ambossIconambossIcon

Hyperurikämie und Gicht

Letzte Aktualisierung: 16.1.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Gicht gehört zu den Kristallarthropathien und ist ein häufiges Krankheitsbild in der primärärztlichen Versorgung. Bei hohen Harnsäurespiegeln (Hyperurikämie) lagert sich das Salz der Harnsäure in Form von Uratkristallen insbesondere in den Gelenken ab. Die Wahrscheinlichkeit eines Gichtanfalls steigt dabei mit der Höhe des Harnsäurespiegels im Blut. Hauptmanifestationsort des sehr schmerzhaften akuten Gichtanfalls ist das Großzehengrundgelenk (Podagra). Medikamente der 1. Wahl im akuten Gichtanfall sind NSAR zur Entzündungs- und Schmerzreduktion, im weiteren Verlauf Allopurinol zur Harnsäuresenkung.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion „Tipps & Links“.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Definitiontoggle arrow icon

  • Hyperurikämie: Erhöhter Wert der Serumharnsäure ≥6,5 mg/dL (390 μmol/L) gemäß biochemischer Definition [1][2]
  • Gicht: Klinische Manifestation einer Hyperurikämie mit Ausfällung von Salzen der Harnsäure (Uratkristalle) [3][4][5]
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Ätiologietoggle arrow icon

Harnsäure ist ein Abbauprodukt von Purinen, das zu 80% über die Nieren ausgeschieden wird. Purine werden über die Nahrung aufgenommen oder entstehen beim Zerfall körpereigener Zellen.

Primäre Hyperurikämie

Die primäre Hyperurikämie ist genetisch determiniert und in ca. 90% der Fälle ursächlich für eine Hyperurikämie.

  1. Störung der tubulären Harnsäureausscheidung (ca. 99% der primären Hyperurikämien)
    • Genetische Disposition
    • Manifestation bei purinreicher Ernährung, Überernährung und vermehrtem Konsum von Alkohol und fructosehaltigen Getränken
  2. Überproduktion von Harnsäure (ca. 1% der primären Hyperurikämien)

Die primäre Hyperurikämie ist eine genetische Erkrankung, die durch Fehlernährung aggraviert wird!

Sekundäre Hyperurikämie

Unter einer sekundären Hyperurikämie versteht man eine Hyperurikämie, die im Rahmen einer anderen Grunderkrankung auftritt. Sie ist in ca. 10% der Fälle ursächlich für eine Hyperurikämie.

  1. Verminderte Harnsäureausscheidung
  2. Vermehrte Harnsäurebildung durch Zelluntergang
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Pathophysiologietoggle arrow icon

Eine Hyperurikämie ist für das Auftreten eines akuten Gichtanfalls nicht obligat. Es genügt auch ein plötzlicher Anstieg der Harnsäurekonzentration!

Auch ein schneller Abfall der Serumharnsäure kann einen akuten Gichtanfall auslösen. Durch das Konzentrationsgefälle zwischen Serum und Gewebe löst sich Harnsäure aus den Randzonen abgelagerter Kristalle! [9]

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Symptomatiktoggle arrow icon

Akuter Gichtanfall (Arthritis urica)

Chronische Gicht

Gelenkdestruktionen und Komplikationen der Gicht lassen sich heutzutage meist durch eine adäquate Therapie verhindern.

  • Klinische Symptomatik
    • Chronische Gichtarthropathie: Wiederkehrende Gichtanfälle und die Ablagerung von Uratkristallen in Gelenknähe führen zu einer fortschreitenden Gelenkdestruktion
    • Gichttophi: Uratablagerungen innerhalb und außerhalb der Gelenke
      • Weichteiltophus: Uratablagerung in Ohrmuschel, Subkutis, Sehnenscheiden und Schleimbeuteln
        • Multiple, schmerzlose, harte, weißlich durchschimmernde Knoten
      • Knochentophus: Uratablagerung im Knochen
    • Renale Manifestationen (siehe auch: Komplikationen)

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese und körperliche Untersuchung

Diagnostische Merkmale [4][10]

  • Maximale Entzündung innerhalb von 24 h
  • Rötung des Gelenks
  • Befall des Großzehengrundgelenks
  • Tophi
  • Hyperurikämie
  • Anamnestisch >1 Anfall einer akuten Arthritis

Die klinische Diagnose eines Gichtanfalls sollte gestellt werden, wenn sich ohne Trauma oder intraartikuläre Injektion innerhalb von 24 h eine schmerzhafte Monarthritis eines distalen Extremitätengelenks entwickelt hat!

Labordiagnostik [3]

In klinisch eindeutigen Fällen ist Labordiagnostik im primärärztlichen Bereich nicht notwendig!

