikationen
- Blutungen
- Pneumothorax
- Luftembolie
- Traumatische Verletzungen des Ösophagus
Videoassistierte Thorakoskopie und VATS [1]
- Besonderheiten
- Schmerzniveau: Geringer als nach konventioneller Thorakotomie
- Lagerung: Ähnlich wie bei offenem Vorgehen
- Dauer: Je nach Befund
- Anästhesiologisches Management
- Hämodynamisches Basismonitoring
- Intubationsnarkose mit Doppellumentubus zur Erleichterung des operativen Vorgehens
- Einlungenventilation bereits vor Hautschnitt beginnen
- Zu operierende Seite absaugen
- Ggf. zusätzlich CO2-Insufflation in den Thorax zur besseren Sicht
Lobektomie, Pneumektomie [1][5]
- Besonderheiten
- Schmerzniveau: Sehr hoch
- Lagerung: Abgeknickte Seitenlagerung (zu operierende Seite oben)
- Dauer: 2–4 h
- Blutung: Ca. 200–800 mL
- Anästhesiologisches Management
- Hämodynamisches Basismonitoring plus invasive Blutdruckmessung
- Atemwegssicherung mit Doppellumentubus oder Bronchusblocker
- Kontrollierte Beatmung mit Einlungenventilation
- I.d.R. Kombinationsanästhesie mit thorakaler Periduralanästhesie
- Vermeidung einer perioperativen Hypothermie
- Vor Verschluss des Thorax: Blähen beider Lungenflügel
- Anlage einer Thoraxdrainage
- Lobektomie: Frühzeitige Extubation (im OP) anstreben
- Pneumektomie: Ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz anstreben , niedrige Atemzugvolumina (5–6 mL/kgKG)
Operative Versorgung bei Thoraxtrauma bzw. Lungenblutung [1]
- Besonderheiten: Gefahr von Volumenmangelschock und/oder Ersticken durch massive Blutung, oft aufgrund von Vorerkrankungen
- Bronchiektasen
- Abszess
- Lungenkarzinom
- Lungentuberkulose
- Anästhesiologisches Management
- Hämodynamisches Basismonitoring, inkl. invasiver Blutdruckmessung und wiederholter BGA
- Intubation halb sitzend, unter Erhalt der Spontanatmung
- Doppellumentubus in nicht betroffenen Lungenflügel einführen
- Zu operierende Seite absaugen
- Thorakotomie unter Einlungenventilation
Präoperative Anamnese und Diagnostik
Patientenkollektiv [6]
- Typische Krankheitsbilder: Erkrankungen mit Beeinträchtigung der Atemfunktion
- COPD
- Pulmonale Hypertonie
- Rechtsherzinsuffizienz
- Intra- oder extrapulmonale Raumforderungen
- Typische Komorbiditäten
- Tabakrauchen als Ursache zugrunde liegender Erkrankung
- Kardiovaskuläre Begleiterkrankungen
Anamnese und körperliche Untersuchung [6]
- Anamnese: Übliche Anamnese und Untersuchung in der Anästhesiologie, Fokus auf
- Pulmonale Symptome
- Kardiale Symptome, u.a.
