Zusammenfassung
Das Zwerchfell, eine Muskel-Sehnen-Platte, trennt die Brust- von der Bauchhöhle und besitzt physiologische Öffnungen für Nerven, Gefäße und den Ösophagus. Daneben kann es an typischen Lokalisationen weitere Schwachstellen aufweisen. Zwerchfellhernien entstehen durch die Verlagerung von Bauchorganen (Bruchinhalt) durch Öffnungen (Bruchpforten) in den Thoraxraum. Dabei unterscheidet man angeborene Zwerchfellhernien durch embryonale Entwicklungsstörungen von erworbenen Zwerchfellhernien, deren Ursache meist eine Kombination aus gelockertem Hiatus oesophageus und gesteigertem abdominellen Druck ist.
Angeborene Zwerchfellhernien treten meist am Trigonum lumbocostale oder sternocostale auf und äußern sich postnatal variabel, von komplett asymptomatisch bis hin zur Atem- und Kreislaufdepression. Die pränatale Diagnostik soll eine frühzeitige Therapie ermöglichen, bei großen Organverlagerungen ist die Prognose jedoch trotzdem immer noch schlecht. Die häufigste Form erworbener Zwerchfellhernien ist die Hiatushernie, deren Symptome abhängig von ihrer Größe und Form sind. Während bei axialen Hiatushernien oft die Refluxsymptomatik führend ist, äußern sich paraösophageale Hiatushernien eher durch eine Dysphagie. Große Organverlagerungen, bspw. bei Thoraxmagen, können retrosternale Schmerzen, Ateminsuffizienz, Kreislaufstörungen oder einen Ileus verursachen.
Zur Diagnose und Therapieplanung erfolgt i.d.R. eine Bildgebung und Funktionsdiagnostik. Bei unkomplizierten axialen Hiatushernien kann die konservative Therapie des Reflux ausreichend sein, meist ist jedoch eine operative Therapie angezeigt, bspw. mittels Fundoplicatio, Gastropexie und/oder Hiatoplastik, um Komplikationen der Zwerchfellhernie zu vermeiden.
- Für traumatische Defekte des Zwerchfells siehe: Zwerchfellruptur
- Für allgemeine Informationen zu Hernien (bspw. Ätiologie, Terminologie, Grundprinzipien der Therapie) siehe: Hernien
Definition
- Zwerchfellhernie: Sammelbegriff für die Verlagerung eines (peritonealen) Bruchsacks in die Brusthöhle, ggf. mit (Anteilen von) Bauchorganen als Bruchinhalt (sog. Enterothorax)
- Angeborene Zwerchfellhernie: Organverlagerung durch angeborenen Defekt des Zwerchfells
- Erworbene Zwerchfellhernie: Organverlagerung durch muskuläre oder bindegewebige Schwachstellen des Zwerchfells (meist Hiatus oesophageus = Hiatushernie)
Epidemiologie
Angeborene Zwerchfellhernien [1]
- Inzidenz: 1:2.000–1:5.000 Geburten [1][2]
- Lokalisation
- 80–90% linksseitig, 10–20% rechtsseitig
- >90% lumbokostal, <10% sternokostal [3]
- Häufigste Form: Linksseitige Bochdalek-Hernie
- Assoziation mit weiteren Fehlbildungen [4]
- Kardiovaskulär: Ventrikelseptumdefekt, Vorhofseptumdefekt, Fallot-Tetralogie
- Extremitäten: Polydaktylie, Syndaktylie
- Syndrome: Trisomie 18 oder 21
- Zentrales Nervensystem: Neuralrohrdefekte, Hydrozephalus
- Sonstige: Gaumenspalte, Kryptorchismus, Ösophagusatresie
Erworbene Zwerchfellhernien
