Zusammenfassung![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Systemische Veränderungen im Rahmen einer Arteriosklerose betreffen neben den peripheren Gefäßen (pAVK), Herzkranz- (KHK) und Hirngefäßen auch Arterien des Bauchraums. Bei Einengung der Mesenterialgefäße kommt es typischerweise im Anschluss an die Nahrungsaufnahme zu rezidivierenden dumpfen Bauchschmerzen, da die dann benötigte erhöhte Blutzufuhr nicht gewährleistet werden kann. Durch Fortschreiten des chronischen Verschlusses und/oder akute thromboembolische Ereignisse (meist kardialer Genese) kann zudem eine akute Mesenterialischämie entstehen.
Die akute Mesenterialischämie ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild mit einem typischen stadienhaften Verlauf: Im etwa 6 h andauernden Initialstadium treten stärkste (ischämiebedingte) Abdominalschmerzen auf, an die sich eine meist symptomarme Phase mit Absterben des Darms und Durchwanderungsperitonitis anschließt. Diese Phase wird auch „fauler Frieden“ genannt. Im Spätstadium (>12 h) entwickelt sich dann ein akutes Abdomen mit stärksten Schmerzen, blutigen Durchfällen und paralytischem Ileus.
Diagnostisch steht die bildgebende Darstellung der Stenose oder des Verschlusses im Vordergrund – idealerweise mittels CT-Angiografie. Aufgrund der anatomischen Verhältnisse ist meist die A. mesenterica superior betroffen. Laborchemisch gibt es im Frühstadium keine verlässlichen Parameter, erst später steigen Entzündungswerte oder Parameter des Zelluntergangs an.
Die Therapie des chronischen Mesenterialarterienverschlusses besteht zum einen in einer schonenden Diät, zum anderen kann eine interventionelle oder operative Revaskularisationstherapie indiziert sein (z.B. PTA oder Bypass-OP). Bei der akuten Mesenterialischämie hingegen ist ein schnelles Vorgehen indiziert, da die Ischämietoleranz des Darms nur bei etwa 6 h liegt. Ein Verdacht sollte also zügig durch bildgebende Verfahren bestätigt oder ausgeschlossen werden. Eine akute Mesenterialischämie stellt eine absolute Notfallindikation für die interventionelle bzw. operative Therapie dar und hat selbst bei schneller Versorgung eine schlechte Prognose.
Epidemiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Mesenteriale Ischämie [1]
- Insg. steigende Fallzahlen durch höhere Lebenserwartung und steigende Zahl an Bildgebungen
- Ursächlich in ca. 1% der Fälle eines akuten Abdomens [2]
- Akuter Mesenterialarterienverschluss [3][4][5]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Anatomische und physiologische Grundlagen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Mesenteriale Gefäßversorgung [1][8]
Hauptarterien
- Truncus coeliacus
- Pankreas, Magen, Milz (über A. splenica)
- Magen, Duodenum, Leber, Gallenblase, Pankreas und Omentum majus (über A. hepatica communis)
- Ösophagus, Magen (über A. gastrica sinistra)
- A. mesenterica superior
- Duodenum, Pankreaskopf (über A. pancreaticoduodenalis inferior)
- Jejunum und Ileum (über Aa. jejunales und Aa. ileales)
- Zäkum, Appendix vermiformis (über A. ileocolica)
- Colon ascendens (über A. colica dextra)
- Colon transversum (über A. colica media)
- A. mesenterica inferior
- Colon descendens (über A. colica sinistra)
- Colon sigmoideum (über Aa. sigmoideae)
- Oberes Rektum (über A. rectalis superior)
Wichtige Anastomosen [1][8][9]
- Pankreatikoduodenale Arkaden
- Gefäße: Aa. pancreaticoduodenales
- Verbindung von Truncus coeliacus und A. mesenterica superior
- Riolan-Anastomose
- Gefäße: A. colica media und A. colica sinistra
- Verbindung von A. mesenterica superior und inferior
- Sudeck-Anastomose
- Gefäße: A. rectalis superior und A. rectalis media
- Verbindung von A. mesenterica inferior und A. iliaca interna
- Bühler-Anastomose
- Gefäße: Persistierende Embryonalgefäße
- Verbindung: Truncus coeliacus und proximale A. mesenterica superior
- Mikrozirkulation [9]
- Darmarterien → Vasa recta → Submuköser Gefäßplexus → Arteriolen in den Zotten → Kapillaren des Schleimhautepithels
- Hoher Energiebedarf der Schleimhaut durch Absorption und Resorption
Alle unpaarigen Gefäßabgänge der Aorta abdominalis bilden Anastomosen untereinander aus, die die Organperfusion bei Verschluss eines Gefäßes aufrechterhalten. Diese Anastomosen sind primär eher kleine Gefäße, können aber bei chronischen Verschlussprozessen eines Gefäßabgangs ihren Durchmesser anpassen. So entsteht eine Kollateralversorgung, die bis zu 70–80% der Durchblutung der Hauptgefäße erreichen können!
