Zusammenfassung
Die Allgemein- und Viszeralchirurgie ist durch ein sehr breites Eingriffsspektrum gekennzeichnet. Am häufigsten werden Cholezystektomien, Appendektomien, Leistenhernienoperationen und Schilddrüsenoperationen durchgeführt. Daneben sind (teilweise sehr umfangreiche) Resektionen bei Tumorerkrankungen der Bauchorgane sowie verschiedene nicht-onkologische Eingriffe zu nennen, die u.a. auch den Bereich der bariatrischen Chirurgie umfassen. Viele Eingriffe können zudem laparoskopisch durchgeführt werden.
Standardverfahren für viszeralchirurgische Eingriffe ist die Allgemeinanästhesie mit endotrachealer Intubation. Bei größeren Eingriffen mit offenem Zugang sollte eine zusätzliche thorakale Periduralanästhesie erwogen werden, da sich diese günstig auf den intra- und postoperativen Verlauf auswirken kann. Eine alleinige Peridural- bzw. Spinalanästhesie ist eingriffsabhängig ebenfalls möglich. Bei kleineren Eingriffen kann zudem nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung eine Larynxmaske der 2. Generation zur Atemwegssicherung verwendet werden.
Eine spezielle Komplikation insb. größerer viszeralchirurgischer Eingriffe ist das Eventerationssyndrom. Durch Manipulation am Darm bzw. Zug am Mesenterium kommt es dabei zur Ausschüttung vasoaktiver Substanzen mit konsekutiver typischer Symptomtrias aus Gesichtsrötung, Blutdruckabfall und Tachykardie.
Anatomische und physiologische Grundlagen
Anatomische Grundlagen
Bauchwand
- Muskeln
- Sehnen und Faszien
- Rektusscheide und Linea alba
- Faszien der Bauchwand
- Blutgefäße
- Siehe auch: Abdominelle Zugänge
Bauchhöhle
- Übersicht
- Unterteilung
- Blutgefäße
Bauchorgane
- Oberbauch
- Unterbauch
Die Trennlinie zwischen Ober- und Unterbauch liegt grob orientierend auf Höhe des Bauchnabels!
Ösophagus
- Übersicht
- Blutgefäße
- Innervation
Rektum und Analkanal
- Übersicht
- Blutgefäße
Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
- Übersicht
- Blutgefäße
Physiologische Grundlagen
Intraabdomineller Druck [1]
- Normwert: Ca. 5 mmHg
- Relevanz: Intraabdomineller Druck↑ → Abdominelle Perfusion und venöser Rückstrom↓
- Abdomineller Perfusionsdruck: Differenz zwischen mittlerem arteriellen Druck und intraabdominellem Druck (APP = MAP - IAP)
Viszerokutaner Reflex [2][3][4]
- Hintergrund: Viszeraler Schmerz kann auf bestimmte Hautbereiche übertragen werden
- Auftreten: Insb. bei starken, lang anhaltenden oder wiederkehrenden viszeralen Schmerzen
- Typischer Befund: Druckschmerzhaftigkeit oder Verspannung im zugeordneten Dermatom [5]
- Relevanz: Rückschluss auf betroffenes Organ durch körperliche Untersuchung möglich
Typische Eingriffe
In diesem Abschnitt finden sich die am häufigsten durchgeführten allgemein- und viszeralchirurgischen Eingriffe [6] – weitere Eingriffe werden getrennt nach primärer Indikation in den folgenden Subsektionen aufgeführt!
Cholezystektomie [7][8]
- Beispielhafte Indikationen
- Symptomatische Cholelithiasis
- Cholezystitis und Cholangitis
- Besonderheiten
- Je nach Ausprägung (früh‑)elektiver bis dringlicher Eingriff
- Indikation zur Rapid Sequence Induction individuell prüfen [9]
- Typischerweise laparoskopische Operation in Allgemeinanästhesie
- Grundsätzlich auch rückenmarksnahe Regionalanästhesie möglich [10][11]
- Bei länger bestehender extrahepatischer Cholestase ggf. INR/Quick↓
Symptomatische Erkrankungen der Gallenblase gehen mit einer verzögerten Magenentleerung einher!