- Dyspnoe
- Stauungszeichen
- Raucheranamnese (inkl. Pack Years)
- Kardiovaskuläre Begleiterkrankungen
- Einschätzung der körperlichen Belastbarkeit, bspw. mittels metabolischer Äquivalente
- Körperliche Untersuchung, Fokus auf
- Siehe auch: Prämedikationsambulanz
Diagnostik [2][6]
Obligate Diagnostik
- 12-Kanal-EKG, insb. Fokus auf Zeichen der Rechtsherzbelastung im EKG
- Labordiagnostik, je nach Eingriff (siehe: Präoperative Laboruntersuchungen)
- Blutgasanalyse, insb. Abklärung einer möglichen
- Röntgen-Thorax, insb. Fokus auf
- Trachealdurchmesser zur Auswahl und Größe des Doppellumentubus
- Hinweise auf schwierige Intubation (bspw. Trachealverlagerung, -kompression, Aufspreizung der Karina)
- Hinweise auf Beatmungsprobleme (bspw. Struma, mediastinale Raumforderung)
- Atelektasen, Ergüsse
- Spirometrie: Abschätzung von perioperativem Risiko und Operabilität
- Computertomografie
- Abschätzung der Größe bzw. Lage von Pathologien
- Ggf. zur Auswahl des passenden Doppellumentubus
- Ggf. quantitative Lungen-CT zur Abschätzung der postoperativen Restfunktion der Lunge
- Bronchoskopie
- Weitere Abklärung der Größe bzw. Lage von Pathologien
- Planung der Narkosetechnik und -führung
- Ggf. Behebung eines Sekretverhalts
Erweiterte Diagnostik
- Echokardiografie
- Belastungs-EKG
- Herzkatheteruntersuchung
- Lungenperfusionsszintigrafie
- Spiroergometrie
- Diffusionskapazität
- Siehe auch: Diagnostik vor resezierenden Eingriffen an der Lunge
Perioperatives Risiko und Operabilität [6]
- Allgemeine Risikoabschätzung anhand von
- Eingriffsbezogenem Risiko
- Vorerkrankungen
- Siehe auch: Einschätzen des perioperativen Risikos
- Spezifische Risikoabschätzung des geplanten Eingriffs
- Ziele der präoperativen Diagnostik
- Detektion potenziell behandelbarer Pathologien
- Abschätzung der postoperativen Lungenfunktion
- Zusammenschau aller präoperativen Befunde
- Klinischer Befund
- Spirometrie
- Gasaustausch in Ruhe: BGA und Diffusionskapazität
- Belastungstests: Treppensteigen, Belastungspulsoxymetrie, max. Sauerstoffaufnahme (VO2max)
- Lungenperfusionsszintigramm: Geschätzte postoperative Werte (ppo) für FEV1, DLCO und VO2max
- Siehe auch: Risikoevaluation vor geplanter Pneumektomie
- Grenzwerte für funktionelle Operabilität bei geplanter Lobektomie bzw. Pneumektomie [7]
- Lobektomie: FEV1 >1,5 L; Diffusionskapazität >60% der Norm
- Pneumonektomie: FEV1 >2,0 L (80% der Norm); Diffusionskapazität >60% der Norm
- Ziele der präoperativen Diagnostik
- Abschließende Beurteilung
- Grundsätzliche Unterscheidung zwischen Eingriffen mit
- Postoperativer Verbesserung der Lungenfunktion : Keine Orientierung an Grenzwerten
- Postoperativer Verschlechterung der Lungenfunktion : Orientierung an Grenzwerten empfohlen
- Bei voraussichtlich (sehr) hohem Risiko: Interdisziplinäre Einzelfallentscheidung mit Abwägung von Risiko und Nutzen der geplanten OP
- Grundsätzliche Unterscheidung zwischen Eingriffen mit
Die von den Fachgesellschaften empfohlenen Grenzwerte sind orientierend – letztlich ist es jedoch eine interdisziplinäre Einzelfallentscheidung, ob und in welchem Ausmaß ein Eingriff durchgeführt wird! [2]
Präoperative Optimierung [1][6]
- Rauchentwöhnung(!)
- Zu jedem Zeitpunkt sinnvoll [6][8]
- Ggf. Nicotinsubstitution erwägen
- Atemtherapie
- Sekretolyse
- Bronchospasmolyse
- Training der Atemmuskulatur zur Steigerung der funktionellen Residualkapazität
- Gezielte Behandlung von Vorerkrankungen, insb.
- Antibiotische Therapie pulmonaler Infekte
- Behandlung eines Cor pulmonale
Besonderheiten bei der Aufklärung
- Je nach Eingriff, bspw.