Physiologische Grundlagen [3]
- Hoher Stoffwechsel abdomineller Organe
- Großer Anteil am HZV (ca. 20% ) im Magen-Darm-Trakt
- Venöser Blutpool im Magen-Darm-Trakt
- Abhängigkeit der Darmperfusion vom Blutdruck
- Ischämietoleranz
Die Ischämietoleranz des Dünndarms beträgt ca. 6 h!
Ätiologie und Pathophysiologie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Chronischer Mesenterialarterienverschluss [4][8]
- Typische Ursache: Mesenteriale Arteriosklerose (98% der Fälle) [10]
- Langsame Stenosierung der Mesenterialgefäße
- Kompensation durch Kollateralisierung möglich
- Pathophysiologie: Minderdurchblutung durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren (Dekompensation)
- Postprandiale Steigerung der Durchblutung bei Dehnung des Darms → Strömungswiderstand ↑ → Minderperfusion → Schmerzattacken bzw. Angina abdominalis
- Fortschreitende Stenose bzw. mehrere Gefäßstenosen → Ischämische Kolitis
- Akuter thrombotischer Verschluss → Akute Mesenterialischämie
- Risikofaktoren
- Allgemeine Risikofaktoren für die Entstehung einer Arteriosklerose
- Spezielle Risikofaktoren für eine Dekompensation [1]
- Alter >60 Jahre
- Darmparalyse über längere Zeit
- A. mesenterica superior betroffen
- Dialysepflichtige Niereninsuffizienz
Die mesenteriale Arteriosklerose zeigt eine rasche Progredienz und kann durch sekundäre Thrombosierung zu einem Akutgeschehen werden!
Akuter Mesenterialarterienverschluss [2][3][4][11]
Akuter embolischer Verschluss
- Typische Ursache: Embolus aus dem linken Herzen (90% der Fälle) [12]
- Akuter arterieller Gefäßverschluss
- Keine Kompensation durch Kollateralisierung möglich
- Typische Lokalisation: Stromgebiet der A. mesenterica superior (85–90% der Fälle) [5]
- Weitere Lokalisationen
- Stromgebiet des Truncus coeliacus (selten)
- Stromgebiet der A. mesenterica inferior (sehr selten) [5]
- Pathophysiologie: Fehlende Kollateralisierung für Endstrombahngebiete → Akute Mesenterialischämie
- Risikofaktoren
- Herzrhythmusstörungen (insb. Vorhofflimmern mit absoluter Arrhythmie)
- Herzklappenfehler
- KHK, Z.n. Myokardinfarkt, Kardiomyopathie
- Herzinsuffizienz
- Arterielle Hypertonie
- Aneurysma des linken Ventrikels
- Z.n. vorangegangenen Embolien [7]
Der embolische Gefäßverschluss der A. mesenterica superior ist die häufigste Ursache für eine akute Mesenterialischämie!
Durch den akuten Verschluss ist eine Versorgung über Kollateralen in den Endstrombahngebieten nicht gewährleistet!
Akuter thrombotischer Verschluss [4]
- Typische Ursache: Thrombosierung bei vorbestehendem chronischen Mesenterialarterienverschluss [7][13]
- Akuter arterieller Gefäßverschluss
- Potenziell bessere Kompensationsmöglichkeit als bei Embolie
- Pathophysiologie: Fehlende Kollateralisierung für Endstrombahngebiete → Akute Mesenterialischämie
- Risikofaktoren
- Akute oder chronische Endothelschädigung
- Angeborene oder erworbene Thrombophilie
Bei vorbestehender mesenterialer Arteriosklerose kann ein akuter thrombotischer Verschluss bei guter Gefäßkollateralisierung ggf. (teil)kompensiert werden!