Appendektomie [7]
- Beispielhafte Indikationen
- Besonderheiten
- Häufig Kinder und Jugendliche betroffen
- Dringlicher Eingriff mit Indikation zur Rapid Sequence Induction
- Typischerweise laparoskopische Operation in Allgemeinanästhesie
- Bei Erwachsenen prinzipiell auch rückenmarksnahe Regionalanästhesie möglich [12]
Für die anästhesiologischen Besonderheiten bei Kindern siehe: Grundlagen der Kinderanästhesie!
Leistenhernienoperationen [7][13]
- Beispielhafte Indikationen
- Symptomatische bzw. progrediente reponible Hernie: (Früh‑)elektiver Eingriff
- Irreponible Hernie: Dringlicher Eingriff
- Inkarzerierte Hernie: Notfalleingriff
- Besonderheiten
- Sehr breites Altersspektrum (Neugeborene bis Hochbetagte)
- Allgemeinanästhesie, Regionalanästhesie und Lokalanästhesie möglich [14][15][16]
- Offene (OP nach Shouldice oder Lichtenstein) und laparoskopische OP-Verfahren (bspw. TAPP, TEPP) möglich
- Elektive Eingriffe bei Erwachsenen gut für ambulante Operation geeignet [17]
- Bei Inkarzeration Indikation zur Rapid Sequence Induction
Schilddrüsenoperationen [7][8][18]
- Beispielhafte Indikationen
- Besonderheiten
- Art und Umfang des Eingriffs von der jeweiligen Pathologie abhängig
- Typischerweise Hemithyreoidektomie bzw. Thyreoidektomie
- Bei Schilddrüsenkarzinom zusätzlich zervikale Lymphadenektomie
- Operation in euthyreoter Stoffwechsellage anstreben
- Bei präoperativ bestehendem Stridor Verzicht auf medikamentöse Prämedikation
- Insb. bei großer Struma Gefahr der Atemwegsverengung (erwartet schwieriger Atemweg)
- Typischerweise endotracheale Intubation mit Woodbridge-Tubus
- Eingeschränkten Zugang zum Kopfbereich während des Eingriffs beachten
-
Intraoperatives Neuromonitoring des N. laryngeus recurrens sinnvoll [19]
- Indirekt über Nadelelektroden
- Direkt über Tubuselektroden
- Postoperative Gefährdung insb. durch Nachblutung (siehe: Blutung nach Schilddrüsenchirurgie)
- Bei ausgeprägter Tracheomalazie Nachbeatmung erwägen
- Art und Umfang des Eingriffs von der jeweiligen Pathologie abhängig
Aufgrund der Konsequenzen für das Atemwegsmanagement (Verwendung von Tubuselektroden) und die Narkoseführung (Verzicht auf eine Repetitionsdosis des Muskelrelaxans) sollte bereits präoperativ abgeklärt werden, ob und wie ein intraoperatives Neuromonitoring durchgeführt wird!
Primär onkologische Eingriffe
Ösophagektomie [20][21]
- Indikation: Ösophaguskarzinom
- Besonderheiten
- Hochrisikoeingriff mit relativ hoher Letalität bzw. Komplikationsrate
- Behandelte Personen häufig in schlechtem Allgemeinzustand (Unterernährung, Kachexie)
- Typisches Vorerkrankungsprofil mit Alkoholabhängigkeit und Tabakkonsum
- Falls möglich thorakale Periduralanästhesie (Höhe Th5–Th8)
- Indikation zur Rapid Sequence Induction individuell prüfen
- Intraoperativ eher restriktive Flüssigkeitszufuhr anstreben [22]
- Postoperative Überwachung auf einer Intensivstation
- Erhöhtes Aspirationsrisiko nach Ösophagektomie beachten [23][24]
Transthorakale Ösophagektomie
- Kombinierter thorakaler und abdomineller Eingriff
- Rechtsseitige Thorakotomie plus Laparotomie bzw. Laparoskopie
- Einlungenventilation erforderlich, bspw. mit linksläufigem Doppellumentubus
- Stark schmerzhafter Eingriff
- Intraoperativ ggf. Umlagerung erforderlich
Transhiatale Ösophagektomie
- Kombinierter abdomineller und zervikaler Eingriff
- Zervikaler Zugang typischerweise auf der linken Seite (ZVK-Anlage entsprechend kontralateral)
- Häufig Herzrhythmusstörungen und Blutdruckschwankungen bei Mobilisierung des Ösophagus
Die Ösophagektomie ist ein Hochrisikoeingriff mit relativ hoher Letalität bzw. Komplikationsrate, der nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden sollte!
