Zusammenfassung
Die Eosinophilie ist gekennzeichnet durch ein vermehrtes Auftreten von eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut. Physiologisch machen diese 1–4% der Leukozyten aus und liegen absolut bei <500 Zellen/μL. Eosinophile sind Immunzellen, die unter Einfluss von Interleukin-5 (IL-5), Interleukin-3 (IL-3) und Granulozyten/Makrophagen-Kolonie stimulierendem Faktor (GM-CSF) aus einer hämatopoetischen Progenitorzelle hervorgehen und an der Regulation von Immun- und Entzündungsreaktionen beteiligt sind.
Die Eosinophilie kann primär oder sekundär verursacht sein und in einer rasch progredienten Endorganschädigung münden. Daher sollte eine persistierende Eosinophilie diagnostisch abgeklärt werden. Therapieziel ist es, eine Organschädigung oder ihr Voranschreiten zu vermeiden. Je nach Diagnose und klinischer Ausprägung kann ein abwartendes Verhalten, eine Therapie mit zytoreduktiven Medikamenten oder sogar eine Behandlung mit einer allogenen Stammzelltransplantation indiziert sein.
Definition
- Grenzwerte der Eosinophilie im peripheren Blut
- Normalwert: <500/μL
- Mild: 500–1500/μL
- Mäßig: >1500/μL
- Schwer: >5000/μL
- Transiente Eosinophilie
- Allergische Reaktion
- Regeneration nach viralen oder bakteriellen Infekten
Ätiologie
Primäre Eosinophilie [1]
- Klonale Proliferation einer hämatopoetischen Stammzelle
- Hypereosinophiles Syndrom
Reaktive bzw. sekundäre Eosinophilie [1][2]
- Allergien
- Atopie, Asthma bronchiale, allergische Rhinitis, Urtikaria
- Allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA)
- Akute Hypersensitivitätsreaktion auf Medikamente oder Nahrungsmittel, eosinophile Ösophagitis/Gastroenteritis (EGID – Eosinophilic Gastrointestinal Disorder)
- Infektionen
- Parasiten , insb. Sarcoptes scabiei (Skabies), Wuchereria bancrofti und Brugia malayi (tropische eosinophile Pneumonie)
- Protozoen
- Bakterien
- Viren
- Pilze , insb. Aspergillus-Spezies (allergische bronchopulmonale Aspergillose; ABPA)
- Lymphozytär-eosinophile Heilphase der Infektion
- Neoplasien
- Lymphome (insb. T-Zell-Lymphome: Mycosis fungoides, Sézary-Syndrom)
- MPN , AML , MDS
- Systemische Mastozytose
- Autoimmunerkrankungen
- Medikamente : DRESS-Syndrom
- Genetische Erkrankungen
- Schwere kombinierte Immundefizienzsyndrome
- Weitere Syndrome
- Sonstiges
Pathophysiologie
- Einfluss von IL-5, IL-3 und GM-CSF → Aktivierung von Eosinophilen → Freisetzung inflammatorischer Mediatoren [1] → Organschäden
Bei chronisch reaktiver Eosinophilie findet man eher selten eine Organdysfunktion (Ausnahme: Churg-Strauss-Syndrom). Bei einer MPN-Eo kommt es hingegen relativ häufig zu Organschäden!
Symptome/Klinik
- B-Symptomatik
- Variable Klinik je nach betroffenem Organ und Ausmaß der Infiltration
- Lunge
- Symptome eines Asthma bronchiale
- Insb. Dyspnoe (bspw. durch Lungeninfiltrate, Lungenfibrose und/oder Pleuraerguss)
- Kardiovaskuläres System
- Symptome einer Endokarditis, Myokarditis und/oder Perikarditis
- Symptome einer Herzinsuffizienz durch Endokardfibrose, Myokardfibrose oder restriktive Kardiomyopathie
- Thromboembolie
- Gastrointestinaltrakt
- Symptome einer Gastritis, Kolitis oder Hepatopathie
- Hepato-/Splenomegalie
- Aszites
- Haut: Pruritus, Exanthem, Urtikaria
- Peripheres Nervensystem: Polyneuropathie
- Zentrales Nervensystem: Verwirrtheit, Koordinationsstörungen
- Lunge
Diagnostik
Diagnostisches Vorgehen bei persistierender Eosinophilie [1][3][4][5][6][7]
Häufigste Ursachen einer Eosinophilie in unseren Breiten sind Allergie oder Medikamentenunverträglichkeit. Weltweit spielen parasitäre Infektionen die größte Rolle. Daher sollten in der Diagnostik zunächst insb. diese sekundären Ursachen einer Eosinophilie abgeklärt werden. Sie sind meist milde bis mäßig ausgeprägt. Da kein eindeutiger Cut-Off-Wert zur Differenzierung der transienten und persistierenden Eosinophilie gegeben ist, fällt die Entscheidung häufig schwer, ob weitere Diagnostik eingeleitet werden soll. In jedem Fall sollte bei schwerer Eosinophilie und klinischen Hinweisen auf Organschäden die Diagnostik und entsprechende Therapie nicht verzögert werden.