- Geschlecht: ♀ > ♂
- Prävalenz: Mit dem Alter zunehmend
- Alter >50 Jahre: 50% [5]
- Alter >70 Jahre: 70% [6]
- Verbreitung: Auftreten in Ländern des Globalen Nordens weitaus häufiger als in Ländern des Globalen Südens
- Lokalisation: 90% aller erworbenen Zwerchfellhernien sind Hiatushernien [3]
- Sonderfall: Saint-Trias [7]
- Kombiniertes Auftreten von Cholelithiasis, Divertikulose und Hiatushernie
- 30–40% der Hiatushernien betroffen
Etwa 50% der Menschen >50 Jahre haben eine (asymptomatische) axiale Hiatushernie!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Entstehung angeborener Hernien [2]
- Störung der embryonalen Entwicklung des Zwerchfells [6]
- Ca. 70% sporadisch (mit isoliertem Zwerchfelldefekt)
- Ca. 18% durch äußere Faktoren (mit multiplen Fehlbildungen)
- 10% im Rahmen von Syndromen
- 2% familiäre Veranlagung
Risikofaktoren erworbener Hernien
- Gelockerter Hiatus oesophageus
- Fortgeschrittenes Alter [8]
- Tabakkonsum
- Adipositas
- Abdominelle Druckerhöhung über längere Zeiträume
- Schwangerschaft
- Adipositas
- Aszites [3]
- Pathologische Atmung mit Bauchpresse, wie bspw. bei COPD [3]
- Chronische Obstipation [9]
Anatomische Grundlagen
Aufbau des Zwerchfells
- Embryonalentwicklung
- Entstehung aus mesodermalen Strukturen
- Septum transversum
- Plicae pleuroperitoneales
- Dorsales Mesenterium des Ösophagus
- Anteile der Körperwand
- Entwicklung des Zwerchfells zwischen der 4. und 12. SSW
- Entstehung aus mesodermalen Strukturen
- Strukturen: Bindegewebe und Muskeln
- Bindegewebiges Zentrum: Centrum tendineum
- Muskuläre Anteile: Pars sternalis, Pars costalis, Pars lumbalis
- Öffnungen/Durchtrittsstellen
- Hiatus oesophageus [10]
- Lage: Pars lumbalis, im medialen Anteil des Crus dextrum
- Durchtretende Strukturen: Ösophagus, Trunci vagales, R. phrenicoabdominalis des N. phrenicus
- Funktionelle Bedeutung: Bildung der Zwerchfellenge
- Hiatus aorticus
- Lage: In der Pars lumbalis
- Durchtretende Strukturen: Aorta
- Foramen venae cavae
- Lage: Im Centrum tendineum
- Durchtretende Strukturen: V. cava inferior
- Trigonum sternocostale (links Larrey-Spalte, rechts Morgagni-Spalte)
- Lage: Zwischen Pars costalis und Pars sternalis
- Durchtretende Strukturen: A. und V. thoracica interna
- Trigonum lumbocostale (Bochdalek-Lücke)
- Lage: Zwischen Pars lumbalis und Pars costalis
- Durchtretende Strukturen: Keine
- Hiatus oesophageus [10]
- Gastroösophagealer Übergang
- Lage: Physiologisch in Höhe des Zwerchfelldurchtritts (Hiatus oesophageus)
- Anatomisches Korrelat: Z-Linie
- Funktion: Bildung eines funktionellen Sphinktersystems (sog. unterer Ösophagussphinkter)
- Zusammenspiel entscheidend für effektiven Verschluss
- Beteiligte Strukturen: Muskelschicht und Venenplexus des Ösophagus, bindegewebige Fixierung des Zwerchfells , Zwerchfellenge und His-Winkel
Physiologischerweise bilden Hiatus oesophageus und der funktionelle Ösophagussphinkter eine Einheit!
