Definition
Der Buchstabe „E“ des cABCDE-Schemas steht für „Exposure“ bzw. „Exposition“, „Environment“ bzw. „Environmental Control“ oder „Exploration“ und umfasst folgende Aspekte des Managements einer Notfallsituation:
- Entkleiden: Ganzkörperuntersuchung nach kompletter Entkleidung
- Bisherige Verdachtsdiagnose hinterfragen
- Weitere Befunde bzw. Begleitverletzungen aufdecken (bisher im cABCDE-Schema entgangene Auffälligkeiten)
- Schutz vor Umgebungsfaktoren/Umwelteinflüssen
- Insb. auf Wärmeerhalt bzw. Störungen des Wärmehaushalts achten
- Schmerztherapie sicherstellen, siehe: Akutschmerztherapie in der Notaufnahme
- Umliegende Faktoren berücksichtigen bzgl. Verdachtsdiagnose und Eigenschutz
- Je nach Situation zusätzlich bspw.
- Frakturstabilisierung, Wundversorgung oder Reposition bei Trauma
- Immobilisierung von Extremitäten, bspw. bei Schlangenbiss
- Inspektion des Umfelds
- Psychische Betreuung gewährleisten, siehe: Psychische Erste Hilfe
- Hinweise auf Eigengefährdung, siehe: Suizidanamnese
- Siehe auch: Zwangsunterbringung
Für die grundlegenden Prinzipien der Notfallbehandlung siehe: Notfallmanagement - Grundlegende Prinzipien
Notfallmanagement - Exposure beinhaltet zahlreiche unterschiedliche Aspekte bzgl. Umfeld und Untersuchung. Das individuelle Vorgehen muss je nach Situation sinnvoll angepasst werden!
Basisdiagnostik und -maßnahmen
Allgemeine Hinweise
- Ziele der Primary Survey (Erstuntersuchung und Grundversorgung)
- Identifizierung reversibler Pathologien durch äußere Einwirkung
- Behandlung akut lebensbedrohlicher Pathologien
- Eigenschutz beachten
- Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung
- Mögliches fremdaggressives Verhalten bedenken
- Bei Herz-Kreislauf-Stillstand: Umgehende Durchführung von Reanimationsmaßnahmen
- Siehe auch: Reanimation - AMBOSS-SOP
Auch bei fehlenden anamnestischen Hinweisen sollte die Möglichkeit eines traumatischen Geschehens als Ursache bzw. Folge der aktuellen Symptomatik stets bedacht werden!
Eigen- bzw. Fremdanamnese (SAMPLE-Schema)
Anwendung des SAMPLE-Schemas in der Basisdiagnostik „Exposure“ | |
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Aspekt | Relevante Information |
S („Signs/Symptoms“) |
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A („Allergies“) |
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M („Medications“) |
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P („Past medical History“) |
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L („Last oral Intake“) |
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E („Events preceding“) |
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Primary Survey (Erstuntersuchung und Grundversorgung) [1]
Primary Survey (Erstuntersuchung und Grundversorgung) für „Exposure“ | |
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Erstuntersuchung | Grundversorgung |
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Vollständige körperliche Untersuchung
- Entkleiden
- Grundsätzlich immer komplette Entfernung der Kleidung erforderlich
- Privatsphäre berücksichtigen
- Umlagerung: Wirbelsäulenstabile bzw. achsengerechte Umlagerung zur Inspektion des Rückens
- Log-roll-Konzept: 4 Personen drehen Pat. koordiniert und synchron unter Wahrung einer geraden Achse zwischen Wirbelsäule und Kopf
- Person 1: Kopf stabilisieren und drehen, Kommando zur Drehung geben
- Person 2: Thoraxdrehung
- Person 3: Abdomendrehung
- Person 4: Drehung der Beine
- Lokale Umlagerungsstandards des Schockraums insb. bei Polytrauma beachten!
