Zusammenfassung
Als Lehre der vorgeburtlichen Entwicklung stellt die Embryologie die Grundlage für das Verständnis vieler anatomischer Verhältnisse und physiologischer Abläufe im menschlichen Organismus dar. Während sich die allgemeine Embryologie eher mit basalen Entwicklungsschritten essenzieller Bestandteile wie z.B. der Keimscheiben und der pränatalen Versorgungsstrukturen beschäftigt, beschreibt die spezielle Embryologie die Organentwicklung. Zeitlich folgt auf die ersten acht Wochen der (Vor‑)Embryonalperiode die Fetalperiode, die bis zur Geburt andauert. Bereits in der Embryonalzeit entwickeln sich sog. Urkeimzellen und wandern in die Gonadenanlagen ein. Die weitere Entwicklung zur befruchtungsfähigen Eizelle und zum befruchtungsfähigen Spermium erfolgt dann geschlechtsspezifisch zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei Frau und Mann über die Reifeteilung (Meiose) - dieser Vorgang wird Keimbahn genannt. Sowohl in diesem Rahmen als auch später im Verlaufe der Schwangerschaft kann es (z.B. durch schädliche Noxen) zu Fehlbildungen des Ungeborenen kommen. Diese werden je nach Zeitpunkt der Schädigung in Gameto-, Blasto-, Embryo- und Fetopathien eingeteilt und haben unterschiedlich schwere Folgen für die Betroffenen. Klinisch sind auch Stammzellen von immer größerer Bedeutung geworden. Neben den adulten Stammzellen, die lediglich erneuerbares Gewebe ersetzen können, können embryonale Stammzellen noch nahezu jede Gewebsdifferenzierung annehmen und sind daher interessant für die Erprobung neuer Therapien.
Übersicht
- Definition: Die Embryologie ist die Lehre der vorgeburtlichen Entwicklung
- Einteilung
- Nach Schwerpunkt
- Allgemeine Embryologie: Entwicklung der Keimzellen und des Embryos innerhalb der ersten Schwangerschaftswochen
- Spezielle Embryologie: Entwicklung der Organe
- Nach zeitlichem Ablauf (Entwicklungswochen)
- Vorembryonalperiode (1. Entwicklungswoche): Ab der Befruchtung der Eizelle bis zur Implantation im Uterus
- Embryonalperiode (2.-8. Entwicklungswoche): Entstehung der Keimblätter, Entwicklung der menschlichen Gestalt und Anlage von Organen
- Fetalperiode (9. Entwicklungswoche-Geburt): Wachstum und Differenzierung der in der Embryonalperiode angelegten Gewebe und Organe
- Nach Schwerpunkt
Die Anlage aller Organanlagen erfolgt in der Embryonalperiode, die Organreifung hingegen in der Fetalperiode.
Die Carnegie-Stadien
Die Stadienbestimmung des Embryos kann auf Basis seines Alters, seiner Größe oder seiner morphologischen Eigenschaften erfolgen. Jeder Embryo bildet im Laufe seiner Entwicklung nacheinander die selben Strukturen aus, allerdings benötigt jeder Embryo dafür unterschiedlich lang. Somit ist es schwer, gleich alte Embryonen miteinander zu vergleichen. Aus diesem Grund haben O'Rahilly und Müller die morphologischen Eigenschaften in den Fokus gestellt und teilten die ersten acht Embryonalwochen (56 Tage) in 23 Carnegie-Stadien ein, die jeder Embryo nacheinander durchläuft. Da die inneren und äußeren morphologischen Veränderungen nach der 8. Woche nicht mehr so stark ausgeprägt sind, findet diese Einteilung in der Fetalperiode keine Anwendung.
Beispiel: Carnegie-Stadium 14
- Hauptmerkmale
- Armknospen paddelförmig ausgebildet
- Linsengrübchen und Riechgrübchen erkennbar
- Augenbecher vorhanden.