Funktionelles Zusammenspiel
- Gastroösophagealer Übergang beim physiologischen Schluckakt [11]
- Ruheposition: Auf Höhe des Zwerchfelldurchtritts
- Beginn des Schluckakts: Kontraktion der longitudinalen glatten Muskulatur des Ösophagus → Verkürzung mit physiologischer Hernierung
- Ende des Schluckakts: Rückverlagerung des gastroösophagealen Übergangs durch elastische Strukturen in die Ausgangsposition
- Mögliche anatomische Störfaktoren
- Strukturelle Veränderungen des Ösophagus [8]
- Erweiterung des Hiatus oesophageus
- Abweichungen des His-Winkels
Klassifikation
Angeborene Zwerchfellhernien
Formen angeborener Zwerchfellhernien [3][4] | ||||
---|---|---|---|---|
Name der Hernie | Anatomische Bezeichnung | Bruchpforte/n | Bruchinhalt | Embryologie |
Bochdalek-Hernie |
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Morgagni-Hernie |
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Larrey-Hernie |
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Angeborene Hiatushernie |
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Zentrale Zwerchfellhernie |
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Erworbene Zwerchfellhernien (Hiatushernien) [3][5][12]
Formen erworbener Zwerchfellhernien [3][5][12][13] | ||||
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Form der Hernie | Klassifikation | Bruchpforte | Bruchinhalt | Charakteristik |
Kardiofundale Fehlanlage |
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Axiale Hiatushernie (Gleithernie) |
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Paraösophageale Hiatushernie |
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Mischform |
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Komplexe Hiatushernien |
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Symptomatik
Allgemeine Symptome [3]
- Symptome variieren je nach Größe und Art der verlagerten Organe
- Keine strenge Korrelation zwischen Größe und Beschwerdebild
- Neben gastrointestinalen Symptomen auch kardiopulmonale Symptome möglich
- Ggf. Anämie durch magensäurebedingte Ulzera und Blutungen
Symptome angeborener Zwerchfellhernien [1][2][4]
- Manifestation variabel, kleine Defekte können asymptomatisch bleiben [2]
- Pränatal: Aufgrund der Druckverhältnisse i.d.R. ohne Konsequenz, außer bei kardialer, pulmonaler oder vaskulärer Beeinträchtigung durch sehr große Hernien
- Unmittelbar postnatal
- Dyspnoe bis Ateminsuffizienz [2]
- Zyanose
- Inspiratorischer Stridor
- Pulmonale Hypertonie
- Niedriger APGAR-Score [2]
- Im Säuglingsalter
- Plötzlich auftretende Schmerzen
- Störungen der Darmpassage
- Symptome möglicher assoziierter Fehlbildungen [4]
- Kardiovaskuläre Symptome bspw. bei Ventrikelseptumdefekt, Vorhofseptumdefekt, Fallot-Tetralogie
- Gastrointestinale Symptome bspw. bei Ösophagusatresie
Je früher die Verlagerung der Bauchorgane nach intrathorakal auftritt und je größer der Defekt ist, desto ausgeprägter sind die Symptome!
Symptome erworbener Zwerchfellhernien
Typ I: Axiale Hiatushernie
- Leitbefund: Reflux (wenn klinisch auffällig)
- Funktion des Ösophagussphinkters: Gestört
- Schluckakt: Normal
- Klinisches Bild: Meist asymptomatisch, zu ca. 10% Sodbrennen, epigastrischer Schmerz, Völlegefühl, ggf. Komplikationen der gastroösophagealen Refluxkrankheit
Typ II: Paraösophageale Hiatushernie [3][5]
- Leitbefund: Dysphagie (wenn klinisch auffällig)
- Funktion des Ösophagussphinkters: Erhalten
- Schluckakt: Gestört
- Klinisches Bild: 3 Stadien
- Asymptomatisch
- Unkompliziert: Aufstoßen, Dysphagie, thorakales Druckgefühl , Völlegefühl, epigastrische Schmerzen (Sodbrennen eher untypisch)
- Kompliziert: Dysphagie und Passagestörung, Erosionen, Ulzera, chronische Blutungen (siehe auch: Komplikationen der Zwerchfellhernie)
Typ III: Mischform
- Leitbefund: Reflux und Dysphagie (wenn klinisch auffällig)
- Funktion des Ösophagussphinkters: Gestört
- Schluckakt: Gestört
- Klinisches Bild: Variabel
Typ IV: Komplexe Hiatushernien
- Leitbefund: Gastrointestinale und kardiopulmonale Symptome
- Funktion des Ösophagussphinkters: Je nach vorherrschendem Typ
- Schluckakt: Gestört
- Klinisches Bild: Je nach Größe und Menge der nach intrathorakal verlagerten Organe
Leitsymptom der axialen Hiatushernie ist der Reflux, während sich eine paraösophageale Hiatushernie v.a. durch Dysphagie äußert!
