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AMBOSS-Pflegewissen: Pflege in Notfallsituationen

Letzte Aktualisierung: 26.10.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Notfallsituationen können in allen Bereichen der Pflege auftreten. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wichtigsten Notfälle, deren Leitsymptome und die entsprechenden Erstmaßnahmen. Um Notfälle strukturiert und sicher erkennen und abarbeiten zu können, ist das Vorgehen nach dem cABCDE-Schema empfehlenswert. Die Herangehensweise entspricht dabei dem Motto „Treat first what kills first“. Mithilfe einer Prioritätenliste kann so in stressigen Situationen der aktuelle Zustand der betroffenen Person überprüft und ggf. vorliegende Probleme in der richtigen Reihenfolge behandelt werden.
Voraussetzung für ein effektives Notfallmanagement ist das regelmäßige Üben (im Team) lebensrettender Maßnahmen wie den Basismaßnahmen der Reanimation (Basic Life Support), der stabilen Seitenlage oder einer suffizienten Blutstillung.
Jede Pflegefachkraft ist dazu verpflichtet, sich vor Beginn einer Tätigkeit mit den aktuellen Gegebenheiten vertraut zu machen. Dazu gehören neben den internen Notfallnummern auch die Lagerungsorte und spezifischen Eigenschaften des Notfallequipments. Im Notfall darf keine Zeit durch das Suchen von Equipment verloren gehen.
Hilfe sollte immer frühzeitig angefordert werden, eine (potenziell) lebensbedrohliche Notfallsituation ist alleine nicht beherrschbar.

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Grundlagentoggle arrow icon

Mit folgenden Gegebenheiten muss sich die Pflegefachperson vor jeder Tätigkeit vertraut machen:

  • Klinikinterne und stationsbezogene Gegebenheiten verinnerlichen
    • Notrufnummern kennen
      • Nummer des Notfall-/Reanimationsteams
      • Nummer des/der diensthabenden Arztes/Ärztin
      • Notruf Feuerwehr/Rettungsdienst (112)
    • Notrufauslösung über die Patientenrufanlage
    • Notfallequipment
      • Defibrillator
      • Notfalltasche/-wagen
      • Sauerstoffflaschen
      • Absauggerät
  • Häufig vorkommende Notfälle oder zu erwartende Notfälle antizipieren
    • Notfälle, die aufgrund der Fachrichtung der Station häufiger vorkommen
    • Notfälle, die bei bestimmten Patient:innen zu erwarten sind
      • Akute Probleme, die von der Pflegefachperson der vorherigen Schicht übergeben wurden
  • Rechtliche Rahmenbedingungen und eigenen Kompetenzbereich kennen
    • Maßnahmen des Basic Life Supports sind von allen Mitarbeiter:innen unverzüglich bis zum Eintreffen des ärztlichen Personals durchzuführen
    • Welche Maßnahmen dürfen bzw. müssen ohne ärztliche Anordnung durchgeführt werden? Hausinterne Standards beachten!
  • Dokumentierten Patientenwillen kennen
  • Pflichtfortbildungen: Jährliche Reanimationsfortbildungen
  • Hilfreiche Schemata zur strukturierten Einschätzung, Abarbeitung und Übergabe in Notfallsituationen
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Ersteinschätzungtoggle arrow icon

  • Überblick über die Situation verschaffen, bspw.
    • Was ist passiert?
    • Wer ist betroffen?
  • Unterstützung holen (lassen): Ggf. frühzeitig und je nach Bedarf weiteres Personal hinzuziehen
    • (Fach‑)Ärztliches Personal
    • Zusätzliche Pflegefachpersonen
    • Ggf. weitere Unterstützung (bspw. Sicherheitsdienst, Polizei)
  • Sofortmaßnahmen treffen
    • Sofortiges Handeln notwendig?
    • Eigenschutz beachten
    • Ggf. Notfallequipment holen (lassen)

Hole frühzeitig Unterstützung und informiere das ärztliche Personal! Ein lebensbedrohlicher Notfall ist alleine nicht zu bewältigen!