- Erhöhtes Risiko für Zahnschäden und Atemwegsverletzungen durch DLT
- Erhöhtes Risiko für Hypoxämie unter Einlungenventilation
- Nachbeatmung bei eingeschränkter Lungenfunktion
- Siehe auch: Anästhesiologische Aufklärung: Spezifische Risiken
- Bei geplanter Regionalanästhesie: Aufklärung zur Regionalanästhesie
Anästhesiologische Besonderheiten
Anästhesieverfahren
Besonderheiten bei Allgemeinanästhesie [1]
- Medikamentöse Prämedikation
- Bei uneingeschränkter Lungenfunktion wie üblich
- Kurzwirksame Wirkstoffe bevorzugen, bspw. Midazolam
- Bei vorbestehender eingeschränkter Lungenfunktion (Hypoxie und/oder Hyperkapnie ) vermeiden
- Auswahl des Narkoseverfahrens
- Sowohl TIVA als auch balancierte Anästhesie oder Kombinationsanästhesie möglich [9]
- Erhöhte Reaktivität des Bronchialsystems und Neigung zu Bronchospasmus beachten
- Wahl der Medikamente
- Balancierte Anästhesie
- Inhalationsanästhetika zur Bronchodilatation vorteilhaft
- Möglicherweise Beeinträchtigung der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion (insb. bei hoher Dosierung und älteren Wirkstoffen wie Halothan oder Enfluran [2][3][4][5][10])
- TIVA
- Keine Beeinträchtigung der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion
- Vorteilhaft während Bronchoskopie
- Muskelrelaxanzien: Wirkstoffe mit vermehrter Histaminfreisetzung vermeiden
- Balancierte Anästhesie
Regionalanästhesie in der Thoraxchirurgie [1][5]
- Thorakale Periduralanästhesie (Th3–9)
- Vorteile: Verminderung der intraoperativen Stressreaktion und postoperativer pulmonaler Komplikationen
- Insb. bei stark schmerzhaften Eingriffen sowie geplanter frühzeitiger Spontanatmung postoperativ
- Durchführung siehe: Periduralanästhesie - Ablauf/Durchführung
- Alternativ: Periphere Regionalanästhesie, bspw. [5]
- Thorakale Paravertebralblockade (auch mit Katheter)
- Interkostalblockade durch Operateur:in
Atemwegssicherung und Beatmung
Einlungenventilation [1][6]
- Absolute Indikationen (Schutz des gesunden Lungenflügels)
- Fisteln oder große Zysten
- Massive intrapulmonale Blutung
- Intrapulmonale Abszesse/Infektionen
- Relative Indikationen (Erleichterung des chirurgischen Vorgehens)
- Pneumektomie
- Lobektomie des Oberlappens
- Thorakales Aortenaneurysma
- Ösophagusresektion
- Minimalinvasive kardiochirurgische Eingriffe
- Thorakale Wirbelsäuleneingriffe mit lateralem Zugang
Techniken der Lungenseparation [11]
- Doppellumentubus (DLT)
- Linksläufiger DLT, bspw. Robertshaw-Tubus oder Carlens-Tubus
- Standardmäßig verwendet
- Leichtere Platzierbarkeit
- Rechtsläufiger DLT, bspw. White-Tubus
- Selten indiziert, bspw. bei Pneumektomie links oder Beteiligung des linken Hauptbronchus
- Nachteile: Schwerer zu platzieren mit Gefahr der Verlegung des rechten Oberlappenbronchus
- Praktisches Vorgehen siehe: Anlage eines Doppellumentubus
- Linksläufiger DLT, bspw. Robertshaw-Tubus oder Carlens-Tubus
- Bronchusblocker [2][6][11]
- Prinzip: Beatmung erfolgt über einen endotrachealen Tubus, Lungenseparation durch einen im Hauptbronchus platzierten Katheter mit endständigem Ballon
- Modelle
- Arndt-Bronchusblocker: Ballonkatheter (50–78 cm) mit Cuff, zentralem Lumen für Absaugung und Gasinsufflation , Multiport-Tubusadapter und integrierter Führungsschlaufe am distalen Ende
- Univent®-Tubus: Endotrachealtubus und darin enthaltener Kanal mit einem beweglichen, flexiblen Bronchusblocker
- Praktisches Vorgehen siehe: Anlage eines Bronchusblockers
Vor- und Nachteile der Techniken zur Einlungenventilation [2][12] | ||
---|---|---|
Vorteile | Nachteile | |
Doppellumentubus (allgemein) |
| |
Linksläufiger DLT |
|
|
Rechtsläufiger DLT |
|
|
Bronchusblocker |
|
Effekte der Einlungenventilation [5]
- Pulmonaler Rechts-links Shunt↑
- Pulmonaler Gefäßwiderstand↑ → Rechtsherzbelastung
- Beatmeter Lungenflügel: Beatmungsdruck↑, Compliance↓
Vorgehen bei erwartet schwieriger Intubation [13]
- Atemwegssicherung unter Spontanatmung empfohlen
- Fiberoptische Lagekontrolle, ggf. ergänzende Lungensonografie
- Siehe auch: Prädiktoren für einen schwierigen Atemweg
Lagerung [1][5]
- Häufig Operation in Seitenlagerung
- Beeinflussung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses durch Seitenlagerung und Eröffnung des Thorax
- Oben liegender Lungenflügel: Ventilation↑, Perfusion↓
- Unten liegender Lungenflügel: Ventilation↓, Perfusion↑
- Thoraxeröffnung: Compliance↑ des oberen Lungenflügels → Ventilation↑
Monitoring [1][5]
- Generell: Abhängig von OP-Ausmaß und Vorerkrankungen
- Basismonitoring
- EKG, Pulsoxymetrie, nicht-invasive Blutdruckmessung
- Kapnometrie, FiO2
- Temperatur
- Meist erweitertes hämodynamisches Monitoring, bspw.
