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Interdisziplinäre Notfälle im Kreißsaal

Letzte Aktualisierung: 8.1.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Notfälle im Kreißsaal sind ein gefürchtetes Szenario. Ihr Management erfordert klinikspezifische Handlungsalgorithmen, regelmäßiges Training sowie eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation unter Berücksichtigung einer festgelegten, eindeutigen Nomenklatur. Dieses Kapitel bietet eine interdisziplinäre Übersicht von Notfällen.

Für das konkrete Vorgehen bei geburtshilflichen Notfällen siehe die spezifischen Kapitel, bspw.:

Für das anästhesiologische Management zur Notsectio siehe: Anästhesie bei Notsectio!

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Definitiontoggle arrow icon

Notfall im Kreißsaal

  • Akuter, lebensbedrohlicher Vorfall für Mutter und/oder Kind
  • Sofortiger Handlungsbedarf erforderlich
    • I.d.R. Entbindung per Notsectio und/oder
    • Ggf. zusätzliche Maßnahmen für Kind und/oder Mutter

Müttersterblichkeit

Definition gemäß WHO [4]

  • Tod einer Frau während der Schwangerschaft oder Geburt oder innerhalb von 42 Tagen nach Ende einer Schwangerschaft
  • Unabhängig von Dauer und Sitz der Schwangerschaft
  • Inkl. jeglicher Ursachen, die mit der Schwangerschaft oder deren Bewältigung zusammenhängen
  • Exklusive zufälliger oder unbeabsichtigter Ursachen
  • Angabe als Todesfälle pro Jahr

Definitionen gemäß ICD-10

  • Sterbefall während der Gestation, Geburt und Wochenbett
  • Gestationsbedingter Sterbefall (Müttersterbefälle)
    • Analog zur Müttersterblichkeit gemäß WHO-Definition
    • Einteilung in zwei Gruppen
      • Direkte Müttersterbefälle: Sterbefälle infolge von
        • Komplikationen der Gestation
        • Eingriffen, Unterlassungen oder unsachgemäßer Behandlung der Gestation
      • Indirekte Müttersterbefälle: Sterbefälle infolge von
        • Vorher bestehenden Erkrankungen [5]
        • Erkrankungen mit Entwicklung während der Gestation, jedoch ohne kausalen Zusammenhang mit der Gestation
        • Erkrankungen, die durch physiologische Auswirkungen der Gestation verschlechtert wurden
        • Beispiel: Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Später Müttersterbefall
  • Nicht-gestationsbedingter Sterbefall
    • Sterbefälle infolge von
      • Äußerer Gewalt
      • Zufälligen Ereignissen
    • Sterbefälle ohne Angabe zur Todesursache
    • Beispiel: Unfälle [6]
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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Häufigkeit von Notfällen im Kreißsaal
    • Abhängig von der Art des Notfalls
    • Postnatale Unterstützung der Atmung bei bis zu 5% der Neugeborenen erforderlich, weitere Maßnahmen bei ca. 1% nötig [7]
  • Müttersterblichkeitsrate: Angabe als Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten
    • Durchschnittliche Müttersterblichkeitsrate in Ländern des Globalen Nordens: Ca. 12/100.000 [1]
    • Müttersterblichkeitsrate in Deutschland: 4/100.000 [8]
Häufigkeit wichtiger Ursachen für die Müttersterblichkeit
Inzidenz [9] Anteil an den direkten Müttersterbefällen [1] [2]
Intra- und postpartale Blutungen Antepartale Blutungen
Postpartale Blutungen
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen Präeklampsie
  • 10%
HELLP-Syndrom
Fruchtwasserembolie
  • 10–12%
Thromboembolie
  • 10–12%
Peripartale Sepsis
  • 3%

Notfälle im Kreißsaal sind eine wichtige Ursache der Müttersterblichkeit!

Hauptursachen der direkten Müttersterbefälle sind intra- und postpartale Blutungen, hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, Embolien und Sepsis!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Klassifikationtoggle arrow icon

Notfälle im Kreißsaal können eingeteilt werden in maternale und fetale Notfälle, oft betreffen sie jedoch beide. Zudem ist eine Einteilung nach Fachrichtungen möglich. Vereinfacht lassen sich Notfälle im Kreißsaal wie folgt einteilen: [5]

  • Geburtshilfliche Notfälle
  • Durch anästhesiologische Maßnahmen verursachte Komplikationen
  • Mit Vorerkrankungen der Mutter assoziierte Komplikationen
  • Unabhängig von der Schwangerschaft auftretende Erkrankungen und Komplikationen
  • Mischformen der genannten Komplikationen
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Primär anästhesiologische Notfälletoggle arrow icon

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Primär internistische Notfälletoggle arrow icon

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Differenzialdiagnosen für maternalen Kollaps [8]

Differenzialdiagnosen für maternalen Herzstillstand [17]

Differenzialdiagnosen für maternalen Herzstillstand [17]
A Anästhesiologische Komplikationen
Traumata (engl. „accidents“)
  • Unfall
  • Suizid
  • Körperliche Gewalt durch andere Person (Femizid)
B Blutungen
C Kardiovaskuläre Ursachen
D Drogen- bzw. medikamenteninduziert
E Embolien
F Fieber
G Generelle Ursachen
H Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Allgemeine Therapie

Prinzipiell erfordern interdisziplinäre Notfälle im Kreißsaal häufig einen oder mehrere der folgenden Punkte: [18]

Spezifische Therapie

Das spezifische Vorgehen richtet sich nach der jeweiligen Situation. Die folgende Linksammlung bietet eine Übersicht relevanter Kapitel (es besteht jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit!).