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Erstmaßnahmen bei Zustand nach Traumatoggle arrow icon

Innerklinisch ist ein schweres Trauma selten, kann aber bspw. nach Stürzen auftreten. Wird eine Person nach einem Sturz wach vorgefunden, sollten vor dem Aufhelfen schwerere Verletzungen, insb. eine mögliche Wirbelsäulenverletzung, bedacht werden. Gibt es Anhaltspunkte für schwerere Verletzungen, sollte die Person nicht bewegt werden, bis ärztliches Personal vor Ort ist, um die Situation einzuschätzen. Für tiefergehende Informationen siehe auch: Wirbelsäulenverletzungen.

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cABCDE-Schematoggle arrow icon

  • Grundidee
    • Leitfaden für die systematische, strukturierte Einschätzung und Versorgung von Notfallpatient:innen
    • Vitale Bedrohung erkennen und behandeln
    • Einzelne Buchstaben stehen jeweils für einen bestimmten Teil der Patientenuntersuchung
    • Reihenfolge ergibt sicht aus der Gefahr, die durch Probleme in den einzelnen Kategorien droht („Treat first what kills first.“)
    • Durch konsequentes Abarbeiten des Schemas wird nichts übersehen und Fixierungsfehler können vermieden werden
  • Vorgehen
    • Strukturiertes Abarbeiten der einzelnen Punkte
    • Wird in einer Kategorie ein kritisches Problem festgestellt, muss dieses zunächst behoben werden, bevor es zur nächsten Kategorie weitergeht
    • Erneuter Beginn bei Verschlechterung des Patientenzustands im Verlauf
    • Wird die Situation als kritisch eingeschätzt, sollten nicht mehr als 15 min für die Abarbeitung des Schemas und die Einleitung der nächsten Schritte vergehen
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„c" - Critical Bleedingtoggle arrow icon

  • Das kleine „c“ (in manchen Schreibweisen auch „x“ ) vor ABCDE steht für „Critical Bleeding“
  • Ist auf den ersten Blick eine lebensbedrohliche Blutung erkennbar?
  • Bei Vorliegen ist hier bereits klar, dass die Situation kritisch ist
  • Priorität haben dann blutstillende Maßnahmen
  • Kleinere Blutungen können vernachlässigt werden, bis in den anderen Kategorien eine erste Einschätzung des Patientenzustands erfolgt ist

Symptome einer lebensbedrohlichen Blutung

Erstmaßnahmen

Um Nachblutungen nach OPs oder anderen Eingriffen wie Herzkatheteruntersuchungen nicht zu übersehen, sollte zu Beginn der Ersteinschätzung immer die Bettdecke entfernt und alle Drainagebehälter auf die enthaltene Blutmenge geprüft werden!

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"A" - Notfallsituationen der Atemwege (Airway)toggle arrow icon

Notfallsituationen der Atemwege sind akut lebensbedrohlich und müssen sofort behandelt werden. Meist handelt es sich dabei um eine Atemwegsverlegung. Obwohl „A“ und „B“ getrennte Kategorien im cABCDE-Schema sind, prüft man bei „A“ automatisch Teile von „B“ mit. Es geht hier insb. darum, dass ein „A“-Problem vor einem „B“-Problem behoben werden soll.

Wichtigste Frage zu „A“: Sind die Atemwege frei?

Symptome einer Atemwegsverlegung

Diagnostik

Erstmaßnahmen

Als Erstmaßnahme sollten nur unmittelbar sichtbare Fremdkörper entfernt werden! Kein blindes Greifen in den Rachen!

Nach dem Freimachen der Atemwege sollte nach ärztlicher Anordnung die schnellstmögliche Gabe von Sauerstoff mit hoher Flussrate erfolgen!