- Länge: 5,0-7,0mm
- Alter: 31-32 Tage
Die Entwicklung der Keimzellen (Gametogenese)
Bereits sehr früh in der Embryonalentwicklung entstehen Urkeimzellen, die im Laufe der Entwicklung in die Gonadenanlagen einwandern. Durch eine Reifeteilung entwickeln sich die reifen Gameten (Eizellen bzw. Spermien) geschlechtsspezifisch aus den Urkeimzellen (Oogonien bzw. Spermatogonien).
Die Entstehung der Urkeimzellen
- Zeitpunkt: 4. Embryonalwoche
- Ort: Wand des Dottersacks
- Ablauf: Diploide Urkeimzellen entwickeln sich und wandern mittels amöboider Bewegung in die Gonadenanlage der Urogenitalfalte
- Aus den weiblichen Urkeimzellen entwickeln sich Oogonien
- Aus den männlichen Urkeimzellen entwickeln sich Spermatogonien
Die Keimbahn
- Definition: Geschlechtsspezifische Entwicklung der Urkeimzellen zu reifen Keimzellen (= Gameten)
- Ablauf: Meiose der Urkeimzelle (s.u.)
- Oogenese (=Entwicklung der Eizelle): Es entsteht eine Oozyte mit 2-3 Polkörperchen
- Spermatogenese (=Entwicklung der Spermien): Es entstehen vier funktionstüchtige Spermien
Aus einer Urkeimzelle entstehen vier funktionstüchtige Spermien oder eine Oozyte mit drei Polkörperchen!
Meiose
Überblick
Bei beiden Geschlechtern findet im Rahmen der weiteren Keimzellentwicklung eine Reifeteilung (Meiose) statt
- Definition: Reifeteilung der Keimzellen, bei der aus einer Keimzelle vier Tochterzellen mit rekombiniertem Erbgut entstehen
- Ziel: Zufällige Aufteilung des diploiden Chromosomensatzes auf haploide Tochterzellen, um die genetische Vielfalt der Nachkommen zu sichern.
- Vorbereitung: Damit die Meiose stattfinden kann, wird zunächst die DNA in der S-Phase der Interphase repliziert.
- Ablauf: Die Meiose erfolgt in zwei Teilschritten
- Meiose I (=Reduktionsteilung)
- Reduktion des Chromosomensatzes: Der diploide Chromosomensatz wird geteilt, indem die homologen Chromosomen voneinander getrennt werden
- Rekombination des genetischen Materials: Ursprünglich mütterliche und väterliche Chromosomen werden zufällig auf Tochterzellen verteilt → Hierbei entsteht die genetische Vielfalt
- Meiose II (=Äquationsteilung): Die beiden Chromatiden jedes Chromosoms des haploiden Chromosomensatz werden getrennt → Entspricht im Wesentlichen den Phasen der Mitose
- Meiose I (=Reduktionsteilung)
- Bilanz
- Zellzahl: 1 Mutterzelle → 4 Tochterzellen
- Chromosomensatz: Diploide Mutterzelle (2n) → Haploide Tochterzellen (1n)
- DNA-Gehalt: 4 Chromatiden der Mutterzelle (4C) → Je 1 Chromatide pro Tochterzelle (1C)
- Geschlechtsspezifische Besonderheiten
- Oogenese: Die Anlage aller weiblichen Eizellen erfolgt bereits vor der Geburt, jedoch werden Meiose I und Meiose II je durch eine Ruhephase unterbrochen
- 1. Ruhephase (Diktyotän): Unterbrechung der Prophase I im Diplotän und Verbleib in der Ruhephase bis kurz vor Beginn der Ovulation
- 2. Ruhephase: Unterbrechung der Meiose II während der Metaphase II und Verbleib in der Ruhephase bis zur Befruchtung
- Spermatogenese: Mit dem Eintritt in die Pubertät beginnt im Hoden die kontinuierliche Produktion von Spermien. Dabei reifen die Spermatogonien in vier Entwicklungsschritten zu fortpflanzungsfähigen Spermien heran.