Weitere Ursachen [1][14]
- Aneurysma/Dissektion der Aorta oder Viszeralarterien
- Arteriitis (Panarteriitis nodosa, Takayasu-Arteriitis, Aortitis) [1]
- Embryonale Entwicklungsstörungen [1]
Akute nicht-okklusive Perfusionsstörung [2][4][5]
- Typische Ursache: HZV↓ und/oder mesenteriale Vasokonstriktion
- Pathophysiologie: Unzureichender Perfusionsdruck → Reaktiver Vasospasmus → Nicht-okklusive Mesenterialischämie (NOMI)
- Risikofaktoren
- Herzinsuffizienz
- Tachyarrhythmie
- Hypovolämie
- Herzchirurgische Eingriffe mit HLM
- Katecholamingabe (insb. bei hoher Dosierung)
- Abdominelles Kompartmentsyndrom [7]
- Einnahme von Digitalis oder Ergotamin
- Phäochromozytom
Mesenterialvenenthrombose (MVT) [4][7][15]
- Typische Ursache: Angeborene oder erworbene Thrombophilie [7]
- Akuter venöser Gefäßverschluss
- Kompensation durch Kollateralisierung nur begrenzt möglich
- Pathophysiologie: Venöse Stauung → Ödembildung → Beeinträchtigung der mesenterialen Mikroperfusion → Ischämie [15]
- Risikofaktoren
- Genetische Prädisposition
- Portale Hypertension
- Pankreatitis
- Einnahme oraler Kontrazeptiva bzw. Östrogene
- Z.n. chirurgischem Trauma
- Z.n. tiefer Beinvenenthrombose
- Siehe auch: Risikofaktoren der TVT
Symptomatik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Chronische Mesenterialischämie [1][5][16][10]
Stadieneinteilung der chronischen Mesenterialischämie | |
---|---|
Stadium | Symptomatik |
I |
|
II |
|
III |
|
IV |
|
Leitsymptom der chronischen arteriellen Mesenterialischämie ist die auch als Claudicatio intermittens abdominalis bezeichnete Angina abdominalis!
Die akute Mesenterialischämie kann auch das Endstadium eines chronischen Mesenterialarterienverschlusses sein!
Akute Mesenterialischämie [2][4][5][15][17]
Stadieneinteilung der akuten Mesenterialischämie | ||
---|---|---|
Stadium | Symptomatik | Untersuchungsbefund |
Initialstadium (0–6 h) |
|
|
Latenzstadium (6–12 h) |
|
|
Spätstadium (>12 h) |
|
|
Besonderheiten der Symptomatik je nach Ätiologie
- Embolische arterielle Verschlüsse: Symptomatik abhängig vom betroffenen Gefäß
- Truncus coeliacus: Häufig asymptomatisch
- A. mesenterica superior: Ausgeprägtes Ischämiesyndrom mit Verlauf in Stadien
- A. mesenterica inferior: Häufig asymptomatisch
- Thrombotische arterielle Verschlüsse: Symptomatik abhängig von vorbestehender Arteriosklerose und Kollateralisierung
- Schleichender Beginn mit postprandialen Schmerzen und Abneigung vor dem Essen
- Diarrhö, Gewichtsverlust, Anorexie
- Nicht-okklusive Perfusionsstörung
- Häufig schleichender Beginn der Schmerzen
- Sepsiszeichen
- Aufgetriebenes Abdomen
- Thrombotische venöse Verschlüsse: Symptomatik abhängig vom Ausmaß der Thrombose
- Eher unspezifische Abdominalschmerzen, ähnlich einer chronischen Mesenterialarterienischämie
- Fieber
- Distension des Abdomens
- Übelkeit, Erbrechen
- Blutige Stühle
Die Trias aus Abdominalschmerz, Leukozytose und kardialer Vorerkrankung muss an eine akute Mesenterialischämie denken lassen! [5]
Bei Erstvorstellung ist die direkte Zuordnung der Symptomatik zu einem der drei Stadien häufig schwierig, was die weitere Diagnostik und Therapie aber nicht verzögern sollte!
Diagnostik![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Anamnese [3]
- Symptomverlauf
- Vorangegangene Episoden postprandialer Abdominalschmerzen
- Hämatemesis bzw. Hämatochezie
- Vorhandene Prädispositionen
- Risikofaktoren der Arteriosklerose: Bspw. Hypertonie, Nikotinabusus, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie
- Risikofaktoren für Thromboembolien: KHK, Vorhofflimmern (absolute Arrhythmie, ggf. auffällig im EKG bei Aufnahme)
- Risikofaktoren für Gefäßspasmen: Digitalis-/Ergotamineinnahme
Die Kombination aus akuten Abdominalschmerzen und Herzrhythmusstörungen sollte an eine akute Mesenterialischämie denken lassen!