Intra- und postpartale Blutungen

Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen

Embolien

Atemwegskomplikationen

Arterielle Hypotonie

Internistische Notfälle

Kindliche (fetale oder neonatologische) Notfälle

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Organisatorische Aspektetoggle arrow icon

Interdisziplinäre Notfallkonzepte für den Kreißsaal [18][20]

  • Klinikspezifische Entwicklung und Implementation
    • Insb. für potenziell schwerwiegende Notfallsituationen
    • Aushängen der Konzepte an allen relevanten Orten in der Klinik
  • Inhalt der Notfallkonzepte: Abhängig vom konkreten Anwendungsfall, bspw.
    • Teamzusammensetzung
    • Alarmierungswege
    • Richtlinien für die Kommunikation
    • Zuständigkeit für Transport der Patientin
    • Interdisziplinäres Training und Nachbereitung von Notfallsituationen
    • Speziell bei peripartalen Blutungen: Fokus auf Stufenschema sowie interdisziplinäre Abstimmung
    • Speziell bei Notsectio: Fokus auf Zuständigkeiten von Einzelpersonen für bestimmte Handlungen und deren Priorisierung
  • Bestandteile der Notfallkonzepte, bspw.
  • Leitliniengerechte Umsetzung der Empfehlungen, bspw. zu
  • Ziel: Reduktion der Hauptursachen für geburtshilfliche Schadensfälle, dazu zählen [23]
    • Suboptimale Kommunikation
    • Verzögerte Indikationsstellung für Interventionen
    • Unklare Zuständigkeiten von Geburtshilfe (ärztlich und Hebammen), Anästhesie und Neonatologie

Es sollten klinikspezifische, interdisziplinäre Notfallkonzepte entwickelt werden, die klare Algorithmen und Zuständigkeiten für konkrete Anwendungsfälle beinhalten!

Geburtshilfliche Schadensfälle entstehen meist nicht durch mangelnde individuelle Fachkompetenz, sondern durch unzureichende interdisziplinäre Zusammenarbeit! [23]

Simulationsbasiertes Training [23][24]

  • Anwendung
    • Sinnvoll für bestimmte Szenarien, bspw. Notsectio [18]
    • Regelmäßige Durchführung empfohlen, bspw. monatlich
    • Insb. geeignet für selten auftretende Notfälle mit potenziell großem Schaden
  • Formen
    • Skills-Training
      • Individuelles Einüben grundlegender Fertigkeiten am Modell
      • Routine bzgl. handwerklicher Fähigkeiten
      • Expertise bzgl. kognitiver Fähigkeiten
    • Algorithmustraining
      • Gemeinsames Einüben von Handlungsabläufen am Modell
      • Möglichst unter Supervision durch erfahrenes Personal
      • Erreichen vorab klar formulierter Lernziele
    • Interdisziplinäres Teamtraining im Simulationskreißsaal
      • Gemeinsames interdisziplinäres Einüben von Handlungsabläufen im Simulationskreißsaal
      • Unter Supervision durch externes Trainingspersonal
      • Ziel: Koordination und Integration aller Einzelhandlungen zu einem Gesamtablauf
  • Mögliche Trainingseffekte [25]
    • Vermeidung von Fehlern
    • Verbesserung der Patientinnensicherheit
    • Erhöhte Schnelligkeit durch Einüben einer Routine
    • Erwerb von Fachwissen und/oder praktischen Fähigkeiten
    • Verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit des Teams

Richtlinien für die Kommunikation im Notfall [18]

  • Festlegung klarer Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, insb. bzgl.
    • Teamleitung
    • Informationsweitergabe
  • Handlungsanweisungen
    • Präzise und so kurz wie möglich formuliert
    • Direkt an die betreffende Person gerichtet
    • Bestätigung bzw. Wiederholung durch adressierte bzw. ausführende Person
    • Siehe auch: SBAR-Konzept
  • Verwendung einer eindeutigen Nomenklatur , siehe auch:
  • Kommunikation mit der Patientin
    • Direkte und lückenlose Kommunikation
    • Feste Ansprechperson, bspw. anästhesiologisches Personal
  • Lagebesprechung: Durchführung im gesamten Team
Zuständigkeiten bei der Kommunikation (Beispiel: Notsectio) [18]
Hebammen
  • Alarmierung der ärztlichen Geburtshilfe
  • Kurze Übergabe mit Informationen zum Hintergrund der Alarmierung
  • Weitergabe relevanter, bisher unbekannter Informationen zum Geburtsablauf
Geburtshilfe
  • Festlegung der Dringlichkeit des Eingriffs (siehe: Indikationen zur Sectio caesarea)
  • Einweisung des eintreffenden Anästhesieteams nach Alarmierung
  • Weitergabe OP- bzw. anästhesierelevanter Informationen
Anästhesie
  • Kommunikation mit der Patientin
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Präventiontoggle arrow icon

Ziele der Präventionsmaßnahmen

Die fehlende Identifikation relevanter Komorbiditäten gilt als Hauptrisikofaktor für vermeidbare Notfälle im Kreißsaal! [5]

Stufenmodell der geburtshilflichen Versorgung [9]

Zur Prävention von schwerwiegenden Komplikationen geburtshilflicher Notfälle ist die Auswahl der richtigen Geburtseinrichtung ein wichtiger Baustein.

Strukturelle Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland [9]
Versorgungsstufe Bezeichnung Kriterien für Aufnahme der Schwangeren
I
  • Perinatalzentrum Level 1
II
III
IV
  • Geburtsklinik
  • Ab 36+0 SSW
  • Keine zu erwartende Komplikationen
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AMBOSS-Podcast zum Thematoggle arrow icon

Notfallmanagement: Konzepte für einen souveränen Umgang – Teil 1 (März 2021)

Notfallmanagement: Konzepte für einen souveränen Umgang – Teil 2 (April 2021)

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