Die Durchführung der Ösophagektomie kann je nach Tumorlokalisation bzw. -stadium und klinikinternen Standards stark variieren!
Distale Magenresektion bzw. Gastrektomie [25]
- Indikation: Magenkarzinom
- Besonderheiten
- Anamnestisch häufig Tabakkonsum und kardiopulmonale Komorbiditäten
- Ggf. vorbestehende Exsikkose bzw. Elektrolytstörungen präoperativ ausgleichen
- Bei tumorbedingter Magenstenose Indikation zur Rapid Sequence Induction
- Falls möglich thorakale Periduralanästhesie (Höhe Th5–Th9)
Kolorektale Resektion [26][27]
- Indikation: Kolorektales Karzinom
- Besonderheiten
- Art und Umfang von der jeweiligen Tumorlokalisation abhängig
- Falls möglich thorakale Periduralanästhesie (Höhe Th7–Th12)
- Ggf. Hypovolämie durch mechanische präoperative Darmvorbereitung
- Eventerationssyndrom bei Manipulation am Darm möglich
Pankreasresektion [28][29]
- Indikation: Pankreaskarzinom
- Besonderheiten
- Art und Umfang von der jeweiligen Tumorlokalisation abhängig, bspw.
- Partielle Duodenopankreatektomie (Kausch-Whipple)
- Pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie (Traverso-Longmire)
- Totale Duodenopankreatektomie
- Pankreaslinksresektion mit Splenektomie
- Falls möglich thorakale Periduralanästhesie (Höhe Th5–Th9)
- Entzündungsreaktion durch intraoperative Freisetzung von Pankreasenzymen möglich
- Hoher Blutverlust möglich (insb. bei Verletzung der V. portae oder der V. mesenterica superior) [30]
- Bei fortgeschrittenem Tumorstadium erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse und DIC [31]
- Bei totaler Pankreatektomie postoperativ erhöhtes Risiko für respiratorische Insuffizienz und MOV
- Art und Umfang von der jeweiligen Tumorlokalisation abhängig, bspw.
Leberresektion [32][33]
- Indikationen
- Besonderheiten
- Eingriff mit relativ hohem perioperativen Komplikationsrisiko
- Bei ausgeprägtem Aszites Indikation zur Rapid Sequence Induction
- Falls möglich thorakale Periduralanästhesie (Höhe Th5–Th9)
- Risiko für verstärkte Blutung bei hohem ZVD bzw. PEEP während der Leberresektion
- Blutdruckschwankungen durch chirurgische Manipulation möglich
- Plötzlicher, hoher Blutverlust möglich (insb. bei Verletzung der V. portae oder der V. cava inferior)
- Eindringen von Luft in das Gefäßsystem durch Eröffnung von Lebervenen möglich
- Bei ausgedehnter Leberresektion akute Hypoglykämie möglich
Leberresektionen gehen nicht selten mit einem signifikanten Blutverlust einher, der zudem sehr plötzlich auftreten kann!
Bei akutem intraoperativen Blutdruckabfall sollte differenzialdiagnostisch an eine starke Blutung, eine Kompression der V. cava inferior oder eine fulminante Luftembolie gedacht werden!