Körperliche Untersuchung [3]
- Allgemein: Blässe, erhöhte Körpertemperatur
- Auskultation des Abdomens
- Evtl. pulssynchrones Stenosegeräusch im Epigastrium
- Fehlende Darmgeräusche aufgrund eines paralytischen Ileus („Totenstille“)
- Palpation: Abwehrspannung des Abdomens bei Peritonitis
- Digital-rektale Untersuchung: Blut am Fingerling bzw. Hämatochezie
- Siehe auch: Stadieneinteilung der akuten Mesenterialischämie
Bei Anzeichen einer Kreislaufinstabilität muss die Diagnostik so kurz wie möglich sein, um die Therapiemaßnahmen nicht zu verzögern!
Die Ischämietoleranz des Dünndarms beträgt ca. 6 h, weshalb bis zur Diagnosestellung nicht viel Zeit vergehen sollte!
Laboruntersuchungen
Laboruntersuchungen bei V.a. mesenteriale Ischämie | |
---|---|
Untersuchung | Mögliche Befunde |
Entzündungsparameter |
|
Ischämieparameter | |
Gerinnungsdiagnostik |
|
Leberwerte |
|
Blutgasanalyse |
|
Es gibt keine spezifischen Laborparameter für den Verschluss von Mesenterialgefäßen, sondern nur Zeichen einer fortgeschrittenen Barrierestörung! [4]
Bei akuter mesenterialer Ischämie sollten zusätzlich so früh wie möglich Blutkulturen abgenommen werden! [7]
Apparative und interventionelle Diagnostik [2][4][11]
Bei V.a. eine chronische Mesenterialischämie
- Sonografie [2][4]
- Durchführung
- Sonografie des Abdomens
- Farbduplexsonografie
- Mögliche Befunde , insb. bei ischämischer Kolitis
- Freie Flüssigkeit im Abdomen
- Darmwandödem bzw. aufgehobene Wandschichtung
- Motilitätsstörung
- Distendierte Darmschlingen
- Fehlende Doppler-Signale als Zeichen von Gefäßabgangsstenosen
- Durchführung
- Endoskopie
- Durchführung: Koloskopie (und ergänzende Angiografie!), ggf. auch Gastroduodenoskopie [18]
- Mögliche Befunde (als Hinweis auf eine ischämische Kolitis)
- Schleimhaut: Blass, ödematös
- Gefäßzeichnung aufgehoben
- Ulzera mit livide verfärbter Umgebung und Fibrinbelag
- Computertomografie bzw. CT-Arteriografie [18]
Bei Stenosen >70% im Bereich des Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior oder bei einer Stenose >70% in einem der beiden Bereiche mit entsprechender Symptomatik kann die Diagnose einer chronischen Mesenterialischämie gestellt werden! [18]
Bei V.a. akute Mesenterialischämie
Explorative Laparotomie
- Indikation: Akute Mesenterialischämie mit Peritonitis oder beginnendem Schock [11]
- Durchführung: Mediane Laparotomie mit Inspektion des gesamten Bauchraums
- Beurteilung von Peristaltik, Farbe und Pulsationen im Mesenterium
- Ggf. Farbduplexsonografie
- Ggf. Fluorescein-Injektion und Beurteilung der Perfusion unter UV-Licht
- Siehe auch: Chirurgische Therapie bei akuter Mesenterialischämie
- Mögliche Befunde
- Bei Mesenterialarterienverschluss: Darmischämie mit Verfärbungen bzw. Nekrosen der Darmwand , Peritonitis
- Bei NOMI: Ggf. keine Pathologien erkennbar oder Darmischämie
- Bei Mesenterialvenenthrombose: Venöse Stauung (ödematöse Darmwand), blutiger Aszites, ggf. Darmischämie [19]
Bei V.a. eine akute Mesenterialischämie ist eine zügige Gefäßdarstellung entscheidend! Bei Peritonitis oder Schockgefahr kann jedoch auch eine Notfall-OP ohne apparative Diagnostik notwendig sein!