- Invasive Blutdruckmessung
- Arterielle Blutgasanalyse
- Pulskonturanalyse
- Zentralvenöse Blutdruckmessung
- Pulmonaliskatheter bei schweren kardiopulmonalen Vorerkrankungen (bspw. Pneumektomie bei bekanntem Cor pulmonale)
- Ggf. zerebrale Nahinfrarotspektroskopie (NIRS): Beurteilung einer Hypoxämie insb. bei Risikokonstellation [2]
Intubation mit Doppellumentubus
Auswahl des geeigneten Tubus [6]
- Größe des Doppellumentubus
- Einschätzung nach Alter, Geschlecht und Körpergröße
- Prinzipiell größtmöglicher, noch problemlos einzuführender Tubus, da vorteilhaft zur
- Minimierung des Atemwegswiderstands
- Minimierung des Risikos für eine traumatische Verletzung des Bronchus
- Zuverlässigen Platzierung des Tubus
- Optimalen Füllung des endobronchialen Cuffs
- Bei spürbarem Widerstand während der Intubation: Nächstkleinere Größe wählen
- Bevorzugt linksläufiger Doppellumentubus
- Vorteile: Geringeres Dislokationsrisiko, größere Toleranz bei der Position des bronchialen Cuffs und dichterer Sitz
- Nachteil: Einführen etwas schwieriger
- Indikationen: Thorakoskopische und extrapulmonale Operationen
- Kontraindikation: Geplante linksseitige Pneumektomie
Orientierende Größen des Doppellumentubus nach Patientengröße und -geschlecht [6] | ||
---|---|---|
Körpergröße in cm | Frauen | Männer |
<150 | 32 Ch | — |
150–160 | 35 Ch | 37 Ch |
160–170 | 37 Ch | 39 Ch |
>170 | 39 Ch | 41 Ch |
Aufgrund des geringeren Dislokationsrisikos, der größeren Toleranz bei der Position des bronchialen Cuffs und der besseren Abdichtung wird im klinischen Alltag meist ein linksläufiger Doppellumentubus verwendet!
Vorgehen bei der Intubation [6][11]
- Spitze des Tubus zeigt nach vorn
- Tubusspitze bis hinter die Stimmbandebene einführen
- Führungsstab zurückziehen
- Spitze um 90° in Richtung des gewünschten Hauptbronchus drehen
- Weiter vorschieben, bis ein leichter Widerstand feststellbar ist
- Trachealen Cuff blocken
- Y-förmigen Konnektor aufsetzen
- Manuell beatmen
Vorgehen bei erfolgloser Platzierung eines DLT [13]
Alternative Möglichkeiten der Atemwegssicherung
- Konventionelle Intubation und Anlage eines Bronchusblockers
- Anlage einer supraglottischen Atemwegshilfe (bspw. Intubationslarynxmaske)
Klinische Lagekontrolle bei linksseitiger Intubation [1]
Ziel bei einem linksläufigen DLT ist die Positionierung des trachealen Cuffs in der Luftröhre und des bronchialen Cuffs im linken Hauptbronchus (kurz unterhalb der Karina). Die Öffnung zum rechten Lungenflügel liegt zwischen dem trachealen und bronchialen Cuff (kurz oberhalb der Karina) und die Öffnung zum linken Lungenflügel an der Tubusspitze.
- Schritt 1: Tracheale Lage prüfen
- Manuelle Beatmung bei geblocktem trachealen Cuff
- Auskultation: Lunge beidseits belüftet? → Mit Schritt 2 fortfahren
- Bei einseitigem Atemgeräusch: Tubus ca. 3 cm zurückziehen, erneute Kontrolle
- Schritt 2: Linke Seite prüfen (Korrekte endobronchiale Lage der Tubusspitze?)
- Tracheales Lumen (für rechte Seite) abklemmen
- Bronchialen Cuff blocken
- Auskultation: Atemgeräusch darf nur noch links zu hören sein
- Abgeklemmtes Lumen wieder freigeben
- Atemgeräusch muss wieder beidseits hörbar sein
- Schritt 3: Rechte Seite prüfen (Korrekte endotracheale Lage der seitlichen Öffnung?)