Diagnostik
Angeborene Zwerchfellhernien
Pränatale Diagnostik [1][2]
- Sonografie: Ab der 18. SSW möglich
- Lunge: Lung-to-head-Ratio (LHR) reduziert
- Normwert in der 34. SSW: LHR 1,8–3,0
- Therapiebedarf: ECMO wahrscheinlich notwendig, wenn LHR bei ca. 1,2
- Überlebenschancen gering bei LHR <0,9 (siehe auch: Zwerchfellhernien - Prognose)
- Herz: Hypoplastischer linker Ventrikel
- Abdominalorgane: Verlagerung in den Thorax
- Weitere Befunde
- Hydrops fetalis
- Niedriges geschätztes Körpergewicht
- Lunge: Lung-to-head-Ratio (LHR) reduziert
- MRT: Ab der 20. SSW
- Lunge: Fetales Lungenvolumen (FLV) reduziert
- Normwert in der 34. SSW: FLV 70 mL
- Therapiebedarf: ECMO wahrscheinlich notwendig, wenn FLV <25 mL (34. SSW)
- Überlebenschancen gering bei FLV <9 mL in der 34. SSW (siehe auch: Zwerchfellhernien - Prognose)
- Lunge: Fetales Lungenvolumen (FLV) reduziert
Postnatale Diagnostik [2][4]
Körperliche Untersuchung
- Inspektion: Eingefallenes Abdomen, Zeichen der Dyspnoe bis hin zur Asphyxie
- Auskultation
- Abgeschwächtes/Fehlendes Atemgeräusch über der betroffenen Thoraxseite
- Herztöne weiter kontralateral auskultierbar (Mediastinalverlagerung)
- Ggf. Darmgeräusche über der betroffenen Thoraxseite
Bildgebung
- Sonografie
- Bewegungsrichtung und -amplitude des Zwerchfells bei Inspiration
- Mögliche Begleitfehlbildungen an Herz , ZNS und Urogenitaltrakt
- Mediastinalverlagerung nach kontralateral
- Röntgen-Thorax
- Nach intrathorakal verlagerte Organe (Enterothorax)
- Mediastinalverlagerung
Weiterführende Diagnostik
- CT, MRT zur detaillierten Beurteilung des Zwerchfells
- Echokardiografie zum Ausschluss kardialer Fehlbildungen
- Chromosomenanalyse bei gleichzeitigem Auftreten mehrerer Fehlbildungen
Ausschluss primär pulmonaler Pathologien [4]
- Störungen der bronchopulmonalen Organentwicklung aus dem Vorderdarm
- Sequestrierung der Lunge
- Zystisch adenomatoide Malformation der Lunge
- Lungenagenesie
- Lungenhypoplasie
Erworbene Zwerchfellhernien
Anamnese und körperliche Untersuchung [3][12]
- Anamnese: Symptome einer erworbenen Zwerchfellhernie
- Axiale Hiatushernie: Eher gastroösophagealer Reflux, brennender retrosternaler Schmerz
- Paraösophageale Hernie: Eher Dysphagie, Symptome durch Organverlagerung
- Körperliche Untersuchung: Insb. bei großen Hernien mit Organverlagerung
- Inspektion: Eingefallenes Abdomen, ggf. Zeichen einer Dyspnoe
- Auskultation: Darmgeräusche im Thorax, abgeschwächtes Atemgeräusch über der betroffenen Thoraxseite
- Perkussion: Abgeschwächter oder tympanitischer Klopfschall über dem Thorax
Laboruntersuchung [3]
- Eisenmangelanämie bei chronischen Ulzerationen
- Ggf. Leukozytose, CRP-Erhöhung
Zwerchfellhernien können zu einer chronischen Blutungsanämie führen, insb. bei zusätzlicher Einnahme von NSARs!
Endoskopie (Ösophagogastroduodenoskopie) [3][11][12][13][14]
- Indikation: Basisdiagnostik bei V.a. erworbene Zwerchfellhernie
- Vorgehen
- Darstellung des gastroösophagealen Übergangs in antegrader und retroflektierter Sicht
- Weiteres Vorgehen entsprechend der Ösophagogastroduodenoskopie bei gastroösophagealer Refluxkrankheit
- Mögliche Befunde
- Nachweis bzw. Ausschluss einer GERD (siehe: Endoskopische Klassifikation der Refluxösophagitis)
- Beurteilung der Z-Linie : Verlagerung nach intrathorakal? [14]
- Zeichen einer Barrett-Metaplasie (Prag-Klassifikation)
- „Klaffende“ Kardia
- Unvollständiger Schluss des gastroösophagealen Übergangs
- Ggf. Stenosen
Endoskopische Klassifikation der Hiatushernie nach Hill | |
---|---|
Grad | Retrograde Ansicht mit dem im Magen befindlichen Endoskop auf den Mageneingang |
I | Physiologischer Befund mit Schleimhautfalte (auf Seite der kleinen Kurvatur) neben dem manschettenartig von Schleimhaut umschlossenen Endoskop |
II | Schleimhautfalte weniger ausgeprägt, Schleimhaut-„Manschette“ um das Endoskop öffnet immer wieder |
III | Schleimhautfalte nur gering ausgeprägt, Schleimhaut-„Manschette“ um das Endoskop generell locker |
IV | Schleimhautfalte nicht vorhanden, Raum um das Endoskop erlaubt den Blick in den distalen Ösophagus |
Paraösophageale Hernien gehen ohne Z-Linien-Verlagerung einher und können daher endoskopisch nicht immer sicher identifiziert werden!