Ausschlussdiagnostik reaktiver und sekundärer Eosinophilien
- Anamnese: Symptome, Medikamente, Toxine, Allergien/Atopien, Infekte, Auslandsaufenthalte (evtl. Tropeninstitut konsultieren)
- Körperliche Untersuchung
- Orientierendes Labor: Großes Blutbild, CRP, BSG, Troponin und CK
Weitere Untersuchungen je nach Verdachtsdiagnose
- Allergie: Prick-Test, IgE-Bestimmung
- Infektion: Antikörper gegen Echinokokken bzw. Trichinen im Serum, Stuhlprobe auf Wurmeier, Konsultation von Spezialisten/Tropeninstitut
- Neoplasie: Entsprechende Bildgebung
- Vaskulitis: Autoantikörper ANA und ANCA im Serum
- CED: Calprotectin im Stuhl
- Morbus Addison: Cortisol im Serum
Apparative Diagnostik je nach Symptomatik
- Obligat: EKG und Echokardiografie, evtl. Kardio-MRT
- Pulmonale Symptomatik
- Röntgen-Thorax, ggf. CT-Thorax
- Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage und Histologie
- Punktion eines Pleuraergusses oder Biopsie des betroffenen Organs (Herz, Lunge)
- Gastrointestinale Symptomatik
- Sonografie, ggf. CT/MRT-Abdomen
- Gastroskopie oder Koloskopie (inkl. Immunhistologie ), ggf. Biopsie des betroffenen Organs (Gastrointestinaltrakt, Leber)
- Neurologische Symptomatik: Schädel-MRT
- Lymphadenopathie: Sonografie, ggf. CT und Lymphknotenentnahme
Kein Nachweis reaktiver Genese: Hämatologische Abklärung
- Differenzialblutbild
- Persistierende schwere Eosinophilie: Hinweis auf primäre Eosinophilie
- Monozytose oder Basophilie: Hinweis auf eine CML, CMML, systemische Mastozytose oder ein PDGFRB-Rearrangement
- Polyglobulie und Thrombozytose: Hinweis auf eine myeloproliferative Neoplasie mit assoziierter Eosinophilie (bspw. Polycythaemia vera oder CML)
- Labor
- LDH: Unspezifischer Parameter, aber möglicher Hinweis auf eine lymphoproliferative Erkrankung oder Hämolyse
- Serum-Tryptase: Häufig bei PDGFR-Fusionsgen und systemischer Mastozytose erhöht
- Vitamin B12: Häufig bei myeloproliferativer Neoplasie erhöht
- Knochenmarkpunktion
- Zytologie und Histologie(inkl. Faserfärbung)
- Immunhistochemie(u.a. CD3, CD20, CD34)
- Durchflusszytometrie
- Zytogenetik
- Untersuchung auf reziproke balancierte Translokation mit Hinweis auf enstandene Fusionsgene
- Genetische Analysen (PCR oder FISH) je nach Vorbefund
- Persistierende schwere Eosinophilie: Test auf FIP1L1-PDGFRA-Fusionsgen bzw. CHIC2-Deletion
- Reziproke balancierte Translokation: Identifikation des Fusionsgens
- Basophilie und/oder Linksverschiebung : Analyse des BCR-ABL-Fusionsgens
- Blastenvermehrung : Analyse AML-spezifischer Fusionsgene
- Fibrose : JAK2-V617F-Analyse
- Mastzellvermehrung im Knochenmark : KIT-D816V-Punktmutationsanalyse
- Unauffällige Zytogenetik : Immunphänotypisierung der Lymphozyten (Durchflusszytometrie) und T-Zell-Rezeptor-Rearrangement-Analysen (PCR)
- Nachweis der Translokation t(5;12) Analyse des Fusionsgens: Imatinib-sensibles ETV6-PDGFRB oder Imatinib-resistentes ETV6-ACSL6
- Imatinib-Resistenz: Test auf Sekundärmutation in Tyrosinkinasedomäne (D842V, T674I) bei FIP1L1-PDGFRA-positiven Patienten
Therapie
Die Therapieprinzipien der primären Eosinophilien richten sich insb. nach der Grunderkrankung und dem genetischen Befund. Wenn möglich, sollten Patienten in laufende klinische Studien eingeschlossen werden.