- Oogenese: Die Anlage aller weiblichen Eizellen erfolgt bereits vor der Geburt, jedoch werden Meiose I und Meiose II je durch eine Ruhephase unterbrochen
Numerische Chromosomenaberrationen
Bei numerischen Chromosomenaberrationen weicht die Chromosomenzahl von der Norm ab. Ursächlich ist eine Non-Disjunction in der Meiose, also die Nicht-Trennung der homologen Chromosomen (Meiose I) oder Schwesterchromatiden eines Chromosoms (Meiose II). Die daraus resultierende Aneuploidie zeigt sich zum einen in Zellen mit einem Chromosom zuviel (Trisomie), zum anderen in Zellen mit einem Chromosom zu wenig (Monosomie). Klinisch kann dies zu einem Absterben der Frucht oder aber zu unterschiedlichen Syndromen wie z.B. der Trisomie 21 oder dem Klinefelter-Syndrom führen. Für nähere Informationen siehe auch Chromosomenaberrationen.
Stadien der Meiose I
Vorgang | Zellzahl | Chromosomensatz | DNA-Gehalt | |
---|---|---|---|---|
Prophase I |
| 1 | 2n | 4C |
Metaphase I |
| |||
Anaphase I |
| |||
Telophase I |
| 2 | 1n | 2C |
Für die Paarung der Chromosomen in der Prophase müssen sich die homologen Abschnitte der Chromosomen exakt gegenüber liegen. Die beiden Geschlechtschromosomen (X- und Y-Chromosom) unterscheiden sich jedoch in ihrem Aufbau weitestgehend voneinander. Lediglich eine kleine homologe Sequenz (die sog. pseudoautosomale Region) am distalen Ende des kurzen Armes ermöglicht ihre Paarung und ein Crossing-over!
Stadien der Meiose II
Vorgang | Zellzahl | Chromosomensatz | DNA-Gehalt | |
---|---|---|---|---|
Prophase II |
| 2 | 1n | 2C |
Metaphase II |
| |||
Anaphase II |
| |||
Telophase II |
| 4 | 1n | 1C |
Reihenfolge der Unterphasen der Prophase I der Meiose: "Liebe Zelle paare dich doch" (Leptotän → Zygotän → Pachytän → Diplotän → Diakinese)
Die Gesamtheit aller Eizellen entsteht bereits in der Fetalzeit, während die Spermien erst ab der Pubertät kontinuierlich neu gebildet werden.
Stammzellen
Stammzellen sind gerade durch Fortschritte im Bereich der Forschung in den Fokus gerückt. Ihre Fähigkeit sich selbst zu erneuern und sich zu unterschiedlichen Zelltypen differenzieren zu können, macht sie zu einer der bedeutendsten Zellarten des Organismus. Neben den embryonalen Stammzellen gibt es die adulten Stammzellen, die jedoch bereits stärker differenziert sind.
- Definition: Stammzellen sind Zellen, die einerseits Kopien von sich selbst herstellen (und sich somit selbst erneuern), sich andererseits aber auch in spezialisierte Zellen differenzieren können
- Zellteilung
- Symmetrische Teilung: Selbstreproduktion → Beide entstandenen Zellen haben Stammzelleigenschaften
- Asymmetrische Teilung: Differenzierung → Es entsteht eine Zelle mit Stammzelleigenschaften und eine Vorläuferzelle mit differenzierten Eigenschaften
- Eigenschaften
- Omnipotenz (syn. Totipotenz): Fähigkeit einer Zelle, sich in jeden Zelltyp differenzieren zu können.
- Pluripotenz: Fähigkeit einer Zelle, sich in verschiedene, jedoch nicht mehr alle Zelltypen zu differenzieren.