Gastroösophageale Funktionsdiagnostik [12][13]
- Indikation: Beurteilung der operativen Therapieoptionen, insb. bei fehlenden refluxbedingten Veränderungen in der ÖGD
- Methoden
- Manometrie: Ausschluss von Motilitätsstörungen des Ösophagus
- Langzeit-pH-Metrie: Nachweis von Reflux und Regurgitationen, üblicherweise als intraluminale Impedanzmessung über 24 h
Bildgebung [3][12][13]
- Sonografie
- Indikation: Unspezifische abdominelle Symptomatik
- Mögliche Befunde: Unterbrochene Zwerchfelllinie, Magen- bzw. Darmschlingen neben Lungengewebe, Pleuraerguss
- Röntgen-Thorax in zwei Ebenen
- Indikation: Unspezifische thorakale Symptomatik, Verdacht auf Enterothorax
- Mögliche Befunde
- Zwerchfellhochstand
- Intrathorakal gelegene Anteile von Magen oder Darm: Glatt begrenzte Raumforderung in Projektion auf das Mediastinum
- Evtl. Spiegelbildung
- Ösophagusbreischluck in Kopftieflage und mit Bauchpresse
- Indikation: Einschätzung komplexer Hernien [12]
- Mögliche Befunde
- Lokalisation der Kardia oberhalb des Zwerchfells, nach thorakal verlegter Ösophagussphinkter
- Reflux von Kontrastmittel in den Ösophagus und verzögerte Magenpassage
- CT-Thorax-Abdomen mit Kontrastmittel
- Indikation: Ausschluss anderer raumfordernder Prozesse, V.a. Inkarzeration
- Mögliche Befunde: Exakte Darstellung von Bruchpforte, Größe und Bruchinhalt; ggf. Inkarzeration
- MRT: Zur Langzeitkontrolle, insb. postoperativ nach Netzeinlage
Therapie
Therapie angeborener Zwerchfellhernien [1][2][3]
Pränatale Maßnahmen
- Fetoskopische Trachealokklusion mit Ballon
- Geburtsmodus planen, abhängig von der Lung-to-head-Ratio [2]
- LHR >1,8: Spontangeburt möglich
- LHR <1,5: Primäre Sectio caesarea nach der 37. SSW
Postnatale Maßnahmen und Therapie
Primär asymptomatische kleinere Defekte des Zwerchfells können erst im Erwachsenenalter auffallen und sollten bspw. vor einer geplanten Schwangerschaft versorgt werden. Die folgenden Therapieoptionen beziehen sich auf die primär symptomatischen kongenitalen Zwerchfellhernien. [3]
Erstmaßnahmen und Stabilisierung
- Monitoring von Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und Blutdruck
- Anlage einer nasogastralen Sonde
- Primäre endotracheale Intubation und Beatmung
- Analgosedierung
- Ggf. ECMO-Therapie(bei insuffizienter Beatmung bzw. Hypotonie trotz Volumen- und Katecholamintherapie)
- Ggf. medikamentöse Therapie der pulmonalen Hypertension
Operative Korrektur der angeborenen Zwerchfellhernie
- Indikation: Bei deutlicher Symptomatik, wie bspw. Atemeinschränkung
- Zeitpunkt: Zeitnah postnatal, nach Stabilisierung bzw. nach Beendigung der ECMO-Therapie [1]
- Ziel: Reduktion von Symptomen bzw. Vermeidung von Komplikationen wie Inkarzeration
- Durchführung
- Reposition des Bruchinhalts
- Resektion des Bruchsackes
- Verschluss der Bruchlücke, bspw. durch Implantation eines Kunststoffnetzes
- Verschluss der Bauchwand ggf. mittels Patch [1]
- Ggf. Anlage einer Thoraxdrainage
Therapie erworbener Zwerchfellhernien
Axiale Hiatushernien (Typ I) [3][6][11][12][13]
Konservative Therapie
- Indikation
- Axiale Hiatushernien ohne Komplikationen
- Ggf. begleitend bei operationswürdigen Hernien [11]
- Maßnahmen: Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit, insb.