- Milde Eosinophilie und keine Organbeteiligung: Watch and wait
- PDGFRA/-B-Fusionsgene: Imatinib
- Bei Imatinib-Resistenz: Hydroxyurea, Interferon-α oder allogene Stammzelltransplantation
- FGFR1-Fusionsgene: Allogene Stammzelltransplantation
- JAK2-Fusionsgene: Ruxolitinib oder allogene Stammzelltransplantation
- Idiopathisches HES/L-HES: Corticosteroide
- Steroidrefraktärität: Hydroxyurea oder Interferon-α
- MPN-Eo/CEL-NOS: Hydroxyurea oder allogene Stammzelltransplantation
Das Ansprechen auf eine probatorische Steroidtherapie ist ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium und spricht eher gegen eine MPN-Eo!
Bei kardiovaskulärer Beteiligung sollte antikoaguliert werden!
Eosinophilie-assoziierte myeloproliferative Neoplasie
Definition [1]
Die Eosinophilie-assoziierte myeloproliferative Neoplasie (MPN-Eo) ist ein Oberbegriff für alle myeloproliferativen Neoplasien, die mit einer Eosinophilie einhergehen. Die Diagnose kann solange bestehen, bis eine molekulare Aberration oder Blastenvermehrung die Diagnose einer myeloischen und lymphatischen Neoplasie mit Eosinophilie oder die einer chronischen Eosinophilenleukämie, not otherwise specified (CEL-NOS) bestätigt. Die Eosinophilie im Rahmen einer MPN stellt einen prognostisch ungünstigen Parameter dar.
Eine MPN schließt eine reaktive Eosinophilie nicht aus!
Spezifische Diagnostik
- Chronische Phase
- Blutbild: Eosinophilie, Leukozytose (mit/ohne Linksverschiebung)
- Knochenmark: Hyperzellularität, evtl. Fibrose
- Körperliche Untersuchung: Hepato-/Splenomegalie
- Labor: LDH, Vitamin B12 und Tryptase erhöht
- Mutationsanalyse: 1–2% JAK2-V617F-Mutation
- Blastenphase: Übergang in akute Leukämie möglich
Therapie
- Je nach Blutbild, Klinik und Komplikationen
- Steroide (kurzfristiger Effekt)
- Antikoagulation bei kardiovaskulärer Beteiligung!
- Hydroxyurea
- Interferon-α
- Allogene Stammzelltransplantation: Bei jungen Patienten mit rasch progredientem Verlauf
- Imatinib (komplette Remission in Einzelfallberichten)
Prognose
- Schwerste Komplikation/häufigste Todesursache: Thromboembolien und Fibrosen des Endokards und des Myokards
Eine Infiltration und Fibrose des Endo-/Myokards ist prognostisch ungünstig!
Myeloische und lymphatische Neoplasie mit Eosinophilie
Definition [1][3][6]
Der myeloischen und lymphatischen Neoplasie mit Eosinophilie liegt ein Rearrangement von PDGFRA, PDGFRB, FGFR1 oder PCM1-JAK2 (MLN-Eo) zugrunde. Dabei handelt es sich um Eosinophilie-assoziierte genetische Veränderungen einer hämatopoetischen Stammzelle auf Grundlage einer reziproken Translokation mit korrespondierendem Fusionsgen. Das häufigste Fusionsgen ist FIP1L1-PDGFRA. Bei 30–50% der Patienten mit FGFR1-Fusionsgen wird peripher zusätzlich ein NHL (häufigstes: T-lymphoblastisches NHL) diagnostiziert.