- Alternativ: Lift-and-Slide-Technik
- Log-roll-Konzept: 4 Personen drehen Pat. koordiniert und synchron unter Wahrung einer geraden Achse zwischen Wirbelsäule und Kopf
- Hypothermie vermeiden : Nutzung von Decken, warmen Räumlichkeiten, Wärmeerhaltungssystemen, Wärmestrahlern, ggf. Pat. abtrocknen, ggf. weitere Maßnahmen zur Temperaturkontrolle anwenden (bspw. warme Infusionen)
- Entfernung von einengendem Schmuck, insb. bei drohender Schwellung von Extremitäten
In jedem Fall muss eine gründliche Untersuchung des gesamten Körpers „von der Locke bis zur Socke“ erfolgen, der genaue Fokus und die Bestandteile sollten jedoch situativ angemessen angepasst werden! Exemplarische Aspekte sind hier aus Gründen der Übersichtlichkeit in traumatologische und nicht-traumatologische Notfälle eingeteilt.
Körperliche Untersuchung bei nicht-traumatologischem Notfall
Vollständige körperliche Untersuchung bei nicht-traumatologischem Notfall | ||
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Befund | Mögliche Ursachen und Maßnahmen | |
Allgemeinzustand |
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Haut |
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Kopf |
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Hals |
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Thorax |
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Abdomen |
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Medizinische Hilfsmittel und Fremdkörper |
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Untersuchung bei traumatologischem Notfall („Trauma-Check“ bzw. „Bodycheck“)
Vollständige körperliche Untersuchung bei traumatologischem Notfall | ||
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Befund | Mögliche Ursachen und Maßnahmen | |
Kopf |
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Hals | ||
Thorax |
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Abdomen |
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Becken |
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Wirbelsäule |
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Extremitäten |
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Weiterführende Diagnostik und Maßnahmen
Allgemeine Hinweise
- Secondary Survey (Zweituntersuchung und erweiterte Versorgung)
- Voraussetzungen
- Erstuntersuchung und Grundversorgung abgeschlossen (komplettes cABCDE-Schema)
- Stabile Vitalparameter vorhanden (keine unmittelbare Lebensbedrohung)
- Wesentliche Ziele
- Vervollständigen der (Fremd‑)Anamnese
- Identifikation bisher unentdeckter Verletzungen bzw. Organdysfunktionen (sog. „Missed Injuries“ bzw. „Missed Diagnoses“)
- Bestätigung bzw. Widerlegung der Verdachtsdiagnose
- Kontrolle der bisher erfolgten therapeutischen Maßnahmen
- Voraussetzungen
Kommt es im Verlauf der Behandlung zu einer Verschlechterung des Patientenzustandes, muss eine erneute Abklärung nach dem cABCDE-Schema erfolgen!
Apparative Untersuchung
- Notfallsonografie: e-FAST zur Feststellung akuter abdomineller und thorakaler Pathologien
- CT-Bildgebung: Insb. bei V.a. Frakturen oder ergänzend bei auffälligen Befunden in der Notfallsonografie
- 12-Kanal-EKG: Bei Ischämiezeichen siehe: ACS - AMBOSS-SOP und Ersteinschätzung bei ACS
- Laboruntersuchungen
- Blutentnahme zur internistischen Differenzialdiagnostik: Blutbild, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Transaminasen, Gerinnung, CRP, PCT, TSH
- Je nach Situation erweitern, bspw. zur Fahndung nach endokrinologischen Störungen als Differenzialdiagnose
- Blutzuckermessung
- BGA
- Urindiagnostik, toxikologisches Screening
- Blutkulturen, siehe: Diagnostik bei Sepsis
- Blutentnahme zur internistischen Differenzialdiagnostik: Blutbild, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Transaminasen, Gerinnung, CRP, PCT, TSH
- Anlage eines Blasenkatheters zur Bilanzierung
Weiterführende Maßnahmen
- Weitere Informationen einholen, bspw.
- Zuständige Giftnotrufzentrale anrufen bei V.a. Intoxikation
- Gespräche mit Angehörigen, Rettungspersonal
- Transport organisieren bzw. Übergabe planen
- OP anmelden und vorbereiten
- Dokumentation aller relevanten Befunde
Notfälle mit spezifischen Expositionen
- Hypothermie
- Thermische Schäden und Hyperthermie
- Elektrischer Strom: Stromunfall - Klinisches Management
- Wasser: Ertrinkungsunfall - AMBOSS-SOP