- Lebensstilveränderungen wie bspw. Gewichtsnormalisierung, Meidung von Noxen
- Medikamentös: Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
Operative Therapie
- Indikation
- Fortgeschrittenes Stadium der Refluxösophagitis trotz PPI-Therapie (Grad III–IV nach Savary und Miller) [3][13]
- Endoskopischer oder radiologischer Nachweis einer Hiatushernie
- Typische Symptome bzw. jahrelange Refluxanamnese
- Manometrie: Nachweis einer inkompetenten Antirefluxbarriere
- pH-Metrie: Saurer Reflux mit fortgeschrittenem Stadium der Refluxösophagitis
- Gutes Ansprechen auf PPI-Therapie mit Verschlechterung der Reflux-Symptomatik bei einem Auslassversuch
- Reduzierte Lebensqualität
- Komplikationen, bspw. inkarzerierte Hernie, Ileus, Perforation
- Fortgeschrittenes Stadium der Refluxösophagitis trotz PPI-Therapie (Grad III–IV nach Savary und Miller) [3][13]
- Ziel: Reduktion von Reflux durch Rekonstruktion einer Antireflux-Barriere
- Kontraindikationen
- Magenentleerungsstörung
- Amotiler Ösophagus
- Durchführung: Anti-Reflux-Operation (meist laparoskopisch) [3][13]
- Reposition des Bruchinhalts
- Resektion des Bruchsackes
- Hiatoplastik
- Ggf. Fundopexie
- Fundoplicatio nach Nissen oder Hemifundoplicatio nach Toupet
- Rezidiv-Operation: Kombination aus ⅔ -Magenresektion, Vagotomie und Roux-Y-Magenbypass [6]
Die Therapie des Reflux steht bei axialen Hiatushernien im Mittelpunkt!
Bei asymptomatischen axialen Hiatushernien besteht kein Therapiebedarf! [12]
Paraösophageale Hernien und Mischhernien (Typ II–IV)
Konservative Therapie
- Indikation: Selten bei asymptomatischen Hernien Typ II [12]
Operative Therapie [12]
- Indikation: Vorhandensein einer (symptomatischen) Hiatushernie Typ II–IV
- Ziel: Verhindern einer inkarzerierten Hernie oder anderer Komplikationen
- Durchführung (meist laparoskopisch)
- Reposition des Bruchinhalts
- Resektion des Bruchsackes
- Hiatoplastik
- Fundopexie
- Ggf. Fundoplicatio nach Nissen oder Hemifundoplicatio nach Toupet
Jede paraösophageale Hernie oder Mischhernie stellt aufgrund des hohen Komplikationsrisikos (Passagestörung, Ulzera, Inkarzerationen etc.) eine Operationsindikation dar!
Operative Verfahren
Hiatoplastik [6][7][14]
- Grundprinzip: Funktionelle Rekonstruktion des Hiatus (Einengung der Bruchlücke)
- Verfahren [14]
- Hintere Hiatoplastik mit direkter Naht
- Indikation: Hiatushernie mit Durchmesser <5 cm
- Durchführung: Präparation zur Darstellung der Zwerchfellschenkel, Kruroraphie
- Hintere Hiatoplastik mit Netzimplantation
- Indikation: Hiatushernie mit Durchmesser >5 cm, Rezidive
- Durchführung: Präparation zur Darstellung der Zwerchfellschenkel, Implantation eines Kunststoffnetzes
- Hintere Hiatoplastik mit direkter Naht
Fundopexie/Fundophrenicopexie/Gastropexie [6]
- Grundprinzip: Fixierung des Magenfundus am Zwerchfell und damit Wiederherstellung eines normalen His-Winkels
- Verfahren
- Hintere Gastropexie: Fixierung des gastroösophagealen Übergangs an den hinteren Zwerchfellschenkel
- Vordere Gastropexie: Fixierung der Magenvorderwand an die Bauchdecke
- Fundophrenicopexie: Fixierung des Magenfundus an das linksseitige Zwerchfell (Centrum tendineum)