Epidemiologie
- Erkrankungsalter
- Alle Altersgruppen
- Bei FGFR1-Fusionsgenen: 30.–40. Lebensjahr
- Geschlechterverhältnis
Spezifische Diagnostik [4]
- FISH oder PCR : Test auf FIP1L1-PDGFRA-Fusionsgen bzw. CHIC2-Deletion ; wenn kein Nachweis, weiter mit
- Zytogenetik : Zum Nachweis einer Translokation und demnach anderer Fusionsgene mit PDGFRA, PDGFRB oder FGFR1 oder von PCM1-JAK2
- Bei FGFR1-Fusionsgen und Lymphadenopathie → Lymphknotenbiopsie und -histologie
Differenzialdiagnosen
- Wichtigste Differenzialdiagnose: Systemische Mastozytose häufig mit Eosinophilie, erhöhter Serum-Tryptase, Splenomegalie und Lymphadenopathie
Therapie
- Indikation: Bei Nachweis der genetischen Aberration prinzipiell gegeben (unabhängig von Eosinophilenzahl)
- Bei PDGFR-Fusionsgenen: Imatinib
- Bei Imatinib-Resistenz (selten): Hydroxyurea, Interferon-α oder allogene Stammzelltransplantation
- Bei ausgeprägter Eosinophilie und V.a. kardiale Beteiligung: Prophylaktisch Steroide über 14 Tage
- Bei FGFR1-Fusionsgenen: Allogene Stammzelltransplantation
- Bei PCM1-JAK2: Allogene Stammzelltransplantation
Komplikationen [6]
- Übergang in eine Blastenphase oder akute Leukämie
- Übergang in ein myelodysplastisches Syndrom
Prognose
- Schlechte Prognose bei FGFR1-Fusionsgenen
- 1–2 Jahre bis Transformation in Blastenphase/sekundäre akute Leukämie
- Bessere Prognose bei PDGFR-Fusionsgenen
- Mehrere (vereinzelt über 10–15) Jahre bis Transformation in Blastenphase bzw. akute Leukämie
- Hämatologische Remissionsrate unter Imatinibtherapie 95–99%
Chronische Eosinophilenleukämie, not otherwise specified
Definition [1][6]
Die CEL-NOS wird nach WHO-Klassifikation zu den MPN gezählt. Sie wird über eine klonale Proliferation und Vermehrung der eosinophilen Granulozyten ≥1.500/μL im peripheren Blut (über mehr als 6 Monate ) definiert.
Spezifische Diagnostik
- Blutbild
- Knochenmarkbiopsie
- Zyto-/Molekulargenetik
Diagnosekriterien
- ≥1.500 Eosinophile/μL im peripheren Blut
- Ausschluss einer reaktiven Eosinophilie
- Ausschluss anderer hämatologischer Neoplasien mit Eosinophilie
- Kein Nachweis eines Fusionsgens unter Beteiligung von PDGFRA, PDGFRB, FGFR1 und kein Nachweis von PCM1-JAK2
- Vermehrte Blasten
- ≥2% Blasten im peripheren Blut oder
- >5% und <20% Blasten im Knochenmark oder
- Nachweis einer klonalen Aberration zyto- und/oder molekularbiologisch
Therapie
- Je nach Blutbild, Klinik und Komplikationen
- Steroide (kurzfristiger Effekt)
- Antikoagulation bei kardiovaskulärer Beteiligung!
- Hydroxyurea
- Interferon-α
- Allogene Stammzelltransplantation: Bei jungen Patienten mit rasch progredientem Verlauf
- Imatinib (Komplette Remission in Einzelfallberichten)
Prognose
Die Prognose ist abhängig von der nachgewiesenen klonalen Aberration
Hypereosinophiles Syndrom
Definition [1][6]α
Das idiopathische hypereosinophile Syndrom (idiopathisches HES) ist definiert durch eine nicht klonale, idiopathische Erhöhung der Eosinophilen ≥1.500/μL im peripheren Blut (>1 Monat ) mit Eosinophilie-assoziiertem Organschaden. Bei Nachweis eines T-Zell-Klons spricht man von einer lymphoproliferativen Variante des hypereosinophilen Syndroms (L-HES). Das idiopathische HES ist eine Ausschlussdiagnose.
Diagnostik
Therapie
- Therapie der Wahl: Corticosteroide
- Bei Steroidrefraktärität: Hydroxyurea oder Interferon-
- Bei Dauertherapie: Bei fehlenden Standardtherapien i.d.R. als Off-Label Use
- Immunsuppressiva
- Rationale für Therapieversuch mit Alemtuzumab (monoklonaler Anti-CD52-Antikörper)