Krankheitsbilder

Prävention

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"B" - Notfallsituationen der Atmung (Breathing)toggle arrow icon

Notfallsituationen rund um die Atmung haben als Leitsymptom die Dyspnoe. Meist sind Erkrankungen oder Verletzungen der Lunge hauptursächlich. Eine insuffiziente Atmung kann aber auch die Folge von Störungen im Herz-Kreislauf-System, neurologischen Erkrankungen, allergischen Reaktionen oder Intoxikationen sein . Wichtigste Ziele bei der Erstversorgung sind die Identifikation der Ursache und das Anstreben einer (alters- bzw. patientenabhängigen) Normoxie.

Wichtigste Fragen zu „B“: 1. Ist eine Atmung vorhanden? 2. Ist die Atmung suffizient?

1. Atmung vorhanden?

Wird ein Atemstillstand festgestellt, muss umgehend mit der Reanimation begonnen werden!

Eine agonale Atmung (Schnappatmung) ist mit einem Atemstillstand gleichzusetzen und stellt eine Reanimationssituation dar!

2. Atmung suffizient?

Symptome einer insuffizienten Atmung

Diagnostik

Erstmaßnahmen

Krankheitsbilder

Im Folgenden sind die häufigsten Ursachen einer akuten „B“-Problematik mit häufigen Krankheitsbildern aufgelistet.

Bei einer fulminanten Lungenembolie handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Notfall! Es kommt nicht nur zu einem B-Problem, sondern gleichzeitig auch zu einem Herz-Kreislauf-Versagen (C-Problem).

Prävention

Da eine akute Atemnot die verschiedensten Ursachen haben kann, existieren keine allgemeingültigen Präventionsmaßnahmen. Je nach Grunderkrankung der Patient:innen können individuell angepasste Präventionsmaßnahmen sinnvoll sein.

Zu häufiges Absaugen kann zu gesteigerter Schleimproduktion führen, daher gilt: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“!

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"C" - Notfallsituationen des Kreislaufs (Circulation)toggle arrow icon

Eine Notfallsituation des Kreislaufs ist definiert als Störung der Kreislauffunktion, durch die eine ausreichende Organ- und Gewebedurchblutung nicht mehr gewährleistet ist. Meist liegen dieser Störung Herzfunktionsstörungen oder ein (relatives) Volumendefizit zugrunde. Aber auch eine Sepsis oder eine schwere allergische Reaktion können zu einer Kreislaufinstabilität bis hin zum Schock führen. Da ein Schock mit einer hohen Letalität einhergeht, sind das frühzeitige Erkennen und eine rasche Behandlung essenziell. In die Kategorie Notfallsituationen des Kreislaufs fällt auch der hypertensive Notfall.

Wichtigste Frage zu „C“: Ist der Kreislauf stabil?

Symptome eines insuffizienten Kreislaufs

Diagnostik

Die Kombination aus Hypotonie und Tachykardie weist auf einen Schock hin!

Erstmaßnahmen

Krankheitsbilder

Im Folgenden sind die häufigsten Ursachen einer akuten „C“-Problematik mit häufigen Krankheitsbildern aufgelistet.

Prävention

Im Folgenden sind einige grundsätzliche Präventionsmaßnahmen aufgelistet.

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"D" - Notfallsituationen des Nervensystems (Disability)toggle arrow icon

Notfallsituationen der Kategorie „D“ sind definiert als Defizit des zentralen Nervensystems, dem ein potenziell lebensbedrohliches Krankheitsbild zugrunde liegt oder das zu einer dauerhaften Einschränkung führen kann. In die Kategorie „Notfallsituationen des Nervensystems“ fallen auch akute psychiatrische Störungen, die mit einer Eigen- oder Fremdgefährdung einhergehen. Ursächlich können sowohl ein akutes Geschehen im Gehirn selbst als auch hämodynamische, metabolische oder toxische Störungen sein. Liegt eines der folgenden neurologischen Leitsymptome vor, bedarf es einer zeitnahen und gründlichen Abklärung.

Wichtigste Frage zu „D“: Besteht ein akutes neurologisches Defizit?

Symptome eines neurologischen Defizits

Time is brain! Bei akuten neurologischen Erkrankungen ist schnelles Handeln entscheidend für das Ausmaß der Spätfolgen!