Fundoplicatio [6][7][15]
- Grundprinzip: Manschette aus Magenfundus wird um den distalen Ösophagus geschlungen und damit der Mageneingang verengt
- Vorteile: Gute Refluxkontrolle, geringe Reoperationshäufigkeit
Fundoplicatio nach Nissen
- Definition: „Klassische“ Fundoplicatio
- Durchführung: Meist laparoskopisch oder roboterassistiert [6]
- Mobilisation der großen und kleinen Kurvatur des Magens
- Mobilisation des distalen Ösophagus
- Hiatoplastik
- Bildung einer posterioren 360°-Manschette aus dem kompletten Magenfundus
- Position der Fundusfalte hinter dem Ösophagus
- Fixierung der Manschette im Bereich des gastroösophagealen Übergangs
Modifizierte Fundoplicatio nach Nissen-Rosetti
- Definition: Modifikation der klassischen Operation nach Nissen und heute meist bevorzugte Technik
- Modifikation: Kurze und weite („floppy“) Manschette aus der Magenvorderwand, keine Präparation der kleinen Kurvatur [6]
- Durchführung [6][7]
- Mobilisation der großen Kurvatur des Magens
- Mobilisation des distalen Ösophagus
- Hiatoplastik
- Bildung einer posterioren 360°-Manschette aus der Vorderwand des Magenfundus
- Position der Fundusfalte hinter dem terminalen Ösophagus
- Fixierung der Manschette im Bereich des gastroösophagealen Übergangs
Hemifundoplicatio nach Toupet
- Definition: Modifikation der klassischen Operation nach Nissen
- Vorteile: Beste Ergebnisse bzgl. Komplikationsraten (bspw. postoperative Dysphagie) und Langzeitbeständigkeit [16][17]
- Modifikation: 270°-Manschette („Halbmanschette“) aus dem Fundus des Magens, die von hinten um den distalen Ösophagus gelegt wird
- Durchführung
- Mobilisation der großen Kurvatur des Magens
- Mobilisation des distalen Ösophagus
- Hiatoplastik
- Bildung einer posterioren 270°-Manschette aus dem Magenfundus
- Fixierung der Manschette im Bereich des gastroösophagealen Übergangs (ein Bereich von circa 90° bleibt dabei frei)
Komplikationen
Spezifische Komplikationen
- Bei angeborenen Zwerchfellhernien
- Unmittelbare Komplikationen
- Pulmonale Hypoplasie und Gefahr der Ateminsuffizienz (auch postoperativ)
- Kardiale Komplikationen durch Verdrängung
- Hydrops fetalis
- Langfristige Komplikationen
- Gedeihstörung (10–20% im 1. Lebensjahr) [1]
- Trichterbrust (60% im 6. Lebensmonat, 25% mit 2 Jahren) [1]
- Unmittelbare Komplikationen
- Bei erworbenen Zwerchfellhernien: Komplikationen der gastroösophagealen Refluxkrankheit
- Ulzerationen, bspw. im Bereich des Schnürrings
- Peptische Stenosen
- Barrett-Metaplasie
Allgemeine Komplikationen
Inkarzeration bei Zwerchfellhernie
- Definition: Akute Einklemmung des Bruchinhalts mit Unterbrechung der Durchblutung
- Risikofaktor: Kleine Bruchpforte
- Klinische Zeichen
- Schmerzen
- Hochfrequente, spritzende Geräusche in der Auskultation
- Ileussymptomatik (bspw. Übelkeit, Erbrechen, Stuhlverhalt)
- Therapie: Umgehende operative Versorgung (Notfalleingriff)
- Letalität: Bei manifestem Ileus hoch ohne rasche Therapie
Eine inkarzerierte Hernie stellt eine akute Lebensbedrohung dar und muss daher umgehend operativ versorgt werden!