- Einteilung
- Embryonale Stammzellen (ESCs)
- Herkunft: Aus der inneren Zellmasse im Blastozystenstadium gewonnen
- Differenzierungsgrad: Pluripotente Zellen, die sich nur noch in embryonale Körperzellen entwickeln können, nicht jedoch in Trophoblastenzellen
- Adulte Stammzellen
- Herkunft: Befinden sich in differenzierten Geweben mit hohem Erneuerungspotenzial (z.B. im Knochenmark)
- Differenzierungsgrad: Pluripotente Zellen, die Nachschub für regenerationsfähiges Gewebe liefern
- Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS)
- Herkunft /Differenzierungsgrad: Differenzierte Körperzellen, die durch künstliche Veränderung ihres Genoms wieder zu pluripotenten Zellen umgewandelt wurden und u.a. in der Forschung genutzt werden
- Embryonale Stammzellen (ESCs)
Stammzelltherapie
Stammzellenforschung steht oft kritisch in der Diskussion, da man an Stammzellen sehr gut Entwicklungsvorgänge erforschen könnte. Außerdem werden bereits adulte hämatopoetische Stammzellen zur Therapie von Leukämien oder anderen hämatoonkologischen Krankheitsbildern eingesetzt. Meist erfolgt zunächst eine Hochdosis-Chemotherapie, um die entarteten Zellen abzutöten. Im Anschluss kann zur Regeneration des Blut- und Immunsystems eine Transplantation von eigenen (autolog) oder fremden (allogen) Stammzellen erfolgen. Eine Besonderheit stellt die Therapie mit Stammzellen aus eigenem Nabelschnurblut (Umbilical Cord Blood Transplant) dar.
Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen (Teratologie)
Fehlbildungen sind die Folge embryonaler oder fetaler intrauteriner Entwicklungsstörungen. Sie sind sehr variabel ausgeprägt und können bereits bei der Geburt auffällig sein, oder aber sich erst im Laufe der Entwicklung manifestieren. Ebenso können die Veränderungen auf makroskopischer, mikroskopischer oder molekularbiologischer Ebene liegen und so ganz unterschiedlich in Erscheinung treten. Bei ca. 2-3% der Neugeborenen treten Fehlbildungen auf. Die Ursachen hierfür sind sehr unterschiedlich, es können sowohl exogene als auch endogene Faktoren ein Auftreten begünstigen. In über der Hälfte der Fälle ist die Ursache für angeborene Fehlbildungen unbekannt. In 20-25% der Fälle liegt wohl eine multifaktorielle Genese vor. Man unterscheidet je nach Entstehungszeitpunkt der Mutation verschiedene Erkrankungsformen:
- Gametopathien: Entstehen bereits präkonzeptionell bei der Bildung oder durch Schädigung der elterlichen Keimzellen (Gameten)
- Blastopathien: Störungen, die bis zum 14. Entwicklungstag auftreten
- Embryopathien: Störungen, die zwischen der 3. bis 8. Entwicklungswoche auftreten
- Fetopathien: Störung, die nach der 8. Entwicklungswoche auftreten
Je früher die Störung in der Kindsentwicklung, desto komplexer die Fehlbildungen!
Gametopathien
Bereits präkonzeptionell bei der Bildung oder durch Schädigung der elterlichen Keimzellen (Gameten) kann es zu schwerwiegenden DNA-Fehlern kommen. Die daraus entstehenden Krankheitsbilder sind meist schwerwiegend und werden als Gametopathie bezeichnet. Gametopathien lassen sich weiter in zwei verschiedene Arten von DNA-Schäden unterteilen: Chromosomenaberrationen und Genmutationen.
Chromosomenaberrationen
Chromosomenaberrationen sind Störungen, die die Anzahl oder die Struktur der Chromosomen betreffen. Sie sind in 6-7% der Fälle Ursache für eine angeborene Fehlbildung des Menschen.
- Numerische Chromosomenaberrationen
- Entstehen vor allem durch Non-disjunction bei der Mitose oder Meiose und führen zu einer Aneuploidie
- Keine Trennung der Chromatidenpaare, sodass es zu einer Zelle mit einem Chromosom zuviel (Trisomie) und einer Zelle mit einem Chromosom zu wenig (Monosomie) kommt
- Für nähere Informationen und klinische Beispiele siehe Chromosomenaberrationen
- Strukturelle Chromosomenaberrationen: Vor allem auf Chromosomenbrüche zurück zu führen. Besonders häufig kommt es zu einem Verlust von Chromosomenabschnitten (Deletion). Die Tabelle soll einen Überblick über typische Gametopathien durch Chromosomenschäden geben.
