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Kopfschmerzen - AMBOSS-SOP

Letzte Aktualisierung: 12.3.2024

Grundlagentoggle arrow icon

Ziele der AMBOSS-SOP Kopfschmerzen

  1. Schnellstmögliche Identifikation von Pat. mit sekundären Kopfschmerzen zur Vermeidung gravierender Komplikationen bis zum Tod durch strukturierte Anamnese und Untersuchung, diagnostischer Abklärung der Grunderkrankung, Einleitung der spezifischen Therapie
  2. Erkennen akut behandlungsbedürftiger primärer Kopfschmerzformen

Primäre Kopfschmerzerkrankungen sind – wenngleich in vielen Fällen äußerst unangenehm – in aller Regel benigne. Oberste Priorität hat daher zunächst immer der Ausschluss bzw. die Identifikation sekundärer Kopfschmerzen und ihrer Ursachen!

Kopfschmerzen sind ein sehr häufiges und gleichzeitig sehr unspezifisches Symptom vieler verschiedener Erkrankungen, das neben einer symptomatischen Therapie eine diagnostische Einordnung erfordert, um insb. gefährliche Kopfschmerzursachen frühzeitig zu erkennen!

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1 - Basismaßnahmentoggle arrow icon

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2 - Strukturierte Kopfschmerzanamnesetoggle arrow icon

Wichtigstes Werkzeug zur differenzialdiagnostischen Einordnung der Kopfschmerzen anhand von Information, die sich grob in fünf Kategorien (mit Überlappungen) einordnen lassen:

Die 5 „W“ der Kopfschmerzanamnese: Wann/wie lange? Wie stark? Wo? Wie? Welche Begleitfaktoren?

  • Zeitliche Einordnung (Wann? Wie lange?), z.B.
    • Seit wann besteht der Schmerz?
    • Mit welcher Dynamik hat der Schmerz begonnen?
    • Erstmaliger oder wiederkehrender Schmerz?
    • Aktuell durchgehender oder attacken-/episodenartig verlaufender Schmerz?
      • Wie lange dauern Attacken/Episoden?
  • Schmerzintensität (Wie stark?), z.B.
    • Einschätzung anhand numerischer oder visueller Analogskala (0–10)
    • Konstante oder variable Schmerzintensität? Sind schmerzfreie Intervalle vorhanden?
  • Schmerzlokalisation (Wo?), z.B.
    • Kopfschmerz im engeren Sinne oder Gesichtsschmerz?
    • Ein- oder beidseitig lokalisiert?
    • Auf bestimme Region begrenzt oder holozephal?
    • Stationärer oder wandernder Schmerz?
    • Oberflächlicher oder tiefer Schmerz?
  • Schmerzcharakter (Schmerzqualität, Wie?), z.B.
  • Begleitumstände/-symptome (Welche?), z.B.
    • Sind Kopfschmerzen oder eine bestimmte primäre Kopfschmerzerkrankung bekannt? Wenn ja, warum erfolgt jetzt eine notfallmäßige Vorstellung?
    • Liegt eine Aurasymptomatik vor?
    • Bestehen Übelkeit und/oder Erbrechen? Werden Lichtscheu oder Lärmempfindlichkeit beschrieben?
    • Gibt es Schmerzauslöser oder lindernde Faktoren?
    • Existieren (prädisponierende) Vorerkrankungen?
    • Werden (prädisponierende) Medikamente eingenommen?
    • Besteht ein Nikotin- oder sonstiger Substanzkonsum?
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3 - Neurologische Untersuchungtoggle arrow icon

  • Unbedingt erforderlich zur Klärung von Begleitsymptomen, um die differenzialdiagnostische Einordnung zu präzisieren
    • Besteht ein fokal-neurologisches Defizit , das auf eine strukturelle Läsion des Gehirns deutet, die auch Auslöser der Kopfschmerzen sein könnte?
    • Liegen Hinweise auf eine notfallmäßige Augenerkrankung oder eine Entzündung im Kopf-/Halsbereich vor?
  • Orientierende, fokussiert neurologische Notfalluntersuchung
Untersuchung Pathologische Notfallbefunde
Quantitative oder qualitative Bewusstseinsstörung
Meningismus
  • Prüfung auf Meningismus und weitere meningeale Reizzeichen
  • Positive meningeale Reizzeichen
Nebenhöhlen, Zahnstatus
  • Beklopfen der Schädelkalotte über den Nebenhöhlen
  • Passive Bewegung des Kopfs und Oberkörpers nach vorn
  • Orientierende Beurteilung des Zahnstatus
  • Kalottenklopfschmerz und eindeutige Kopfschmerzverstärkung bei Vornüberbeugen des Kopfs
  • Septischer Zahnstatus
Sprache/Sprechen
  • Beurteilung des Sprachverständnisses, der Sprachproduktion und der Artikulation im Patientengespräch
  • Bedside-Testung mittels Bild-/Objektbeschreibung, Nachsprechen
  • Gestörtes Sprachverständnis und/oder gestörte Sprachproduktion: Aphasie
  • Gestörte Artikulation: Dysarthrie
Sehen
Augen im Seitenvergleich
  • Inspektion der Augen
  • Palpation der Bulbi
Okulomotorik
  • Inspektion: Pupillengröße, spontane Bulbusstellung, Blickstellung
  • Willkürliche Blickbewegungen in alle Richtungen
  • Blickfolge im Seitenvergleich
Faziale Motorik im Seitenvergleich
  • Inspektion: Stellung der Mundwinkel, Speichelfluss aus einem Mundwinkel, Nasolabialfalten
  • Überprüfung von Stirnrunzeln, Lidschluss, Lippenmotorik, auch gegen Widerstand
Faziale Sensibilität im Seitenvergleich
  • Lateralisierter Sensibilitätsausfall
  • Ggf. erkennbares zentrales Ausfallmuster
Hirnstammreflexe im Seitenvergleich
  • Reflexausfall oder -abschwächung