Adrenalektomie [34]
- Indikation: Phäochromozytom
- Besonderheiten
- Assoziation mit hereditären Tumorerkrankungen
- Erhöhtes perioperatives Risiko für hypertensive Krisen, Herzrhythmusstörungen oder akute Herzinsuffizienz
- Prophylaktische Gabe von Phenoxybenzamin (ggf. in Kombination mit einem Betablocker) über 10–14 Tage
- Hierdurch intraoperativ jedoch auch ausgeprägte Hypotonie möglich
- Anlage des arteriellen Katheters vor der Narkoseeinleitung sinnvoll
- Thorakale Periduralanästhesie nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung
- Potenziell problematische Wirkstoffe vermeiden
- Ketamin (Noradrenalin-Reuptake-Hemmung)
- Morphin, Atracurium (Vasodilatation durch Histaminfreisetzung)
- Desfluran (Sympathikusstimulation)
- Droperidol (Vasodilatation durch α-Rezeptor-Blockade)
- Nach Ligatur der venösen Gefäße des Tumors starker Blutdruckabfall möglich
- Behandlung primär durch Gabe von Noradrenalin (siehe: Noradrenalin - Klinische Anwendung)
- Bei unzureichender Wirkung zusätzlich Gabe von Vasopressin (siehe: Vasopressin - Klinische Anwendung)
Bei Personen mit Phäochromozytom muss intraoperativ mit starken Blutdruckschwankungen gerechnet werden!
Primär nicht-onkologische Eingriffe
Bariatrische Chirurgie [35]
- Beispielhafte Indikationen [36]
- Besonderheiten
- Typischerweise laparoskopische Operation in Allgemeinanästhesie
- Verzicht auf medikamentöse Prämedikation mit einem Benzodiazepin
- Verlängerte postoperative Überwachung im Aufwachraum (mind. 2 h)
- Potenziell erhöhtes Aspirationsrisiko nach bariatrischer Chirurgie beachten [37]
Für die anästhesiologischen Besonderheiten bei stark adipösen Personen siehe: Anästhesie bei Adipositas permagna!
Splenektomie [38]
- Beispielhafte Indikationen
- Milzruptur (traumatisch oder spontan): Notfalleingriff
- Splenomegalie (insb. bei hämatologischer Grunderkrankung ): Elektiver Eingriff
- Besonderheiten
- Bei traumatischer Milzruptur mögliche Begleitverletzungen beachten
- Bei hämatologischer Grunderkrankung ggf. begleitende Koagulopathie
- Zusätzlich postoperative Antikoagulation erforderlich (siehe auch: Prävention von Thrombosen nach Splenektomie)
- Rückenmarksnahe Regionalanästhesie (wenn überhaupt) nur nach strenger Indikationsstellung
- Hoher Blutverlust möglich (insb. bei Milzruptur bzw. traumainduzierter Koagulopathie)
- Postoperativ erhöhte Infektanfälligkeit (siehe auch: Prophylaxe bei elektiver Splenektomie)
Lebertransplantation [39]
- Beispielhafte Indikationen
- Angeborene Fehlbildungen bzw. Stoffwechselstörungen
- Erworbene Lebererkrankungen mit akutem bzw. akut-auf-chronischem Leberversagen
- Besonderheiten
- Bei chronischer Lebererkrankung häufig systemische Folgeschäden
- Portale Hypertension (ggf. mit Aszites und/oder Ösophagusvarizen)
- Hyperdyname Kreislaufsituation (SVR↓, HZV↑)
- Hepatopulmonales Syndrom
- Hepatorenales Syndrom
- Hepatische Enzephalopathie
- Hepatische Koagulopathie
- Bei akutem Leberversagen häufig begleitendes Hirnödem mit ICP↑
- Bei chronischer Lebererkrankung häufig systemische Folgeschäden
Operationsphasen bei Lebertransplantation | ||
---|---|---|
Operationsphase | Zeitfenster | Besonderheiten |
Präanhepatische Operationsphase |
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Anhepatische Operationsphase |
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Neohepatische Operationsphase |
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Die Lebertransplantation ist ein hochkomplexer Eingriff, der nur an spezialisierten Zentren durchgeführt wird!
Für die spezielle präoperative Einschätzung sind die lokalen Standards des Transplantationszentrums zu beachten!