Defekt | Erkrankung | Symptome |
---|---|---|
Deletion des kurzen Arms von Chromosom 5 | Das Cri-du-chat-Syndrom (Katzenschreisyndrom) |
|
Mikrodeletion des langen Arms von Chromosom 22 |
| |
Mikrodeletion des langen Arms des Chromosom 15 in Kombination mit Genomic Imprinting | Deletion der mütterlichen Genkopie → Angelman-Syndrom |
|
Deletion der väterlichen Genkopie → Prader-Willi-Syndrom |
|
Genmutationen
Bei einer Genmutation liegt eine Schädigung einzelner Genloci mit Veränderung der Nukleotidsequenz der DNA vor. Sie kann spontan oder durch exogene Einflüsse entstehen. Genmutationen stellen in 7-8% der Fälle die Ursache für angeborene Fehlbildungen dar.
- Vererbungsmodus
- Autosomal-dominant/rezessiv
- Gonosomal (X-Chromosomal) dominant/rezessiv
Vererbungsmodus | Erkrankung | Symptomatik |
---|---|---|
Autosomal-dominant | Achondroplasie |
|
Marfan-Syndrom |
| |
Autosomal-rezessiv | Mukoviszidose |
|
Phenylketonurie |
| |
X-chromosomal dominant | Rett-Syndrom |
|
X-chromosomal rezessiv | Hämophilie A und B |
|
Blastopathien
Erkrankungen, die infolge von Störungen bis zum 14. Entwicklungstag auftreten, werden als Blastopathien bezeichnet.
- Fehlbildungen: Sehr komplexe Fehlbildungen mit Doppelbildungen, Fehlen von Körperteilen
- Hohes Fehlgeburtsrisiko
Doppelfehlbildungen (Siamesische Zwillinge, Pagi)
Doppelfehlbildungen entstehen durch unvollständige Separierung bei der Entstehung von eineiigen Zwillingen ab Tag 14 nach Befruchtung und stellen eine große medizinische Herausforderung dar. Die Verwachsung kann oberflächlich bestehen und nur die Haut oder Körperwand betreffen oder aber auch gemeinsame Organanlagen beinhalten. Nicht selten kommen Organfehlbildungen vor. Je nach Grad der Verwachsung ist die Trennung heutzutage möglich, jedoch ist die Operation sehr aufwendig und meist mit einem hohen Risiko für die Patienten verbunden. Doppelfehlbildungen lassen sich anhand ihrer Ausprägung oder auf Basis ihrer Verwachsungsstelle einteilen.
- Einteilung nach Ausprägung
- Komplette symmetrische Doppelfehlbildung: Beide Feten sind vollständig angelegt und an bestimmten Körperstellen miteinander verbunden
- Inkomplette symmetrische Doppelfehlbildung: Lediglich die obere oder untere Körperhälfte der Feten ist doppelt angelegt
- Asymmetrische parasitäre Doppelfehlbildung: Lediglich rudimentäres Überbleibsel einer Zwillingsanlage. Das weiter entwickelte Kind trägt das weniger entwickelte Kind am oder im Körper.
- Einteilung nach Verwachsungsstelle
- Craniopagus: Am Kopf verwachsen
- Thorakopagus: Am Brustkorb verwachsen
- Pygopagus: Am Kreuzbein verwachsen
Embryopathien
Embryopathien sind Erkrankungen durch Störungen, die zwischen der 3. und 8. Entwicklungswoche auftreten.