- Bronchiales Lumen (für linke Seite) abklemmen
- Bronchialer Cuff bleibt geblockt
- Auskultation: Atemgeräusch darf nur noch rechts zu hören sein
- Abgeklemmtes Lumen wieder freigeben
- Atemgeräusch muss wieder beidseits hörbar sein
Mögliche Auskultationsergebnisse bei Platzierung eines linksläufigen Doppellumentubus [14][15] | ||||
---|---|---|---|---|
Ziel | Prozedur | Gewünschtes Auskultationsergebnis | Tubus zu tief | Tubus nicht tief genug |
Beide Lungenflügel beatmen | Kein Lumen abgeklemmt | Atemgeräusch rechts = links | Atemgeräusch links > rechts | Atemgeräusch rechts = links |
Trachealer Cuff (weiß) geblockt | ||||
Linken Lungenflügel beatmen | Tracheales Lumen (weiß) abgeklemmt | Atemgeräusch links, kein Atemgeräusch rechts | Atemgeräusch links, kein Atemgeräusch rechts | Atemgeräusch rechts = links |
Bronchialer Cuff (blau) geblockt | ||||
Rechten Lungenflügel beatmen | Bronchiales Lumen (blau) abgeklemmt | Atemgeräusch rechts, kein Atemgeräusch links | Abgeschwächtes Atemgeräusch rechts, kein Atemgeräusch links | Atemgeräusch rechts = links |
Bronchialer Cuff (blau) geblockt |
Der Doppellumentubus liegt richtig, wenn beidseits Atemgeräusche auskultierbar sind, und diese (bei geblockten Cuffs) nach Abklemmen eines Lumens nur auf der jeweiligen Seite verschwinden! [6]
Fiberoptische Lagekontrolle [1][6]
- Indikationen
- Unmittelbar nach der Intubation
- Nach Abschluss der OP-Lagerung
- Nach jeder Umlagerung
- Verdacht auf Dislokation des Tubus aus der regelrechten Lage
- Klinischer Hinweis auf Verlegung eines Tubuslumens
- Problematische seitengetrennte Beatmung
- Befund bei linksläufigem DLT
- Blick durch tracheales Lumen
- Freie Sicht auf Karina und rechten Hauptbronchus
- Bronchiales Lumen läuft nach links in den linken Hauptbronchus
- Bronchialer Cuff liegt kurz unterhalb der Karina
- Cuff unter Sicht blocken
- Blick durch bronchiales Lumen meist nicht notwendig
- Blick durch tracheales Lumen
- Befund bei rechtsläufigem DLT
- Blick durch tracheales Lumen
- Freie Sicht auf Karina und linken Hauptbronchus
- Bronchiales Lumen läuft nach rechts in den rechten Hauptbronchus
- Bronchialer Cuff liegt kurz unterhalb der Karina (jedoch nicht immer zu sehen)
- Cuff unter Sicht blocken
- Blick durch bronchiales Lumen
- Unterhalb der Tubusspitze: Aufteilung in rechten Mittel- und Unterlappen sichtbar
- Hinter seitlicher Tubusöffnung (sog. Murphy-Auge): Abgang des rechten Oberlappenbronchus frei sichtbar
- Blick durch tracheales Lumen
Einstellung der Beatmungsparameter
- Vor der Lungenseparierung [11]
- Kontrollierte Beatmung
- FiO2 1,0
- Möglichst lange beidseits beatmen
- Atemzugvolumen ca. 6–8 mL/kgKG
- Spitzendruck 35 mbar
- PEEP 5–8 mbar
- Atemfrequenz nach paCO2
- Recruitmentmanöver (vor, nach und bei Bedarf auch während der ELV) [2]
- Beatmungsparameter bei der Einlungenventilation [1][5]
- Kontrollierte Beatmung
- FiO2 0,4–0,8 orientierend an der Oxygenierung
- Atemzugvolumen 5–6 mL/kgKG
- Beibehalten der vorherigen Atemfrequenz
- Erwartbare Folge: Atemwegsdruck↑
- PEEP 5–8 mbar
- Zielparameter (BGA)
- Bei Hypoxämie siehe: Hypoxämie unter Einlungenventilation
Beenden der Einlungenventilation
- Vorgehen
- Vor Beendigung der Lungenseparierung stillgelegten Lungenflügel absaugen
- Recruitmentmanöver des operierten Lungenflügels (bei V.a. Leckage operierende Fachabteilung benachrichtigen)