Diagnostik

Hypo- und Hyperglykämien können Ursache akuter neurologischer Symptome sein. Eine BZ-Messung sollte daher immer vor weiterführender Diagnostik durchgeführt werden!

Die wiederholte klinische Vigilanzprüfung mittels GCS oder FOUR-Skala ist das einzige Monitoring-Instrument, mit dem die Dynamik der Bewusstseinsstörung beurteilt werden kann!

Erstmaßnahmen

Bei V.a. Schlaganfall muss schnellstmöglich eine (CT‑)Bildgebung erfolgen! Anamnese und Untersuchung sollten bei Patient:innen, die potenziell im Thrombolyse- oder Thrombektomiezeitfenster sind, nur wenige Minuten in Anspruch nehmen!

Krankheitsbilder

Im Folgenden sind die häufigsten Ursachen einer akuten „D“-Problematik mit häufigen Krankheitsbildern aufgelistet.

Prävention

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"E" - Notfallsituationen erweiterter Ursachen (Exposure)toggle arrow icon

Notfallsituationen der Kategorie „E“ kommen innerklinisch kaum vor. Das „E“ steht im Englischen für „Exposure“ oder „Environment“ und wird im Deutschen häufig mit „erweiterte Ursachen“ oder „Umweltfaktoren“ übersetzt. Wurden die Patient:innen in den bisherigen Kategorien als nicht-kritisch eingeschätzt oder akut bedrohliche Zustände in der entsprechenden Kategorie stabilisiert, wird bei „E“ der Fokus auf das Erkennen von Störungen des Wärmehaushalts und sonstigen Auffälligkeiten im Rahmen der Ganzkörperuntersuchung gelegt. Außerdem wird die Anamnese inkl. vorliegender Vorbefunde vervollständigt und ggf. entsprechende Maßnahmen eingeleitet.

Wichtigste Frage zu „E“: Liegen eine Störung des Wärmehaushalts oder Auffälligkeiten bei der körperlichen Untersuchung vor?

Symptome

Diagnostik

  • Vollständige körperliche Untersuchung
    • Grundsätzlich immer komplette Entfernung der Kleidung erforderlich
    • Privatsphäre berücksichtigen
    • Hypothermie vermeiden : Nutzung von Decken, warmen Räumlichkeiten, Wärmeerhaltungssystemen, Wärmestrahlern, ggf. betroffene Person abtrocknen und weitere Maßnahmen zur Temperaturkontrolle anwenden (bspw. warme Infusionen)
    • Untersuchung des Rückens : Achsengerechte Umlagerung nach Log-roll-Konzept
      • 4 Personen drehen betroffene Person koordiniert und synchron unter Wahrung einer geraden Achse zwischen Wirbelsäule und Kopf
      • Person 1: Kopf stabilisieren und drehen, Kommando zur Drehung geben
      • Person 2: Thoraxdrehung
      • Person 3: Abdomendrehung
      • Person 4: Drehung der Beine
      • Ggf. lokale Umlagerungsstandards des Schockraums beachten (insb. bei Polytrauma)!
  • Gründliche Anamnese
  • Umgebung: Gab es beim Auffinden der betroffenen Person Auffälligkeiten in der Umgebung?

Erstmaßnahmen

Krankheitsbilder

Prävention

Notfallsituationen der Kategorie „E“ können unterschiedlichste Ursachen haben, daher existieren nur wenige allgemeingültige Präventionsmaßnahmen.

  • Allgemeine Regeln zur Unfallvermeidung beachten, insb. auch Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz
  • Bekannte Allergene meiden
  • Unterkühlung vermeiden
    • Angemessen warme Kleidung tragen
    • Langes Schwimmen bei kalter Wassertemperatur vermeiden
  • Hitzschlag und Sonnenstich vermeiden: Schutz vor Hitze und/oder direkter Sonnenexposition an heißen Tagen
  • Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit offenem Feuer und heißen Flüssigkeiten beachten, insb. Kinder niemals unbeaufsichtigt in die Nähe lassen
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