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Anästhesie bei chronischer Lebererkrankung

Letzte Aktualisierung: 14.2.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Schwere chronische Lebererkrankungen erhöhen signifikant das perioperative Risiko (Morbidität und Mortalität). Da die Leber ein zentrales Stoffwechselorgan ist, hat ihre Funktionsstörung zahlreiche direkte Auswirkungen z.B. auf den Energiestoffwechsel, die Gerinnung und das Immunsystem. Darüber hinaus beeinflusst der zirrhotische Umbau des hepatischen Gewebes – u.a. durch die damit einhergehende portale Hypertension – andere Organe und deren Funktion, bspw. das Herz, die Nieren und die Lunge. Zudem muss die veränderte Pharmakokinetik und -dynamik vieler anästhesierelevanter Medikamente berücksichtigt werden.

Ein sorgfältiges perioperatives Management kann eine weitere Verschlechterung der Leberfunktion und Komplikationen vermeiden. Präoperativ müssen Personen mit chronischer Lebererkrankung identifiziert und ihr Zustand bestmöglich optimiert werden. Zur Einschätzung des perioperativen Risikos stehen verschiedene Scores wie der MELD-Score zur Verfügung. Intraoperativ liegt der Fokus auf der Aufrechterhaltung der Leberperfusion und -oxygenierung durch stabile Kreislaufverhältnisse und Normovolämie. Hepato- und nephrotoxische Substanzen sind zu vermeiden. Postoperativ muss ggf. die verlängerte Wirkdauer und Akkumulation der Medikamente berücksichtigt werden.

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Physiologie der Lebertoggle arrow icon

  • Relevanz: Grundverständnis insb. wichtig für
  • Funktionen der Leber im Überblick
    • Energiestoffwechsel
    • Synthesefunktion
    • Regulationsfunktion
    • Speicherfunktion
    • Entgiftungs- und Ausscheidungsfunktion
  • Durchblutung der Leber [2][3][4]
    • Hepatischer Blutfluss entspricht ca. 25% des HZV
    • Aufrechterhaltung einer konstanten Organdurchblutung bei reduzierter oder ausgefallener Versorgung durch einen der beiden Zuflüsse (sog. hepatic arterial buffer response)
    • Mikrozirkulation innerhalb des Leberläppchens entscheidend für Stoffwechselaktivität

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan für die Regulation des Glucose- und Fettstoffwechsels, die Proteinsynthese und die Biotransformation! [2]

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Screening und Risikoeinschätzungtoggle arrow icon

Abschätzung der Leberfunktion bei chronischer Lebererkrankung [5]

  • Leberwerte
    • Interpretation: Zusammenschau ermöglicht Diagnose einer Lebererkrankung und Rückschlüsse auf Ätiologie ; jedoch ungeeignet zur Abschätzung des perioperativen Risikos [4]
    • Durchführung: Präoperative Bestimmung nur bei anamnestischen oder klinischen Hinweisen auf Lebererkrankung indiziert [6]
    • Siehe auch: Präoperative Laboruntersuchungen
  • Quantitative Leberfunktionstests
    • Interpretation: Korrelieren mit Ausmaß der Leberzellschädigung
    • Durchführung: Selten im klinischen Alltag
    • Beispiele
      • Indocyaningrüntest (ICG-Test)
      • MEGX-Lidocain-Test (MEGX-Test)
      • Aminopyrinatemtest (AAT)
Übersicht der Leberwerte
Parameter einer Leberzellschädigung
Cholestaseparameter
Syntheseparameter der Leber
Parameter der Entgiftungsfunktion

Leberwerte und quantitative Leberfunktionstests sind ungeeignet für die routinemäßige perioperative Risikoeinschätzung bei chronischer Lebererkrankung! [5]

Abschätzung des perioperativen Risikos bei chronischer Lebererkrankung [2][3][5]

Das perioperative Risiko korreliert mit der Krankheitsschwere und dem Ausmaß der Funktionsstörung. Bei Leberzirrhose ist die perioperative Mortalität ca. dreimal so hoch! [1][2]