Gelenkpunktion mit Synovialanalyse [3][4][11]

Eine diagnostische Gelenkpunktion sollte im primärärztlichen Bereich nicht durchgeführt werden!

Bildgebende Diagnostik

Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnose einer Gichtarthropathie [3][12]
Verfahren Indikation Mögliche Befunde Bemerkungen
Konventionelle Röntgenaufnahme
  • Ausgangsuntersuchung
  • Ausschluss von Differenzialdiagnosen
  • Frühes Stadium: Ggf. Weichgewebeschwellung
  • Typisch in späteren Stadien
    • Periartikuläre Verkalkung
    • Zentraler osteochondraler Defekt
    • Erosion
    • Tophus mit Knochenspange
    • Röntgendichte Weichteilschatten
    • Gelenkdestruktion
  • Auffälligkeiten erst im Verlauf der Erkrankung sichtbar
Sonografie
  • Weiterführende Untersuchung
  • Ausschluss von Differenzialdiagnosen
  • Echodichte bandförmige Auflagerung auf dem Gelenkknorpel (Doppelkonturzeichen)
  • Wolkige Strukturen (Tophi)
Dual-Energy-CT (DECT)
  • Weiterführende Untersuchung
  • Ausschluss von Differenzialdiagnosen
  • Synovialpunktion ergebnislos
  • Gute Darstellung von Tophi
  • Keine ausreichende Sensitivität bei geringer lokaler Konzentration von Harnsäurekristallen
  • Prinzip: Calciumhaltige Strukturen und Natriumurat zeigen unterschiedliches Absorptionsverhalten

Akuter Gichtanfall (Rechner)

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Pathologietoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Andere kristallinduzierte Arthritiden

Chondrokalzinose (Pseudogicht)

Oxalose-Arthropathie [13][14]

  • Kurzbeschreibung: Ablagerungen von Calciumoxalat in Synovialis, Knorpel und inneren Organen
  • Ätiologie: Langzeit-Dialysepatienten, sehr selten angeborene Enzymdefekte
  • Klinik: Akute bis chronische Arthritiden, Bursitiden, Tenosynovitiden
  • Diagnostik
    • Radiologischer Nachweis von Verkalkungen
    • Nachweis von Calciumoxalat in Synovia und Synovialis
  • Therapie: Symptomatisch (NSAR, versuchsweise Colchicin)

Weitere Differenzialdiagnosen

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Therapietoggle arrow icon

Therapie des akuten Gichtanfalls [3][4][10]

Ziel

  • Schmerzlinderung
  • Reduktion der Gelenkentzündung

Lokal unterstützende Therapie

  • Lokale Kryotherapie
  • Moderate Hochlagerung
  • Kurzfristige Ruhigstellung

Medikamentöse Therapie

Bei einem akuten Gichtanfall sind NSAR wie Diclofenac, Indometacin, Ibuprofen oder Naproxen indiziert, nicht jedoch Salicylate (wie ASS), da diese die renale Uratausscheidung verringern!

Ein Interaktionscheck der Medikationsoptionen sollte vor Therapiebeginn durchgeführt werden. Eine Kombinationstherapie wird nicht empfohlen!

Chirurgische Therapie [15]

  • Akute Eröffnung eines Weichgewebetophus
    • Keine routinemäßige Eröffnung
    • Indikation bspw.
      • Starker Gewebedruck an den Akren
      • Verdacht auf Infektion
      • Tophus ante perforationem
  • Elektive Resektion: Größen- und lokalisationsabhängig

Weiteres Vorgehen nach Akutbehandlung

  • Abklärung von Differenzialdiagnosen falls
    • Diagnose nicht eindeutig
    • Immundefizit
    • Akute Verschlechterung des Allgemeinzustands oder Fieber
    • Kein Ansprechen auf medikamentöse Therapie nach 2–3 Tagen
    • Keine deutliche Schmerzlinderung nach 2 Wochen
  • Ggf. Beginn einer medikamentösen Harnsäuresenkung

Eine harnsäuresenkende medikamentöse Therapie sollte normalerweise nicht nach dem ersten akuten Gichtanfall begonnen werden!