- Zweilungenventilation
- Bronchialen Cuff entblocken
- Trachealen Cuff entblocken
- Extubieren oder auf konventionellen Endotrachealtubus wechseln (bei erforderlicher Nachbeatmung)
- Weitere Maßnahmen
- Thoraxdrainage(n) anschließen
- Sog nach Maßgabe der operierenden Fachabteilung
- Postoperative Röntgenkontrolle
Intubation mit Bronchusblocker
Auswahl des geeigneten Bronchusblockers [6][11]
- Größen beim Arndt-Bronchusblocker: 9,0, 7,0 oder 5,0 French
- Größen beim Univent-Tubus: Blocker mit 6,0–9,0 mm Innendurchmesser bzw. 9,7–12,7 mm Außendurchmesser
Auswahl der Tubusgröße bei Arndt-Bronchusblocker | |
---|---|
Empfohlene Mindestgröße der Endotrachealtuben (Innendurchmesser in mm) | |
9-Fr-Blocker | 7,5 mm |
7-Fr-Blocker | 6 mm |
5-Fr-Blocker | 4,5 mm |
Vorgehen bei der Intubation
- Reguläre endotracheale Intubation, siehe auch: Endotracheale Intubation - AMBOSS-SOP
- Anschließend bronchoskopische Platzierung des Bronchusblockers
- Über Lumen eines konventionellen Endotrachealtubus einführen
- Bronchusblocker in gewünschten Hauptbronchus über Tubusspitze hinaus vorschieben
- Cuff blocken
- Auskultation zur Lagekontrolle
Spezielle Risiken und Komplikationen
Hypoxämie unter Einlungenventilation [1][2][5]
- Kritische Grenze: spO2 <90% bzw. paO2 <70 mmHg
- Risikofaktoren
- Deutliche Funktionseinschränkung des ventilierten Lungenanteils
- Linksseitige ELV
- Schnelle Entlüftung des zu operierenden Lungenflügels
- ELV in Rückenlagerung
- Praktisches Vorgehen
- Tubusdislokation und andere extrapulmonale Ursachen für Hypoxämie ausschließen
- FiO2 erhöhen (Nachteile: Resorptionsatelektasen, hypoxische pulmonale Vasokonstriktion↓)
- Recruitmentmanöver des beatmeten Lungenflügels
- PEEP auf unterem, beatmetem Lungenflügel ggf. erhöhen (Nachteil: Rechtsventrikuläre Nachlast↑)
- Strikte ELV teilweise aufheben
- Nicht-beatmeten Lungenflügel intermittierend beatmen oder/und
- Kontinuierlichen positiven Atemwegsdruck (5–10 mbar) auf nicht-beatmete Lunge und
- Kontinuierliche O2-Insufflation in nicht-beatmete Lunge
- Chirurgisch: A. pulmonalis des nicht-beatmeten Lungenflügels (passager) anschlingen
- Allgemein bei Pneumektomie: Pulmonalarterie des nicht-beatmeten Lungenflügels frühestmöglich abklemmen
Akute Rechtsherzinsuffizienz [5]
- Ursachen
- Myokardiale Ischämie
- Verkleinerung des pulmonalen Gefäßsystems (Rechtsherzbelastung↑)
- Behandlung
- Ursächlich (bspw. O2-Gabe, adäquate Schmerztherapie)
- Volumenüberladung vermeiden
- Postoperativ: Regulation des pulmonalen Gefäßwiderstands erwägen
- Siehe auch: Therapie der Herzinsuffizienz
Intraoperative Herzrhythmusstörungen [5]
- Häufigste Form: Supraventrikuläre Rhythmusstörungen
- Mögliche Ursachen
- Manipulation an Lunge oder Herz
- Rechtsherzbelastung
- Verletzung des Reizleitungssystems des Herzens
- Sympathikusaktivierung (Schmerzen)
- Behandlung
- Ursächlich (bspw. O2-Gabe, adäquate Schmerztherapie, Elektrolytausgleich)
- Herzfrequenz senken, bspw. mit Calciumantagonisten
- Bei postoperativen HRST: Kardioversion erwägen
- Siehe auch:
Weitere Risiken und Komplikationen [5]
- Pneumonie
- ARDS
- Komplikationen der Thoraxdrainage
- Post-Thorakotomie-Syndrom [16]
- Atelektasen
- Lungenödem (Post-Pneumektomie-Ödem)
- Bronchopleurale Fisteln
- Mediastinalverlagerung (nach Pneumektomie) [5]