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Anästhesie in der Herzchirurgie

Letzte Aktualisierung: 10.12.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die Herzchirurgie umfasst Eingriffe am Herzen und an den herznahen Gefäßen. Klassischer Zugangsweg ist die mediane Sternotomie, im Bereich der koronaren Bypasschirurgie und der Herzklappenchirurgie ist jedoch grundsätzlich auch ein minimalinvasives Vorgehen möglich. Viele Eingriffe erfordern zudem den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine (HLM). Einen Sonderfall stellt die Schrittmachertherapie als primär interventionelle Behandlung ohne Eröffnung des Thorax dar.

Bei herzchirurgischen Patient:innen liegen neben der kardialen Grunderkrankung häufig relevante Begleiterkrankungen vor, die in Bezug auf das anästhesiologische Management berücksichtigt werden müssen (bspw. Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankung, COPD oder OSAS). Für eine optimale perioperative Versorgung ist hier in besonderem Maße eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich.

Herzchirurgische Eingriffe werden typischerweise in Allgemeinanästhesie mit erweitertem hämodynamischen Monitoring durchgeführt. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die transösophageale Echokardiografie, die einen hohen Stellenwert in der Kardioanästhesie hat und insb. bei Herzklappenchirurgie und thorakaler Aortenchirurgie empfohlen wird. Postoperativ erfolgt in den meisten Fällen keine unmittelbare Narkoseausleitung, vielmehr werden die Patient:innen unter Fortführung der Narkose zur weiteren Betreuung auf die Intensivstation gebracht.

Durch den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine kann es neben einer allgemeinen Blutungsneigung zu spezifischen Komplikationen wie bspw. einem vasoplegischen Syndrom oder einem Low-Cardiac-Output-Syndrom kommen. Daneben zählen Herzrhythmusstörungen zu den häufigsten Komplikationen herzchirurgischer Eingriffe.

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Anatomische und physiologische Grundlagentoggle arrow icon

Anatomische Grundlagen

Aufbau des Herzens

In der Frontalansicht ist das Herz um ca. 40° geneigt und leicht gedreht, sodass die Basis nach rechts oben hinten und die Spitze nach links unten vorn zeigt!

Ca. ⅔ des Herzens befinden sich in der linken und ca. ⅓ in der rechten Thoraxhälfte!

Gefäßversorgung des Herzens

Ausprägung und Versorgungsgebiet der Koronararterien unterliegen einer gewissen interindividuellen Variabilität!

Physiologische Grundlagen [1][2]

Herzerregung

Herzmechanik

Koronardurchblutung [3][4]

Die Koronardurchblutung des linken Ventrikels findet hauptsächlich in der Diastole statt!

Eine intraoperative Tachykardie kann (insb. bei Vorliegen einer diastolischen Funktionsstörung oder einer Herzinsuffizienz) das Risiko für myokardiale Ischämien erhöhen! [9]

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Typische Eingriffetoggle arrow icon

Koronare Bypasschirurgie [12][13][14]

Übersicht verschiedener operativer Verfahren in der koronaren Bypasschirurgie
Verfahren Besonderheiten
ACB/CABG
OPCAB
MIDCAB

Herzklappenchirurgie [18][19]

Übersicht verschiedener operativer Verfahren in der Herzklappenchirurgie
Verfahren Besonderheiten
Chirurgischer Aortenklappenersatz
Minimalinvasive Mitralklappenrekonstruktion
Transapikaler Aorten- bzw. Mitralklappenersatz [22][23]

Die häufigsten behandlungsbedürftigen Herzklappenerkrankungen bei Erwachsenen in Deutschland sind die Aortenklappenstenose und die Mitralklappeninsuffizienz!

Herzklappenerkrankungen können grundsätzlich auch interventionell behandelt werden – bei transapikalen Verfahren ist jedoch eine zusätzliche Minithorakotomie erforderlich!

Thorakale Aortenchirurgie [24][25][26]

Schrittmachertherapie

Bei einer ICD-Implantation wird intraoperativ eine ventrikuläre Tachykardie bzw. ein Kammerflimmern ausgelöst, um das Aggregat zu testen bzw. einzustellen!

Herztransplantation [34][35]

  • Indikation: Fortgeschrittene Herzinsuffizienz unter Ausschöpfung aller konservativen und chirurgischen Therapieoptionen [36][37]
    • Listung zur Herztransplantation bei Eurotransplant erforderlich
    • Durchführung nur an spezialisierten Transplantationszentren
  • Besonderheiten [37][38]
    • Patient:innen meist in einem sehr schlechten körperlichen Zustand
    • Fragiler kardialer Status, typische Befunde
    • Häufig zusätzliches Vorliegen von Einschränkungen der Nieren- und Leberfunktion
    • Erhöhtes Blutungsrisiko durch regelhaft vorbestehende Therapie mit Gerinnungshemmern
    • Neuromonitoring mittels prozessiertem EEG und NIRS empfohlen [27]
    • Enge Koordination mit dem chirurgischen Team zur Minimierung der Ischämiezeit des Spenderorgans erforderlich
  • Mögliche Alternative: Implantation eines mechanischen Kreislaufunterstützungssystems [39]
    • Überbrückend bis zur Erholung der Herzfunktion („Bridge-to-Recovery“)
    • Überbrückend bis zur endgültigen Therapieentscheidung („Bridge-to-Decision“)
    • Überbrückend bis zur Herztransplantation („Bridge-to-Transplantation“)
    • Langfristige bzw. definitive Therapie („Destination Therapy“)
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Präoperative Anamnese und Diagnostiktoggle arrow icon