Präoperative Anamnese und Diagnostik
Allgemeine präoperative Einschätzung
- Für allgemeine Grundlagen der präoperativen anästhesiologischen Einschätzung siehe: Präoperative Evaluation und Aufklärung in der Anästhesiologie
- Für allgemeine Empfehlungen zur (erweiterten) präoperativen Diagnostik sowie zum Umgang mit einer vorbestehenden Dauermedikation siehe
Spezielle präoperative Einschätzung [7][8]
- Schilddrüsenoperationen
- Laboruntersuchung bei Hyperthyreose (TSH basal, fT3, fT4)
- HNO-Konsil zur Beurteilung der präoperativen Stimmbandfunktion
- Bei klinischen Hinweisen auf Trachealstenose ggf. Bildgebung
- Phäochromozytom: Kardiologisches Konsil zur Beurteilung der präoperativen Herzfunktion
Anästhesiologische Besonderheiten
Allgemeine Hinweise [7][8]
- Hintergrund
- Sehr breites Alters- und Eingriffsspektrum
- Hoher Anteil laparoskopischer Eingriffe (ggf. im Rahmen eines Fast-Track-Konzepts)
- Auswahl des Narkoseverfahrens: Allgemeinanästhesie (balancierte Anästhesie oder TIVA) als Standardverfahren
- Eingriffsabhängig auch alleinige Peridural- bzw. Spinalanästhesie möglich
- Bei größeren Eingriffen mit offenem Zugang Kombinationsanästhesie sinnvoll
- Atemwegssicherung: Meist mittels endotrachealer Intubation
- Perioperative Besonderheiten
- In den meisten Fällen perioperative Antibiotikaprophylaxe indiziert
- Intraoperativ ggf. (wiederholte) Nachrelaxierung zur Optimierung der Operationsbedingungen erforderlich
- Erhöhtes Risiko für perioperative Hypothermie bei größeren Eingriffen
- Erhöhtes chirurgisches Blutungsrisiko bei Eingriffen an Leber, Milz und Pankreas
- Ausreichende Bereitstellung von Blutprodukten erforderlich
- Adäquate Gefäßzugänge für Volumentherapie essenziell
- Für fremdblutsparende Maßnahmen siehe: Patient Blood Management
- Für das Vorgehen bei massiver Blutung siehe: Massivtransfusion - AMBOSS-SOP
- Bei größeren Eingriffen postoperative Einbindung in ein multimodales Schmerztherapiekonzept sinnvoll
Für die Besonderheiten bei laparoskopischen Eingriffen siehe: Anästhesie bei laparoskopischen Eingriffen!
Für die Besonderheiten bei Fast Track siehe: ERAS® und Fast-Track-Chirurgie!
Thorakale Periduralanästhesie für viszeralchirurgische Eingriffe [40][41]
- Intraoperative Vorteile (gegenüber einer alleinigen Allgemeinanästhesie)
- Reduzierter Opioidbedarf
- Geringere Notwendigkeit für eine intraoperative Nachrelaxierung
- Abschwächung der chirurgischen Stressantwort [42]
- Postoperative Vorteile (gegenüber einer alleinigen Schmerztherapie mit systemischer Opioidgabe)
- Bessere Analgesie, insb. unter Belastung (Husten, Mobilisation)
- Verbesserte Lungenfunktion (pulmonale Komplikationen↓)
- Schnellere Erholung der gastrointestinalen Funktion (Dauer der Darmatonie↓)
- Mögliche Alternativen (bei Kontraindikationen für rückenmarksnahe Regionalanästhesie)
- Periphere Regionalanästhesie (bspw. TAP-Block) [43]
- Chirurgische Wundrandinfiltration
- Lidocain i.v. (Off-Label Use)
Bei größeren thorakalen bzw. abdominellen Eingriffen mit offenem(!) Zugang wirkt sich eine thorakale Periduralanästhesie typischerweise günstig auf den intra- und postoperativen Verlauf aus!
Intraoperatives Flüssigkeitsmanagement bei größeren viszeralchirurgischen Eingriffen [22]
- Euvolämie anstreben („Null-Bilanz“)
-
Volumenersatz primär mit balancierter Vollelektrolytlösung [7], bei elektiven Eingriffen bspw.