Angio-CT von Aorta und Intestinalgefäßen
- Indikationen: Goldstandard bei V.a. akuten Gefäßverschluss
- Durchführung: Biphasisch mit i.v. Kontrastmittel (auch bei eingeschränkter Nierenfunktion) [7]
- Mögliche Befunde
- Zeichen der Darmischämie
- Darmschlingen: Dilatation, Kalibersprung, vermindertes KM-Enhancement
- Darmwand: Verdickung, Ödem, Pneumatosis intestinalis
- Portalvenöse Gefäße: Gasembolie
- Aszites
- Nachweis von Gefäßstenosen
- Mesenterialarterien: Stenosen oder Verschluss, bei NOMI ggf. Gefäßspasmen bzw. Wurstkettenzeichen
- Mesenterialvenen: Thrombosen und/oder venöse Stauung, ggf. schießscheibenartige Darstellung der V. mesenterica superior
- Sonstiges
- Gefäßverläufe und -varianten
- Nebenbefunde
- Zeichen der Darmischämie
- Vorteile: Hohe Sensitivität (96%) und Spezifität (94%)
- Nachteil: Strahlenbelastung
Katheterangiografie [4]
- Indikationen: Option der direkten interventionellen Therapie, fehlende Verfügbarkeit eines Angio-CT
- Durchführung siehe: DSA
- Mögliche Befunde: Gefäßstenosen
- Vorteil: Direkte interventionelle Therapie möglich (bspw. PTA)
- Nachteil: Ggf. Verzögerung weiterer Therapiemaßnahmen, Komplikationen einer invasiven Diagnostik (z.B. Blutung, Fistelbildung) [4]
Weitere Bildgebung [3][4]
- Abdomenübersichtsaufnahme: Nicht empfohlen, aber häufig initiale Bildgebung bei akutem Abdomen
- Indikation: Ausschluss freier Luft
- Durchführung: Röntgen im Stehen oder in Linksseitenlage
- Mögliche Befunde
- Erweiterte Dünndarmschlingen mit Luft-Flüssigkeits-Spiegeln
- Ggf. intramurale Lufteinschlüsse
- Ggf. freie intraperitoneale Luft
- Angio-MRT [4]
- Indikation: Mesenterialarterienverschluss bei bekannter chronischer Nierenfunktionsstörung
- Durchführung: Angio-MRT mit i.v. Kontrastmittel (Gadolinium)
- Mögliche Befunde: Gefäßstenosen
- Vorteil: Keine Strahlenbelastung
- Nachteile: Niedrigere Auflösung als CT, lange Messzeiten, ggf. Artefakte durch bereits vorhandene Stents
Differenzialdiagnosen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- Entzündliche Veränderungen im Sinne einer Kolitis
- Andere Ursachen eines akuten Abdomens, bspw. [11]
- Perforation eines Hohlorgans
- (Mechanischer) Ileus
- Intraabdominelle Entzündungen (bspw. Appendizitis, Pankreatitis)
- Myokardinfarkt
- Aortenaneurysma [4]
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Chronische Mesenterialischämie [4][8][10][18]
Konservative Therapie
- Indikationen
- Asymptomatische Verschlussprozesse
- Begleitend bei symptomatischen Verschlussprozessen
- Palliative Situation oder Patientenwunsch
- Vorgehen
- Kardiovaskuläre Prävention
- Bei Angina abdominalis: Diät (häufige kleine Mahlzeiten, ballaststoffarme Kost)
- Regelmäßige Kontrollen
Eine parenterale Ernährung stellt keine akzeptable Alternative zur zeitnahen Revaskularisierung dar! [18]
Interventionelle Therapie
- Indikation: Symptomatische Verschlussprozesse
- Voraussetzung: Gründliche Gefäßdiagnostik (CT-, MR- oder konventionelle Angiografie)
- Vorgehen: Aufdehnung mittels PTA und Stentimplantation
- Nachsorge
- Sensibilisierung für das Wiederauftreten von Symptomen
- Postinterventionelle Kontrolle mittels Duplexsonografie
- Duale Thrombozytenaggregationshemmung für 3–12 Monate
Operative Therapie [18]
- Indikationen
- Symptomatische Verschlussprozesse (Angina abdominalis, ischämische Kolitis)
- Individuelle Indikationsstellung bei hochgradigen asymptomatischen Verschlussprozessen
- Z.n. erfolgloser interventioneller Therapie
- Voraussetzung: Gründliche Gefäßdiagnostik, auch zum Ausschluss anderer Ursachen der Symptome
- Vorgehen: Elektive operative Revaskularisation
- Thrombendarteriektomie, ggf. mit Patchplastik der Gefäßwand
- Bypassanlage
- Antegrad bzw. aortomesenterial
- Retrograd bzw. aorto-/iliakomesenterial
- Replantation in Aorta
- Bei Aneurysma: Revaskularisierung im Rahmen der Aneurysmaversorgung
Akute Mesenterialischämie
Die akute Mesenterialischämie ist ein Notfall! Die rasche Wiederherstellung der mesenterialen Durchblutung ist die einzige kausale Therapie! [8]
Konservative Therapie [17][19]
- Indikationen
