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Mesenteriale Ischämie

Letzte Aktualisierung: 17.7.2024

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Systemische Veränderungen im Rahmen einer Arteriosklerose betreffen neben den peripheren Gefäßen (pAVK), Herzkranz- (KHK) und Hirngefäßen auch Arterien des Bauchraums. Bei Einengung der Mesenterialgefäße kommt es typischerweise im Anschluss an die Nahrungsaufnahme zu rezidivierenden dumpfen Bauchschmerzen, da die dann benötigte erhöhte Blutzufuhr nicht gewährleistet werden kann. Durch Fortschreiten des chronischen Verschlusses und/oder akute thromboembolische Ereignisse (meist kardialer Genese) kann zudem eine akute Mesenterialischämie entstehen.

Die akute Mesenterialischämie ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild mit einem typischen stadienhaften Verlauf: Im etwa 6 h andauernden Initialstadium treten stärkste (ischämiebedingte) Abdominalschmerzen auf, an die sich eine meist symptomarme Phase mit Absterben des Darms und Durchwanderungsperitonitis anschließt. Diese Phase wird auch „fauler Frieden“ genannt. Im Spätstadium (>12 h) entwickelt sich dann ein akutes Abdomen mit stärksten Schmerzen, blutigen Durchfällen und paralytischem Ileus.

Diagnostisch steht die bildgebende Darstellung der Stenose oder des Verschlusses im Vordergrund – idealerweise mittels CT-Angiografie. Aufgrund der anatomischen Verhältnisse ist meist die A. mesenterica superior betroffen. Laborchemisch gibt es im Frühstadium keine verlässlichen Parameter, erst später steigen Entzündungswerte oder Parameter des Zelluntergangs an.

Die Therapie des chronischen Mesenterialarterienverschlusses besteht zum einen in einer schonenden Diät, zum anderen kann eine interventionelle oder operative Revaskularisationstherapie indiziert sein (z.B. PTA oder Bypass-OP). Bei der akuten Mesenterialischämie hingegen ist ein schnelles Vorgehen indiziert, da die Ischämietoleranz des Darms nur bei etwa 6 h liegt. Ein Verdacht sollte also zügig durch bildgebende Verfahren bestätigt oder ausgeschlossen werden. Eine akute Mesenterialischämie stellt eine absolute Notfallindikation für die interventionelle bzw. operative Therapie dar und hat selbst bei schneller Versorgung eine schlechte Prognose.

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Mesenteriale Ischämie [1]
    • Insg. steigende Fallzahlen durch höhere Lebenserwartung und steigende Zahl an Bildgebungen
    • Ursächlich in ca. 1% der Fälle eines akuten Abdomens [2]
  • Akuter Mesenterialarterienverschluss [3][4][5]
    • Inzidenz: Ca. 12,9/100.000 gemeldete Personen/Jahr [6][7]
    • Altersverteilung: Insb. Personen >65 Jahre betroffen
    • Geschlechterverteilung: >

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Anatomische und physiologische Grundlagentoggle arrow icon

Mesenteriale Gefäßversorgung [1][8]

Hauptarterien

Wichtige Anastomosen [1][8][9]

Alle unpaarigen Gefäßabgänge der Aorta abdominalis bilden Anastomosen untereinander aus, die die Organperfusion bei Verschluss eines Gefäßes aufrechterhalten. Diese Anastomosen sind primär eher kleine Gefäße, können aber bei chronischen Verschlussprozessen eines Gefäßabgangs ihren Durchmesser anpassen. So entsteht eine Kollateralversorgung, die bis zu 70–80% der Durchblutung der Hauptgefäße erreichen können!

Physiologische Grundlagen [3]

  • Hoher Stoffwechsel abdomineller Organe
  • Großer Anteil am HZV (ca. 20% ) im Magen-Darm-Trakt
  • Venöser Blutpool im Magen-Darm-Trakt
  • Abhängigkeit der Darmperfusion vom Blutdruck
  • Ischämietoleranz
    • Dünndarm
      • Ab 15 min: Strukturelle Mukosaveränderungen
      • Ab 3 h: Deutliche Mukosadefekte
      • Ab 6 h: Zerstörung der Mukosabarriere
      • Anschließend: Morphologische Veränderungen der Darmwand
    • Leber, Magen, Pankreas, Milz: 60–120 min
    • Dickdarm: Bis zu 3 Tage

Die Ischämietoleranz des Dünndarms beträgt ca. 6 h!

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Ätiologie und Pathophysiologietoggle arrow icon

Chronischer Mesenterialarterienverschluss [4][8]

Die mesenteriale Arteriosklerose zeigt eine rasche Progredienz und kann durch sekundäre Thrombosierung zu einem Akutgeschehen werden!

Akuter Mesenterialarterienverschluss [2][3][4][11]

Akuter embolischer Verschluss

Der embolische Gefäßverschluss der A. mesenterica superior ist die häufigste Ursache für eine akute Mesenterialischämie!