Beispielhafte Risikofaktoren für eine erhöhte perioperative Morbidität und Mortalität aufgrund einer Lebererkrankung [2][10][13]
Risikofaktoren für eine erhöhte Morbidität Risikofaktoren für eine erhöhte Mortalität
  • Relevanz: Wahrscheinlichkeit perioperativer Komplikationen steigt mit der Anzahl der Risikofaktoren
    • 1–2 Risikofaktoren: 9–14%
    • 3–4 Risikofaktoren: 33–63%
    • ≥6 Risikofaktoren: 73–100%

Die individuelle Risikoeinschätzung muss immer im klinischen Kontext geschehen. Nicht nur die Schwere der Leberzirrhose, sondern auch Komorbiditäten sowie Art, Dringlichkeit und Ausmaß des Eingriffs beeinflussen die perioperative Morbidität und Mortalität! [3][12]

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Anästhesierelevante Medikamente bei Lebererkrankungentoggle arrow icon

Anästhetika

Anästhetika
Wirkstoffe Clearance Verteilungsvolumen Wirkdauer
Propofol Erhöht Verlängert
Thiopental [16] Erhöht Verlängert
Etomidat Erhöht Verlängert
Ketamin
Midazolam Reduziert Erhöht Verlängert
Legende: – = unverändert

Opioide

Opioide
Wirkstoffe Clearance Verteilungsvolumen Wirkdauer
Fentanyl
Sufentanil
Remifentanil
Alfentanil Reduziert Verlängert
Piritramid [17] Reduziert Erhöht Verlängert
Morphin Reduziert Erhöht Verlängert
Legende: – = unverändert

Muskelrelaxanzien

Muskelrelaxanzien
Wirkstoffe Clearance Verteilungsvolumen Wirkdauer
Mivacurium Reduziert Verlängert
Vecuronium Reduziert Verlängert
Rocuronium Erhöht Verlängert
Atracurium Erhöht Erhöht
Cisatracurium Erhöht Erhöht
Pancuronium Reduziert Verlängert
Legende: – = unverändert
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Präoperatives Managementtoggle arrow icon

Anamnese und Untersuchungen [1][2][3]

Anästhesiologisch relevante Begleiterkrankungen bei chronischer Lebererkrankung [1][2][10][16]
Kardiovaskulär
Pulmonal
Endokrinologisch
Hämatologisch
Renal
Zerebral
Systemisch

Die häufigsten Gründe für eine Leberzirrhose sind Hepatitis C, Alkoholabhängigkeit und die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung! [3]

Praktisches Vorgehen je nach klinischer Situation [5]

Asymptomatische Person ohne bekannte Lebererkrankung

Asymptomatische Person mit bekannter Lebererkrankung

Vor elektiven Eingriffen bei asymptomatischen Personen mit einer Lebererkrankung sollten modifizierbare Faktoren optimiert sowie Narkoseführung und perioperatives Management adäquat angepasst werden!

Symptomatische Person mit bekannter Lebererkrankung

Bei symptomatischen Personen mit einer Lebererkrankung sollte eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung bezüglich der Dringlichkeit und des OP-Verfahrens erfolgen! [18]

Kontraindikationen für elektive Eingriffe bei Lebererkrankung [2]

Präoperative Optimierung [3][5]

Die präoperative Optimierung behandelt reversible Ursachen für eine Verschlechterung von kognitiven, pulmonalen, kardialen und renalen Funktionen! [3]

Auswahl des Narkoseverfahrens [1][2]

Prinzipiell besteht keine Überlegenheit eines bestimmten Narkoseverfahrens – bei einer Regionalanästhesie muss jedoch unbedingt der Gerinnungsstatus beachtet werden! [1]

Durch die verringerte Plasmaproteinbindung kann der Plasmaspiegel von Medikamenten wie Lokalanästhetika erhöht sein! [10]

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Intraoperatives Managementtoggle arrow icon

Vorbereitung [2][10]

Narkoseeinleitung

Bei einer Allgemeinanästhesie sollte aufgrund des erhöhten Aspirationsrisikos eine endotracheale Intubation als Rapid Sequence Induction durchgeführt werden! [2]

Narkoseführung [1]

Narkoseausleitung

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Postoperatives Managementtoggle arrow icon

Orientierende Grenzwerte für die Anlage rückenmarksnaher Regionalanästhesieverfahren sind ein INR <1,5 und eine Thrombozytenanzahl >100.000/μL! [16][23]

Bei chronischer Lebererkrankung sollten NSAR zur postoperativen Schmerztherapie vermieden werden! [23]

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