- Palliative Situation bzw. Ausmaß der Darmschädigung nicht mit dem Leben vereinbar
- Weit periphere Embolie mit diskreter Symptomatik
- Patientenwunsch
- Vorgehen
- Schmerztherapie
- Nahrungskarenz mit Infusions-/Ernährungstherapie
- Ggf. Anregung der Darmperistaltik
- Sicherstellen einer hämodynamisch stabilen Kreislaufsituation
- Antibiotische Therapie bei sekundärer Peritonitis
- Therapeutische Antikoagulation
- Ggf. Prostaglandine zur Vasodilatation
Im Aufklärungsgespräch sollte unbedingt auch die Limitierung der Therapie angesprochen werden, da ein palliatives Vorgehen ab einem gewissen Ausmaß der Darminfarzierung sinnvoll bzw. notwendig sein kann!
Interventionelle Therapie [1][2][15]
- Allgemeine Indikation: Akute Mesenterialgefäßverschlüsse ohne Peritonitis oder Darmwandnekrose
- Durchführung
- Entfernung des Embolus oder Thrombus: Mechanisch mittels Katheter oder als lokale Fibrinolyse
- Aspirationsembolektomie: Angiografisch gesteuerte Bergung des Embolus/Thrombus mittels spezieller Katheter über transfemoralen Zugang
- Lokale Fibrinolyse: Passage des Embolus/Thrombus mit dem Führungsdraht → Einführen eines Katheters über den Führungsdraht → lokale Verabreichung von rt-PA
- Rekanalisierung bzw. Verringerung der Stenose: Perkutane transluminale Angioplastie mit Stentimplantation
- Entfernung des Embolus oder Thrombus: Mechanisch mittels Katheter oder als lokale Fibrinolyse
Bei einer arteriellen Thrombose ist im Gegensatz zur Embolie neben der Entfernung des Blutgerinnsels auch eine Behandlung der Gefäßwand notwendig!
Chirurgische Therapie [3][4][8][20][21]
- Indikationen
- Langstreckiger Verschluss der A. mesenterica superior bzw. Beteiligung der Aorta
- Interventionelle Verfahren erfolglos oder nicht verfügbar
- Peritonitis
- Kritischer Allgemeinzustand, Schocksymptome
- Akute Darmischämie oder Darmwandnekrose
- Durchführung
- Revaskularisierung: Katheterembolektomie bzw. Thrombektomie , Bypassanlage oder direkte Gefäßreimplantation in die Aorta
- Resektion avitaler und nicht-revitalisierbarer Darmabschnitte
- Rekonstruktion (Anastomose)
- Reevaluation: Second Look nach 12–24 h zur Beurteilung der Vitalität
- Siehe auch: Chirurgische Therapie bei Mesenterialischämie
Therapiebegleitende intensivmedizinische Behandlung [2][3][7][14][21]
- Stabilisierung der Vitalparameter
- Intravasale Flüssigkeitssubstitution
- Optimierung der Oxygenierung
- Medikamentöse Kreislaufstabilisierung [7]
- Ggf. Transfusion bei Anämie, siehe: Indikationsstellung zur EK-Transfusion
- Elektrolytausgleich (bspw. bei Hyperkaliämie oder Azidose)
- Anlage einer nasogastralen Sonde
- Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin
- Antibiotikagabe [7]
- Bereits bei klinischem V.a. eine Peritonitis
- Siehe: Antibiotische Therapie bei sekundärer Peritonitis
- Sicherstellung einer adäquaten Analgesie
- Beginn der kardiovaskulären Prävention [6]
NOMI [4][7][14]
- Allgemein: Beseitigung der Ursache(n)
- Konservative Therapie
- Flüssigkeitsgabe
- Ggf. Transfusion bei Anämie, siehe: Indikationsstellung zur EK-Transfusion
- Optimierung des kardialen Auswurfs
- Ggf. Ausgleich von Störungen des Säure-Basen-Haushalts
- Interventionelle Therapie: Intraarterielle Gabe vasodilatatorischer Substanzen (bspw. Papaverin, Prostaglandin E1)
- Operative Therapie
- Indiziert bei Peritonitis
- Siehe: Chirurgische Therapie bei Mesenterialischämie
Mesenterialvenenthrombose [2][7]
- Konservative Therapie
- Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin
- Ggf. systemische Thrombolyse [7]
- Bei septischer Thrombose: Systemische Antibiotikagabe
- Interventionelle Therapie
- Portalvenöse Rekanalisation
- Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS)
- Operative Therapie
- Indiziert bei Peritonitis oder Ausbleiben einer Verbesserung nach Antikoagulation
- Siehe: Chirurgische Therapie bei Mesenterialischämie
Chirurgische Therapie bei Mesenterialischämie![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Vorbereitung [1][14]
- Lagerung
- Rückenlage, ggf. mit Auslagerung der Arme
- Ggf. untere Extremitäten für den Fall einer Venenentnahme vorbereiten .