- Fehlbildungen: Komplexe Fehlbildungen einzelner Organe
- Ursache
- Medikamentös-toxisch, Drogen, Alkohol → Embryofetopathien durch Noxen
- Infektiös: Infektiöse Embryofetopathien und konnatale Infektionen können bei der Erkrankung seronegativer Mütter oder durch Kontakt zum Erreger während der Geburt auftreten
- Bedeutsame Erreger (siehe auch Embryofetopathien durch Infektionserreger)
- S für Syphilis
- T für Toxoplasmose
- O für Others: Listeriose, Varizellen, Parvovirus B-19
- R für Röteln
- C für Zytomegalievirus (CMV)
- H für Herpes simplex
- Bedeutsame Erreger (siehe auch Embryofetopathien durch Infektionserreger)
"STORCH"
Primärinfektion der Mutter in der Schwangerschaft → Mütterliche IgM-Antikörper sind nicht plazentagängig (und IgG-Antikörper noch nicht gebildet) → Diaplazentäre Infektion des Kindes! Allgemein gilt: Je früher die Infektion in der Schwangerschaft auftritt, desto schwerwiegender sind die Folgen!
Erreger | Fehlbildungen |
---|---|
Syphilis |
|
Toxoplasmose |
|
Others (Listeriose, Varizellen, Parvovirus B-19) |
|
Röteln |
|
Zytomegalievirus |
|
Herpes simplex |
|
Pharmakotherapie in der Schwangerschaft
Die medikamentöse Behandlung in der Schwangerschaft und Stillzeit stellt eine besondere Herausforderung für den behandelnden Arzt dar. Viele Medikamente sind Plazenta- oder Muttermilchgängig und können so das Kind schädigen.
Fetopathien
Fetopathien treten auf, wenn die Störung nach der 8. Entwicklungswoche eintritt. Sie sind meist milder ausgeprägt als Störungen in früheren Wochen.
- Fehlbildungen: Die Organanlage ist bis auf die ZNS-Entwicklung weitestgehend abgeschlossen. Die Schäden sind deswegen vor allem beim ZNS gravierend. Die anderen Organe sind weniger schwer betroffen
- Ursachen
- Infektiös: s.o.
- Antikörper: Rhesus-Inkompatibilität → Morbus haemolyticus neonatorum
- Stoffwechsel: Gestationsdiabetes
Morbus haemolyticus neonatorum
Beim Morbus haemolyticus neonatorum handelt es sich um eine verstärkte Hämolyse beim Fötus oder Neugeborenen, die in >95% der Fälle durch eine Rhesusinkompatibilität ausgelöst wird. Bildet also eine rhesus-negative Mutter sog. Anti-D-Antikörper gegen die Blutzellen eines rhesus-positiven Kindes, kann es in schweren Verlaufsformen bereits intrauterin zum Hydrops fetalis kommen. Da die Antikörperbildung erst gegen Ende der Schwangerschaft erfolgt, ist das erste Kind meist nicht betroffen. Erst bei einer zweiten Schwangerschaft mit einem rhesus-positivem Kind kommt es zu Symptomen. Postnatal zeigen betroffene Säuglinge eine Hämolyse-bedingte Anämie, die durch einen vermehrten Anfall von unkonjugiertem Bilirubin zu einem Icterus neonatorum führen kann. In seltenen Fällen ist bei stark erniedrigten Hb-Werten die Gabe von Erythrozytenkonzentraten notwendig. Da die Rhesusinkompatibilität zu einem vital bedrohlichen Hydrops fetalis mit Todesfolge führen kann, muss bei Rhesus-negativen Müttern eine Anti-D-Prophylaxe durchgeführt werden.