Durch den akuten Verschluss ist eine Versorgung über Kollateralen in den Endstrombahngebieten nicht gewährleistet!

Akuter thrombotischer Verschluss [4]

Bei vorbestehender mesenterialer Arteriosklerose kann ein akuter thrombotischer Verschluss bei guter Gefäßkollateralisierung ggf. (teil)kompensiert werden!

Weitere Ursachen [1][14]

Akute nicht-okklusive Perfusionsstörung [2][4][5]

Mesenterialvenenthrombose (MVT) [4][7][15]

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Symptomatiktoggle arrow icon

Chronische Mesenterialischämie [1][5][16][10]

Stadieneinteilung der chronischen Mesenterialischämie
Stadium Symptomatik
I
II
III
IV
  • Kompletter Verschluss mit Bild einer akuten arteriellen Mesenterialischämie
  • Diffuser, krampfartiger Abdominalschmerz, blutiger Stuhl

Leitsymptom der chronischen arteriellen Mesenterialischämie ist die auch als Claudicatio intermittens abdominalis bezeichnete Angina abdominalis!

Die akute Mesenterialischämie kann auch das Endstadium eines chronischen Mesenterialarterienverschlusses sein!

Akute Mesenterialischämie [2][4][5][15][17]

Stadieneinteilung der akuten Mesenterialischämie
Stadium Symptomatik Untersuchungsbefund
Initialstadium (0–6 h)
  • Abnorme Peristaltik (wechselnd stark)
  • Palpatorisch weiches Abdomen (meist ohne Abwehrspannung)
Latenzstadium (6–12 h)
  • Abnahme der Peristaltik
  • Darmgeräusche nicht mehr auskultierbar („fauler Frieden“)
Spätstadium (>12 h)
  • Auskultatorische „Totenstille“
  • Akutes Abdomen mit Abwehrspannung (brettharter Bauch)

Besonderheiten der Symptomatik je nach Ätiologie

Die Trias aus Abdominalschmerz, Leukozytose und kardialer Vorerkrankung muss an eine akute Mesenterialischämie denken lassen! [5]

Bei Erstvorstellung ist die direkte Zuordnung der Symptomatik zu einem der drei Stadien häufig schwierig, was die weitere Diagnostik und Therapie aber nicht verzögern sollte!

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Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese [3]

Die Kombination aus akuten Abdominalschmerzen und Herzrhythmusstörungen sollte an eine akute Mesenterialischämie denken lassen!

Körperliche Untersuchung [3]

Bei Anzeichen einer Kreislaufinstabilität muss die Diagnostik so kurz wie möglich sein, um die Therapiemaßnahmen nicht zu verzögern!

Die Ischämietoleranz des Dünndarms beträgt ca. 6 h, weshalb bis zur Diagnosestellung nicht viel Zeit vergehen sollte!

Laboruntersuchungen

Laboruntersuchungen bei V.a. mesenteriale Ischämie
Untersuchung Mögliche Befunde
Entzündungsparameter
Ischämieparameter
Gerinnungsdiagnostik
Leberwerte
  • Ggf. erhöhte Werte (als Hinweis auf eine Leberschädigung) [5]
Blutgasanalyse

Es gibt keine spezifischen Laborparameter für den Verschluss von Mesenterialgefäßen, sondern nur Zeichen einer fortgeschrittenen Barrierestörung! [4]

Bei akuter mesenterialer Ischämie sollten zusätzlich so früh wie möglich Blutkulturen abgenommen werden! [7]

Apparative und interventionelle Diagnostik [2][4][11]

Bei V.a. eine chronische Mesenterialischämie

Bei Stenosen >70% im Bereich des Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior oder bei einer Stenose >70% in einem der beiden Bereiche mit entsprechender Symptomatik kann die Diagnose einer chronischen Mesenterialischämie gestellt werden! [18]

Bei V.a. akute Mesenterialischämie

Explorative Laparotomie

Bei V.a. eine akute Mesenterialischämie ist eine zügige Gefäßdarstellung entscheidend! Bei Peritonitis oder Schockgefahr kann jedoch auch eine Notfall-OP ohne apparative Diagnostik notwendig sein!

Angio-CT von Aorta und Intestinalgefäßen

Katheterangiografie [4]

  • Indikationen: Option der direkten interventionellen Therapie, fehlende Verfügbarkeit eines Angio-CT
  • Durchführung siehe: DSA
  • Mögliche Befunde: Gefäßstenosen
  • Vorteil: Direkte interventionelle Therapie möglich (bspw. PTA)
  • Nachteil: Ggf. Verzögerung weiterer Therapiemaßnahmen, Komplikationen einer invasiven Diagnostik (z.B. Blutung, Fistelbildung) [4]

Weitere Bildgebung [3][4]

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Chronische Mesenterialischämie [4][8][10][18]

Konservative Therapie

Eine parenterale Ernährung stellt keine akzeptable Alternative zur zeitnahen Revaskularisierung dar! [18]