Therapie der Hyperurikämie

Allgemeine Maßnahmen bei Hyperurikämie [16]

  • Patientenedukation
  • Normalisierung des Körpergewichts
  • Diätetische Maßnahmen
    • Purinarme Kost
    • Reduktion von Alkohol
    • Reduktion von rotem Fleisch, Innereien, Wurst
    • Vermeidung von mit Zucker gesüßten Getränken und Lebensmitteln mit hohem Fructosegehalt
    • Protektiv: Kaffee, (fettarme) Milch, Kirschen
  • Ausreichend hohe Flüssigkeitszufuhr (mind. 1,5 L/d)

Medikamentöse Harnsäuresenkung [17]

  • Indikation
  • Therapeutische Ziele
    • Verbesserung der klinischen Symptomatik
    • Treat to Target: Serumharnsäurewerte bspw. <6 mg/dL (<360 μmol/L)
  • Substanzen
  • Beginn
    • Nach vollständigem Abklingen der Symptome bzw.
    • Frühestens 2 Wochen nach einem akuten Gichtanfall
  • Dauer: Mind. 5 Jahre

Prophylaktische Maßnahmen [3][17]

  • Anfallsprophylaxe
    • Gefahr des vermehrten Auftretens von Gichtanfällen in den ersten Wochen nach Therapiebeginn
    • Zu Beginn Anfallsprophylaxe mit Colchicin in niedriger Dosierung erwägen (Off-Label Use)
    • Einschleichende Dosierung der harnsäuresenkenden Medikation
    • Kein Absetzen einer harnsäuresenkenden Medikation bei Auftreten von akuten Gichtanfällen
  • Urolithiasis-Prophylaxe unter Therapie mit Urikosurika

Übersicht eingesetzter Wirkstoffe

Übersicht über medikamentöse Therapie der Hyperurikämie

Urikostatika (Allopurinol, Febuxostat)

Urikosurika (Benzbromaron, Probenecid) Rasburicase
Wirkmechanismus
  • Reversible Hemmung der Xanthinoxidase (XO-Inhibitoren) → Hypoxanthin und Xanthin werden nicht mehr zu Harnsäure abgebaut
Nebenwirkungen
  • Bei Therapiebeginn: Auslösung eines Gichtanfalls möglich
  • Allergische Reaktionen der Haut bis hin zu schwerwiegenden Überempfindlichkeitsreaktionen → Sofortige Therapiepause [2][18]
  • Allopurinol: Gastrointestinale Störungen
  • Rote-Hand-Brief zu Febuxostat: Im Vergleich zu Allopurinol erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Mortalität und gesteigerte Gesamtmortalität bei Patient:innen mit vorbestehender schwerer kardiovaskulärer Erkrankung [19][20]

Indikation

Kontraindikationen

Interaktion

  • Keine besonderen Arzneimittelinteraktionen
  • Kombination mit Allopurinol nicht sinnvoll

Die gemeinsame Gabe von Allopurinol und Azathioprin führt zu erhöhter Knochenmarkstoxizität!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Komplikationentoggle arrow icon

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Studientelegramme zum Thematoggle arrow icon

Hast du Interesse an regelmäßigen Updates zu aktuellen Studien aus dem Bereich der Inneren Medizin? Dann abonniere das Studien-Telegramm! Den Link zur Anmeldung sowie zu weiteren spannenden AMBOSS-Formaten findest du am Seitenende unter „Tipps & Links“.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Patienteninformationentoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Gicht: Colchizin und Allopurinol

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • M10.-: Gicht
    • M10.0-: Idiopathische Gicht [0–9]
    • M10.1-: Bleigicht [0–9]
    • M10.2-: Arzneimittelinduzierte Gicht [0–9]
    • M10.3-: Gicht durch Nierenfunktionsstörung [0–9]
    • M10.4-: Sonstige sekundäre Gicht [0–9]
    • M10.9-: Gicht, nicht näher bezeichnet [0–9]
  • M11.-: Sonstige Kristall-Arthropathien
    • M11.0-: Apatitrheumatismus [0–9]
    • M11.1-: Familiäre Chondrokalzinose [0–9]
    • M11.2-: Sonstige Chondrokalzinose [0–9]
    • M11.8-: Sonstige näher bezeichnete Kristall-Arthropathien [0–9]
    • M11.9-: Kristall-Arthropathie, nicht näher bezeichnet [0–9]
  • M12.-: Sonstige näher bezeichnete Arthropathien
    • Exklusive: Arthropathie des Krikoarytänoid-Gelenkes (J38.7), Arthropathie o.n.A. (M13.9‑), Arthrose (M15M19)
    • M12.0-: Chronische postrheumatische Arthritis [Jaccoud-Arthritis] [0–9]
    • M12.1-: Kaschin-Beck-Krankheit [0–9]
    • M12.2-: Villonoduläre Synovitis (pigmentiert) [0–9]
    • M12.3-: Palindromer Rheumatismus [0–9]
    • M12.4-: Hydrops intermittens [0–9]
    • M12.5-: Traumatische Arthropathie [0–9]
    • M12.8-: Sonstige näher bezeichnete Arthropathien, anderenorts nicht klassifiziert [0–9]
      • Transitorische Arthropathie

Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Probiere die Testversion aus und erhalte 30 Tage lang unbegrenzten Zugang zu über 1.400 Kapiteln und +17.000 IMPP-Fragen.
disclaimer Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.