Grobe Kraftprüfung im Seitenvergleich

  • Fallen oder Absinken einer Extremität
Einzelkraftprüfung im Seitenvergleich und gegen Widerstand
Muskeltonus im Seitenvergleich
Reflexe im Seitenvergleich
Sensibilität im Seitenvergleich
  • Grobe Prüfung des Berührungsempfindens durch Bestreichen der verschiedenen Körperregionen
  • Bei Auffälligkeiten: Ausdehnung unabhängig von segmentalen (oder peripheren) Dermatomen? Ausdehnung paramedian begrenzt?
Zerebelläre Funktion im Seitenvergleich
Stand- und Gangprüfung, wenn durchführbar
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4 - Erkennen sekundärer Kopfschmerzentoggle arrow icon

Die Befunde aus Anamnese und körperlicher Untersuchung müssen auf Warnhinweise für potenziell lebensgefährliche sekundäre Kopfschmerzen überprüft werden, um die geeignete Notfalldiagnostik einleiten zu können. Bei mehreren gleichzeitig vorliegenden Warnhinweisen muss nach der höchsten Dringlichkeitsstufe vorgegangen werden.

Grundsätzlich sollte in Zweifelsfällen die Indikation zur Bildgebung und anschließenden Liquoruntersuchung sehr großzügig gestellt werden. Faustregeln: Je schwieriger oder unvollständiger die Anamnese (z.B. bei Sprachbarriere), desto eher Bildgebung! Je älter die Patn. (insb. bei Erstmanifestation der Kopfschmerzen!), desto eher Bildgebung! Je stärker der Schmerz und/oder der allgemeine Krankheitsgrad, desto eher Bildgebung!
Es liegen häufig mehrere Warnhinweise gleichzeitig vor! Für die Entscheidung über die Dringlichkeit der Bildgebung zählt immer die höhere angegebene Dringlichkeitsstufe zum Ausschluss der potenziell gefährlichsten möglichen Verdachtsdiagnosen!

Warnhinweise für sekundäre Kopfschmerzen – Praktisches Vorgehen je nach Warnhinweis und Verdachtsdiagnosen
Warnhinweis Schwerwiegendste Verdachtsdiagnosen Geeignete Bildgebung Weiteres Vorgehen

Zeitliche Einordnung

Apoplektiformer Kopfschmerzbeginn

SAB

Donnerschlagkopfschmerz SAB
Erstmaliges Auftreten neuartiger Kopfschmerzen

Verschiedene symptomatische Kopfschmerzursachen

  • MRT
  • Im stationären Aufenthalt
  • Je nach bildgebendem Befund
Schmerzintensität Vernichtungskopfschmerz SAB
Schmerzlokalisation Ausstrahlende Hals- oder Nackenschmerzen

Dissektion extrakranieller hirnversorgender Gefäße

Schmerzcharakter Eindeutige Änderung des Charakters bekannter Kopfschmerzen Verschiedene symptomatische Kopfschmerzursachen
  • MRT
  • Im stationären Aufenthalt
  • Je nach bildgebendem Befund
Begleitumstände Erhöhtes Thromboserisiko Sinus- oder Hirnvenenthrombose
  • MRT mit MR-Venografie, CT-Venografie
  • Dringlich, so bald wie möglich
Kürzlich zurückliegende Lumbalpunktion oder Operation mit Eröffnung der Dura mater Liquorunterdrucksyndrom
  • MRT
  • Im stationären Aufenthalt
Immunsuppression, HIV-Infektion Verschiedene symptomatische Kopfschmerzursachen
  • MRT
  • Im stationären Aufenthalt
  • Je nach bildgebendem Befund

Adipositas + weibliches Geschlecht + jüngeres Lebensalter

Idiopathische intrakranielle Hypertension
  • MRT
  • Im stationären Aufenthalt
Begleitsymptome Quantitative oder qualitative Bewusstseinsstörung Verschiedene symptomatische Kopfschmerzursachen
Fieber Enzephalitis, Meningitis, Sinusitis
Meningismus, meningeale Reizzeichen SAB, Meningitis
  • CT + CT-A, bei Ausschluss einer SAB danach Liquoruntersuchung
  • Notfall, sofort!
Fieber und Meningismus Meningitis, Meningo-Enzephalitis