Interventionelle Therapie

  • Indikation: Symptomatische Verschlussprozesse
  • Voraussetzung: Gründliche Gefäßdiagnostik (CT-, MR- oder konventionelle Angiografie)
  • Vorgehen: Aufdehnung mittels PTA und Stentimplantation
  • Nachsorge

Operative Therapie [18]

  • Indikationen
  • Voraussetzung: Gründliche Gefäßdiagnostik, auch zum Ausschluss anderer Ursachen der Symptome
  • Vorgehen: Elektive operative Revaskularisation

Akute Mesenterialischämie

Die akute Mesenterialischämie ist ein Notfall! Die rasche Wiederherstellung der mesenterialen Durchblutung ist die einzige kausale Therapie! [8]

Konservative Therapie [17][19]

Im Aufklärungsgespräch sollte unbedingt auch die Limitierung der Therapie angesprochen werden, da ein palliatives Vorgehen ab einem gewissen Ausmaß der Darminfarzierung sinnvoll bzw. notwendig sein kann!

Interventionelle Therapie [1][2][15]

  • Allgemeine Indikation: Akute Mesenterialgefäßverschlüsse ohne Peritonitis oder Darmwandnekrose
  • Durchführung
    1. Entfernung des Embolus oder Thrombus: Mechanisch mittels Katheter oder als lokale Fibrinolyse
      • Aspirationsembolektomie: Angiografisch gesteuerte Bergung des Embolus/Thrombus mittels spezieller Katheter über transfemoralen Zugang
      • Lokale Fibrinolyse: Passage des Embolus/Thrombus mit dem Führungsdraht → Einführen eines Katheters über den Führungsdraht → lokale Verabreichung von rt-PA
    2. Rekanalisierung bzw. Verringerung der Stenose: Perkutane transluminale Angioplastie mit Stentimplantation

Bei einer arteriellen Thrombose ist im Gegensatz zur Embolie neben der Entfernung des Blutgerinnsels auch eine Behandlung der Gefäßwand notwendig!

Chirurgische Therapie [3][4][8][20][21]

Therapiebegleitende intensivmedizinische Behandlung [2][3][7][14][21]

NOMI [4][7][14]

Mesenterialvenenthrombose [2][7]

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Chirurgische Therapie bei Mesenterialischämietoggle arrow icon

Vorbereitung [1][14]

Operatives Vorgehen [1][14][21]

Operabilität klären [6][17]

Wiederherstellung der mesenterialen Durchblutung [4][6][7][8][15]

  • Ziel: Revaskularisierung möglichst großer Darmabschnitte
  • Prinzipien
    1. Gefäß rekanalisieren durch Entfernung des Embolus oder Thrombus
    2. Stenose umgehen bei nicht-rekanalisierbaren Verschlüssen

Verfahren zur Rekanalisierung

Verfahren zur Umgehung der Stenose

Resektion des Darms

  • Zeitpunkt: Nach Wiederherstellung der Perfusion
  • Resektionsausmaß abhängig von
    • Ischämiedauer
    • Beurteilung avitaler und nicht-revitalisierbarer Darmabschnitte
    • Ggf. Diagnostik zum Nachweis von Blutfluss
  • Durchführung: Mesenteriumsparend resezieren, um möglichst viele Gefäßarkaden zu erhalten

Rekonstruktion (Wiederherstellung der Darmpassage) [6]

Reevaluation [6]

  • Second-Look-OP
    • Großzügige Indikation, insb. nach offener Rekanalisierung, Bypass-Anlage oder Laparostoma
    • Zeitpunkt: Innerhalb von 12–48 h
    • Durchführung: Relaparotomie zur Beurteilung der Vitalität und evtl. weiterer Resektionen
  • Third-Look-OP
    • Indikation: Je nach Befund der Second-Look-OP
    • Zeitpunkt und Durchführung: Individuell, je nach Vorbefund

Weitere Therapie [7][21]

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Komplikationentoggle arrow icon

Allgemeine Komplikationen der Mesenterialischämie

Komplikationen der interventionellen Therapie [8]

Komplikationen der operativen Revaskularisierung [1][4][8]

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Prognosetoggle arrow icon

Letalität

Prognostische Faktoren

Behandlungsspezifische Faktoren

  • Behandlungszeitpunkt: Entscheidend ist v.a. die schnelle Behandlung (Prognose ist abhängig von der Dauer der Ischämie) [22]
    • Unter 2 h: Vollständige Abheilung ohne Resektion wahrscheinlich (Letalität 10%)
    • Bis 12 h: Abheilung auch ohne Resektion möglich (Letalität >30%)
    • Bis 24 h: Notwendigkeit der Darmresektion wahrscheinlich (Letalität >60%)
    • Über 24 h: Hohes Risiko für ausgedehnte Darmwandnekrosen (Letalität 80–100%)
  • Management der Darmischämie [8]

Patientenspezifische Faktoren

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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