Sekundärer Volvulus bei Zwerchfellhernie [8]
- Definition: Drehung des Magens um seine Längsachse oder um die Achse zwischen kleiner und großer Kurvatur
- Häufigkeit: Selten
- Risikofaktor: Große oder komplexe paraösophageale Hiatushernien Typ II–IV
- Formen
- Thorakal oder abdominell
- Vertikal bzw. entlang der Magenachse oder horizontal bzw. entlang der Mesenterialachse
- Klinische Zeichen
- Zunehmender Brustschmerz
- Heftiges Erbrechen
- Borchardt-Trias
- Epigastrischer Schmerz
- Unproduktives Würgen
- Anlage einer nasogastralen Sonde ist unmöglich
- Therapie: Umgehende operative Versorgung (Notfalleingriff) bei akutem Volvulus
- Letalität: 50%
Ileus bei Zwerchfellhernie
- Definition: Störung der Darmpassage aufgrund eines mechanischen Hindernisses oder einer funktionellen Störung
- Risikofaktor: Hiatushernien Typ II–IV
- Therapie: Umgehende operative Versorgung (Notfalleingriff)
- Letalität: 5–25% (Letalität bei Ileus allgemein)
Roemheld-Syndrom
- Definition: Reflektorische Herzbeschwerden durch Luftansammlung im Magen bzw. Darm
- Klinische Zeichen
- Angina-pectoris-Beschwerden
- KHK-unabhängige Thoraxschmerzen
Komplikationen der operativen Therapie
Intraoperative Komplikationen [6][7][12]
- Organverletzungen, insb. [6]
- Thorakale Komplikationen [12]
- Pneumothorax
- Pneumonie, Empyembildung
- Intrathorakale (Nach‑)Blutungen
- Chylothorax [1]
Postoperative Komplikationen [1][5][7]
- Rezidivbeschwerden einer Refluxösophagitis (10–25%) [5][7]
- Stenose des Mageneingangs mit Dysphagie
- Postvagotomiesyndrom bei Verletzung des N. vagus
- Teleskop-Phänomen durch Herausgleiten der Kardia aus der Plikatur des Fundus (in 5% der Fälle)
- Gas-bloat-Syndrom: Luftansammlung im Magen bei Unfähigkeit des Aufstoßens, was zu Völlegefühl mit vermehrter Flatulenz führt (in ca. 5% der Fälle)
- Abdominelles Kompartmentsyndrom [1]
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
Angeborene Zwerchfellhernie [1]
- Postoperatives Management
- Intensivmedizinische Behandlung
- Ggf. postoperative Röntgenuntersuchung
- Ggf. sonografische Verlaufskontrollen
- Kostaufbau nach Einsetzen der Darmtätigkeit bzw. sobald vollständige Magenentleerung erreicht ist
- Nachsorge
- Engmaschige Beobachtung im Hinblick auf Gedeihstörungen
- Klinische Kontrolle nach 6 und 12 Monaten, anschließend jährlich bis zum 5. Lebensjahr
Erworbene Zwerchfellhernie [12][18]
- Postoperatives Management [12]
- Vermeiden von starkem Husten oder Würgen
- Kostaufbau ab dem ersten Tag möglich
- Ggf. Anlage einer Magensonde
- Ggf. postoperative Röntgenkontrastuntersuchung
- Ggf. MRT zur Lagekontrolle nach Netzimplantation
- Nachsorge
- Regelmäßige Symptomabfrage über weiterbehandelnde Praxis
- Bei Dysphagie: Ggf. pneumatische Dilatation
- Bei Reflux-Rezidiv erwägen
- pH-Metrie (v.a. bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus) bzw. Manometrie [18]
- Endoskopie (v.a. bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus)
- PPI-Therapie [18]
Prognose
Angeborene Zwerchfellhernien [1][2]
- Pränatale Prognosefaktoren
- 50–58% der Kinder versterben intrauterin
- Geringe Überlebenswahrscheinlichkeit bei
- Diagnosestellung vor der 25. SSW
- Nach intrathorakal verlagerten Leberanteilen
- Niedriger Lung-to-head-Ratio (LHR <0,9) bzw. geringem fetalen Lungenvolumen (FLV <9 mL)
- Hypoplastischem linken Ventrikel
- Niedrigem Geburtsgewicht
- Hydrops fetalis
- Postnatale Prognosefaktoren: Geringe Überlebenswahrscheinlichkeit bei
- Persistierender pulmonaler Hypertonie
- Lungenhypoplasie
Erworbene Zwerchfellhernien [6][7][11]
- Prognose der konservativen Therapie: Erfolg variabel, insb. bei hoher Hill-Klassifikation
- Prognose der operativen Therapie
- 90% der Patient:innen nach Operation dauerhaft ohne Refluxbeschwerden
- In 2–11% der Fälle Rezidivoperation notwendig
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K44.-: Hernia diaphragmatica
- Inklusive: Hiatushernie (ösophageal) (gleitend), Paraösophageale Hernie
- Exklusive: Angeboren: Hiatushernie (Q40.1), Zwerchfellhernie (Q79.0)
- Q40.1: Angeborene Hiatushernie
- Verlagerung der Kardia durch den Hiatus oesophageus
- Q79.0: Angeborene Zwerchfellhernie
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.