- Zugang: Mediane Laparotomie
Operatives Vorgehen [1][14][21]
Operabilität klären [6][17]
- Betroffenes Gefäß darstellen
- Zugang zum Truncus coeliacus: Bursa omentalis eröffnen, linken Leberlappen nach rechts mobilisieren, A. hepatica communis darstellen, Lig. arcuatum und Teile des Zwerchfells durchtrennen
- Zugänge zur A. mesenterica superior
- Suprakolisch: Bursa omentalis eröffnen
- Infrakolisch: Colon transversum nach kranial mobilisieren, präaortales Retroperitoneum abspalten
- Transmesenterial: Mesenterium spalten
- Zugang zur A. mesenterica inferior: Retroperitoneum spalten
- Ischämieausmaß abschätzen
- Vier-Quadranten-Inspektion
- Klar nekrotische Darmanteile identifizieren
- Pulsationen am Mesenterium tasten und ggf. Blutfluss nachweisen (weitere Diagnostik)
- Abschließende Beurteilung: Revaskularisierungsmöglichkeiten, notwendiges Resektionsausmaß, ggf. palliative Überlegungen [6][17]
Wiederherstellung der mesenterialen Durchblutung [4][6][7][8][15]
- Ziel: Revaskularisierung möglichst großer Darmabschnitte
- Prinzipien
Verfahren zur Rekanalisierung
- Offene Embolektomie
- Anteriore Präparation
- Systemische Heparinisierung
- Arteriotomie
- Embolektomie mittels Fogarty-Katheter
- Ggf. thrombolytische Injektion, bspw. von rt-PA
- Gefäßverschluss, ggf. mit Patch-Plastik
- Intraoperative transluminale Angioplastie (ITA)
- Katheter einführen
- Transmesenterial bei Verschluss der A. mesenterica superior
- Transhepatisch bei Verschluss des Truncus coeliacus
- Embolektomie mittels Fogarty-Katheter
- Angioplastie
- Retrograde offene mesenteriale Ballondilatation und Stentimplantation (ROMS)
- Kombinierte antegrade und retrograde Stentangioplastie
- Ggf. Gefäßverschluss
- Katheter einführen
Verfahren zur Umgehung der Stenose
- Aortomesenterialer Bypass
- Material auswählen
- Autolog (V. saphena magna)
- Xenogen (bovines Perikard)
- Alloplastisch (6–8 mm Dacron oder Polytetrafluorethylen)
- Retroperitonealraum lateral der Aorta eröffnen
- Bypass anlegen
- Antegrader Bypass: Verläuft bspw. von der Aorta (oberhalb des Truncus coeliacus) zur A. mesenterica superior
- Retrograder Bypass: Verläuft bspw. von der infrarenalen Aorta oder A. iliaca communis „rückwärts“ zur A. mesenterica superior (sog. Lazy-C-Konfiguration)
- Material auswählen
- Direkte Reimplantation der Arterie in die Aorta
Resektion des Darms
- Zeitpunkt: Nach Wiederherstellung der Perfusion
- Resektionsausmaß abhängig von
- Ischämiedauer
- Beurteilung avitaler und nicht-revitalisierbarer Darmabschnitte
- Ggf. Diagnostik zum Nachweis von Blutfluss
- Durchführung: Mesenteriumsparend resezieren, um möglichst viele Gefäßarkaden zu erhalten
Rekonstruktion (Wiederherstellung der Darmpassage) [6]
- Mögliche Formen der Rekonstruktion (Voraussetzung: Keine Peritonitis)
-
End-zu-End-Anastomose, ggf. auch Seit-zu-Seit-Anastomose
- Nach Anlegen der Anastomose: Länge des verbliebenen Dünndarms messen und auf iatrogene Darmschäden kontrollieren [2]
- Anschließend Perfusion kritisch kontrollieren
- Stomaanlage
-