Allgemeine präoperative Einschätzung

Bei herzchirurgischen Patient:innen liegen häufig relevante Begleiterkrankungen wie bspw. Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankung, COPD oder OSAS vor, die in Bezug auf das anästhesiologische Management berücksichtigt werden müssen! [10]

Spezielle präoperative Einschätzung [10][11]

Scores zur Risikoklassifizierung

Der EuroSCORE II und der STS-Score dienen der Prognose des Mortalitätsrisikos im Krankenhaus nach einer größeren Herzoperation, nicht der Beurteilung des individuellen Narkoserisikos!

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Anästhesiologische Besonderheitentoggle arrow icon

Allgemeine Hinweise

  • Medikamentöse Prämedikation: Nur nach individueller Indikationsstellung [11]
    • Typischerweise Verzicht bei schwerkranken Personen mit reduzierter Pumpfunktion
    • Gabe bei sehr aufgeregten bzw. ängstlichen Personen jedoch ggf. sinnvoll
  • Patient Blood Management [43][44]
    • Erhöhtes Risiko für relevante perioperative Blutverluste bei herzchirurgischen Eingriffen
    • Implementierung fremdblutsparender Maßnahmen sinnvoll und von der WHO empfohlen
    • Enge interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich (Kardiologie, Kardiochirurgie, Kardiotechnik, Anästhesiologie, Intensivmedizin)
  • Auswahl des Narkoseverfahrens
  • Ärztliche Doppelbesetzung [47]
    • Eingriffs- bzw. situationsabhängig zu erwägen
    • Sollte mind. eine Person mit besonderer Erfahrung in der Kardioanästhesie umfassen

Die Implementierung fremdblutsparender Maßnahmen im Sinne des sog. Patient Blood Managements sollte gerade in Bereichen mit erhöhtem Risiko für einen relevanten perioperativen Blutverlust wie der Herzchirurgie erwogen werden!

Pharmakologische Besonderheiten

Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt in der Herzchirurgie üblicherweise als balancierte Anästhesie – ein relevanter Vorteil gegenüber einer TIVA ist jedoch nicht nachgewiesen!

Gefäßzugänge und Monitoring [10][27]

Allgemeine Informationen zur Überwachung der Kreislaufparameter finden sich im Kapitel „Hämodynamisches Monitoring“!

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Anästhesiologisches Management: Eingriffe mit Herz-Lungen-Maschinetoggle arrow icon

Im Folgenden werden die grundlegenden Prinzipien des anästhesiologischen Managements bei Eingriffen mit Herz-Lungen-Maschine genannt. Bei der praktischen Umsetzung sind stets klinik- und patientenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen!

Allgemeine Hinweise

Narkoseeinleitung

Bei herzchirurgischen Eingriffen sollte die Narkoseeinleitung nach Möglichkeit in ärztlicher Doppelbesetzung durchgeführt werden!

Die Einleitungsmedikamente sollten nach Wirkung dosiert und langsam injiziert werden!

Narkoseführung

Kardiopulmonaler Bypass

  1. Entlüftung der Herz-Lungen-Maschine (sog. „Priming“): Durchführung durch die Kardiotechnik
    • Klinikspezifische Menge und Zusammensetzung des Priming-Volumens
    • Anschluss der Herz-Lungen-Maschine führt zu einer (erwünschten) Hämodilution
  2. Gefäßkanülierung für die Herz-Lungen-Maschine: Durchführung durch die Herzchirurgie
    • Arterielle Kanülierung (= Rückgabekanüle) typischerweise über Aorta ascendens
    • Venöse Kanülierung (= Entnahmekanüle) typischerweise über das rechte Vorhofohr
    • Weitere Kanülierungen zur Entlastung bzw. Entlüftung des linken Herzens, bspw.
      • Linksventrikuläre Entlastungskanüle („Links-Vent“)
      • Aortale Entlastungskanüle („Root-Vent“)
  3. Extrakorporale Zirkulation
  4. Kardioplegie
  5. Reperfusionsphase
  6. Entwöhnung von der Herz-Lungen-Maschine
  7. Beendigung der extrakorporalen Zirkulation
  8. Dekanülierung

Narkoseausleitung

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Spezielle Risiken und Komplikationentoggle arrow icon

Herzrhythmusstörungen [60][61]

Blutungsneigung [62][63]

Vasoplegisches Syndrom [66][67]

Low-Cardiac-Output-Syndrom (LCOS) [69][70]

Pulmonale Hypertonie [74][75]

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