Massives Erbrechen

Zunahme des intrakraniellen Drucks bei intrakranieller Raumforderung
  • CT
  • Notfall, sofort!
  • Je nach bildgebendem Befund
Amaurosis fugax

TIA bei

Homonyme Hemianopsie oder homonyme Quadrantenanopsie Hirninfarkt im Stromgebiet der A. cerebri posterior
Monokulare Visusminderung

Zentralarterienverschluss bei

Glaukomanfall

Rotes Auge und/oder verhärtetes Auge Glaukomanfall
  • Ophthalmologische Weiterbehandlung
  • Notfall, sofort!
Epileptischer Anfall Verschiedene symptomatische Kopfschmerzursachen
  • MRT
  • Dringlich, so bald wie möglich
Horner-Syndrom Dissektion der A. carotis
Druckschmerzhafte A. temporalis und/oder Claudicatio masticatoria Arteriitis cranialis
  • CT + CT-A
  • Dringlich, so bald wie möglich
Neu aufgetretene fokal-neurologische Defizite Verschiedene symptomatische Kopfschmerzursachen
  • MRT, bei akuten Defiziten CT + CT-A
  • Dringlich, bei akuten Defiziten sofort!
Kalottenklopfschmerz und/oder Zunahme der Schmerzen bei Vornüberbeugen des Kopfs und/oder Rhinitis Sinusitis
Eindeutige Zunahme der Kopfschmerzen im Liegen Zunahme des intrakraniellen Drucks bei intrakranieller Raumforderung
  • CT
  • Notfall, sofort!
  • Je nach bildgebendem Befund

Zunahme der Kopfschmerzen in aufrechter Körperposition

Liquorunterdrucksyndrom
  • MRT
  • Im stationären Aufenthalt
B-Symptome und/oder bekannte maligne Grunderkrankung Metastasierung, Meningeosis neoplastica
  • MRT
  • Im stationären Aufenthalt
  • Lumbalpunktion nach Ausschluss von Kontraindikationen
  • Weiter je nach bildgebendem Befund

Unter dem Akronym „SNOOP“ existieren vereinfacht zusammengefasste Warnhinweise zur Erkennung sekundärer Kopfschmerzen, die v.a. im präklinischen Bereich Anwendung finden.

  • S - Systemische Symptome oder sekundäre Risikofaktoren
  • N - Neurologische Symptome
  • O - „Onset“, Einsetzen der Kopfschmerzen
  • O - „Older Age“, höheres Lebensalter
  • P - „Previous Headache History“, Kopfschmerzen in der Vorgeschichte oder „Pattern Change“, Änderung des typischen Charakters bekannter Kopfschmerzen
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5 - Akuttherapie spezieller primärer Kopfschmerzformentoggle arrow icon

Die folgenden attackenartig auftretenden primären Kopfschmerzformen erfordern häufig eine spezielle Akuttherapie und sind deshalb hier aufgeführt. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Migräneattacke

  • Epidemiologie
    • Erstmanifestation meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, selten nach dem 40. Lebensjahr
    • Frauen bis zu dreimal häufiger betroffen als Männer
  • Klinik/Symptome
    • Häufig einseitige (in 60% der Attacken), heftige pulsierend-pochende Kopfschmerzen mit wechselnder, mindestens mittlerer Schmerzintensität, die sich durch körperliche Aktivität verstärken
    • Attacken mit einer Dauer von 4–72 h, meist nicht mehrmals am Tag
    • Begleitet von Übelkeit, z.T. mit Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, auch Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Gerüchen (mind. ein Begleitsymptom)
    • In etwa 10–20% mit vorangehender Aura : komplett reversible, meist visuelle (Flimmerskotome) oder sensible Symptome (Par- oder Hypästhesien) über bis zu 60 min , die vor Beginn der Kopfschmerzattacke einsetzen
  • Akuttherapie

Status migraenosus

Clusterkopfschmerzattacke

  • Epidemiologie
    • Altersgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr
    • Männer drei- bis viermal häufiger betroffen als Frauen
    • Cluster meist gehäuft im Frühjahr und Herbst, dazwischen oft lange symptomfreie Phasen
  • Klinik/Symptome
    • Periorbital bis supraorbital und streng einseitig lokalisierte Schmerzen in maximaler Intensität und oft als stechend bis bohrend und brennend beschriebener Qualität
    • In zeitlichen Clustern auftretende Attacken mit einer Dauer von 15–180 min, bis zu 8×/Tag, auch aus dem Schlaf heraus
    • Auffällige ipsilaterale konjunktivale Injektion, Lakrimation, Rhinorrhö
    • Patienten meist gekennzeichnet durch ausgeprägte motorische Unruhe
  • Akuttherapie

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