End-zu-End-Anastomose, ggf. auch Seit-zu-Seit-Anastomose
- Damage Control Surgery (bei Peritonitis oder abdominellem Kompartmentsyndrom )
- Keine Anlage von Anastomosen oder Stomata
- Kein primärer Laparotomieverschluss
- Laparostoma
Reevaluation [6]
- Second-Look-OP
- Großzügige Indikation, insb. nach offener Rekanalisierung, Bypass-Anlage oder Laparostoma
- Zeitpunkt: Innerhalb von 12–48 h
- Durchführung: Relaparotomie zur Beurteilung der Vitalität und evtl. weiterer Resektionen
- Third-Look-OP
- Indikation: Je nach Befund der Second-Look-OP
- Zeitpunkt und Durchführung: Individuell, je nach Vorbefund
Weitere Therapie [7][21]
- Sekundärprophylaxe
- Thrombozytenaggregationshemmung
- Meist lebenslange Einnahme von ASS
- Nach Stentimplantation: 6 Monate Clopidogrel
- Therapie der arteriellen Hypertonie
- Therapie eines Diabetes mellitus
- Lipidsenkung zur kardiovaskulären Prävention
- Siehe auch: Lebensstilveränderungen zur kardiovaskulären Prävention
- Thrombozytenaggregationshemmung
- Nachsorge
- Duplexsonografie innerhalb von 6 Monaten nach dem Eingriff
- Ggf. CT (individuelle Indikationsstellung)
Komplikationen![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Allgemeine Komplikationen der Mesenterialischämie
Komplikationen der interventionellen Therapie [8]
- Restenosierung
- Thrombusverschleppung und Embolisation
- Gefäßperforation
- Dislokation des Stents
- Thrombosierung des Stents
- Dissektion von Gefäßen
Komplikationen der operativen Revaskularisierung [1][4][8]
- Gefäßverschluss (insb. der Rekonstruktion)
- Thromboembolie
- Nachblutung
- Abdominelles Kompartmentsyndrom
- Austritt von Lymphe in den Bauchraum
- Schädigung des vegetativen Nervensystems
- Gefäßprotheseninfektion
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
Letalität
- Ischämische Kolitis: 9–17%
- Akuter Mesenterialinfarkt: 60–80%
- NOMI: 50–70%
Prognostische Faktoren
Behandlungsspezifische Faktoren
- Behandlungszeitpunkt: Entscheidend ist v.a. die schnelle Behandlung (Prognose ist abhängig von der Dauer der Ischämie) [22]
- Management der Darmischämie [8]
Patientenspezifische Faktoren
- Lokalisation: Periphere Verschlüsse aufgrund besserer „Restblutversorgung“ des Darms über Kollateralen im Vergleich zu zentralen Verschlüssen mit besserer Prognose verbunden
- Ausmaß des betroffenen Darms [4]
- Alter und Komorbidität [2]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025![toggle arrow icon](https://manus-media.amboss.com/icons/chevron_up.svg)
- K55.-: Gefäßkrankheiten des Darmes
- Exklusive: Enterocolitis necroticans beim Fetus und Neugeborenen (P77)
- K55.0: Akute Gefäßkrankheiten des Darmes
- Akut:
- Darminfarkt
- Dünndarmischämie
- Fulminante ischämische Kolitis
- Mesenterial (Arterien) (Venen):
- Subakute ischämische Kolitis
- Akut:
- K55.1: Chronische Gefäßkrankheiten des Darmes
- Chronisch, ischämisch:
- Enteritis
- Enterokolitis
- Kolitis
- Ischämische Darmstriktur
- Mesenterial:
- Atherosklerose
- Gefäßinsuffizienz
- Chronisch, ischämisch:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.