Gestationsdiabetes
Als Gestationsdiabetes beschreibt man eine erstmals während der Schwangerschaft aufgetretene oder diagnostizierte Glucose-Toleranzstörung. Während im 1. Trimenon eine erhöhte(!) Insulinsensitivität mit einer Neigung zu Hypoglykämien besteht, entwickelt sich im 2. und 3. Trimenon hormonell bedingt eine zunehmende Insulinresistenz mit einem erhöhten Diabetesrisiko. Folgen des Gestationsdiabetes für die Mutter sind u.a. ein erhöhtes Risiko für Gestosen, Harnwegsinfekte, vermehrtes Fruchtwasser und ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko. Die betroffenen Kinder können eine Fetopathia diabetica mit Makrosomie und postnatalen Regulationsstörungen entwickeln. Auch das Fehlbildungsrisiko ist erhöht. Gravierendste Komplikation ist die kaudale Regression, bei der es zu einer Aplasie oder Hypoplasie des Steißbeins und der Lendenwirbelsäule kommen kann. Aufgrund der schwerwiegenden Komplikationen für Mutter und Kind bei einem unerkannten Gestationsdiabetes sollte bei jeder Schwangeren in der 24-28. Schwangerschaftswoche ein abgeschwächter oraler Glucosetoleranztest durchgeführt werden. In den meisten Fällen verschwindet diese Form des Diabetes mellitus nach der Geburt wieder.
Kritische Phasen der Organentwicklung
Da sich die verschiedenen Teile, Gewebe und Organe des Menschen zu unterschiedlichen Zeiten in der Pränatalperiode entwickeln, gibt es für jede Struktur auch eine eigene Phase, in der die Entwicklung besonders störanfällig ist. Während eine Störung in den ersten zwei Entwicklungswochen eher zum Abort führt, wirken sich solche in den darauffolgenden Wochen insbesondere auf die in dieser Zeit entstehenden oder reifenden Organe aus. Von einer Störung in der dritten Entwicklungswoche sind daher z.B. vorwiegend ZNS und Herz betroffen.
Molekularbiologie der Entwicklung
Durch verschiedene Faktoren, Signalmoleküle und Hormone wird die Embryonalentwicklung gesteuert. Um ein grobes Verständnis zu erlangen, sollen hier kurz die wichtigsten Begriffe genannt werden:
Subgruppe/Bestandteile | Funktion | ||
---|---|---|---|
Transkriptionsfaktoren | Homöobox-Proteine (=Hox-Proteine)
|
|
|
Paxproteine
|
| ||
Zinkfinger-Proteine |
| ||
Helix-loop-helix-Proteine |
| ||
Testisdeterminierender Faktor (TDF)
|
| ||
Wachstumsfaktoren | TGFβ -Familie |
| |
EGF -Familie |
| ||
FGF -Familie |
| ||
IGF -Familie |
| ||
NGF -Familie |
| ||
Hedgehogs |
| ||
Wnt |
| ||
Zelladhäsionsmoleküle | Immunglobulin-Superfamilie (z.B. N-CAM) |
| |
Zelladhäsionsmoleküle | E-Cadherin |
| |
Zelladhäsionsmoleküle | Integrine |
| |
Interzelluläre Kanäle | Nexus (Gap junctions) |
| |
Extrazellulärmatrix |
| ||
Entwicklungsrelevante Hormone | Androgene (Testosteron) |
| |
Thyroxin |
|
Wiederholungsfragen zum Kapitel Grundlagen der Embryologie
Meiose
Wann findet die Replikation der DNA statt?
Wieso wird die Meiose I auch Reduktionsteilung genannt?
Die Prophase I der Meiose I wird in weitere Stadien unterteilt. Nenne sie jeweils mit einer kurzen Erklärung der stattfindenden Prozesse!
In welcher Phase der Meiose I erfolgt die Teilung der Mutterzelle in zwei Tochterzellen?
Wie unterscheidet sich das Crossing-over von Geschlechtschromosomen (Gonosomen) von dem der autosomen Chromosomen?
Welche Ursache haben numerische Chromosomenaberrationen?
Stammzellen
Wie unterscheiden sich asymmetrische von symmetrischen Stammzellen?
Was sind induzierte pluripotente Stammzellen?
Molekularbiologie der Entwicklung
Welche Funktion haben Transkriptionsfaktoren? Welche Transkriptionsfaktoren kennst du?
Welche Funktion hat E-Cadherin und wo kommt es vor?
Eine Sammlung von allgemeineren und offeneren Fragen zu den verschiedenen prüfungsrelevanten Themen findest du im Kapitel Beispielfragen aus dem mündlichen Physikum.
Meditricks
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Embryologie
Meiose
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