- 500 mL zum Ausgleich des präoperativen Flüssigkeitsdefizits
- 100 mL/h zur Deckung des Erhaltungsbedarfs
- 100 mL/h zum Ausgleich des „normalen“ intraoperativen Flüssigkeitsverlusts
- Hämodynamische Effekte von Volumenverschiebungen durch niedrigdosierte Katecholamingabe ausgleichen
- Bei größerem Blutverlust zusätzlicher Volumenersatz mit kolloidaler Infusionslösung
- Erforderlichkeit für den Einsatz von Blutprodukten individuell prüfen
-
Volumenersatz primär mit balancierter Vollelektrolytlösung [7], bei elektiven Eingriffen bspw.
- Hämodynamisches Monitoring: Art und Ausmaß an die klinische Gesamtsituation anpassen
- Siehe auch: Perioperative Infusionstherapie
Durch den Erhalt einer Euvolämie können die postoperative Morbidität und Letalität bei größeren viszeralchirurgischen Eingriffe maßgeblich reduziert werden!
Anästhesiologisches Management: Notfallmäßige Laparotomie
Beispielhafte Indikationen
- Mechanischer Ileus
- Darmperforation
- Mesenteriale Ischämie
- Gastrointestinale Blutung
Typische Begleitpathologien [8]
- Relative oder absolute Hypovolämie
- Elektrolytstörungen (insb. Hypokaliämie)
- Hämodynamische Instabilität
- Akute Nierenschädigung
- Peritonitis bzw. Sepsis
Für das therapeutische Vorgehen bei Sepsis siehe: Sepsis - Therapie!
Narkoseeinleitung
- Häufig starker Blutdruckabfall im Rahmen der Narkoseeinleitung [7]
- Anlage eines arteriellen Katheters vor der Narkoseeinleitung erwägen
- Ggf. zügige Infusion von 250 bis 500 mL einer Vollelektrolytlösung vor der Narkoseeinleitung
- Ggf. Gabe von Theodrenalin/Cafedrin oder Noradrenalin während der Narkoseeinleitung
- Rapid Sequence Induction aufgrund des erhöhten Aspirationsrisikos
- Hämodynamisches Monitoring an klinische Gesamtsituation anpassen
Für die Durchführung der Narkoseeinleitung bei notfallmäßiger Laparotomie siehe: Rapid Sequence Induction - AMBOSS-SOP!
Narkoseführung
- Ausgleich des intravasalen Volumenmangels
- Primär mit balancierter Vollelektrolytlösung
- Erforderlichkeit für den Einsatz von Blutprodukten individuell prüfen
- Medikamentöse Kreislaufunterstützung
- Primär mit Noradrenalin
- Ggf. zusätzlich Dobutamin bei kardialer Dekompensation
- Lungenprotektive Beatmung (ggf. in Kombination mit Recruitment-Manövern)
Narkoseausleitung
- Erhöhtes Aspirationsrisiko
- Möglichkeit zur Extubation individuell prüfen
- Allgemeine Extubationskriterien und Risikofaktoren für die schwierige Extubation beachten
- Adäquate Analgesie als Outcome-relevanter Faktor [45]
- Postoperative Überwachung auf einer Intensiv- oder Intermediate-Care-Station erwägen
Bei einer notfallmäßigen Laparotomie ist das Aspirationsrisiko sowohl bei der Narkoseeinleitung als auch bei der Narkoseausleitung erhöht!
Spezielle Risiken und Komplikationen
Eventerationssyndrom [46]
- Definition: Systemische Vasodilatation durch Manipulation am Darm bzw. Zug am Mesenterium
- Ätiologie: Ausschüttung vasoaktiver Substanzen (insb. Prostacyclin)
- Epidemiologie: Bis zu 76% bei größeren viszeralchirurgischen Eingriffen
- Typische Symptomtrias: Gesichtsrötung, Blutdruckabfall und Tachykardie 10–15 min nach OP-Beginn
- Wichtigste Differenzialdiagnose: Allergische bzw. anaphylaktische Reaktion
- Therapie: Symptomatisch (Volumen- und Vasopressorgabe)
Das Eventerationssyndrom ist insb. bei größeren viszeralchirurgischen Eingriffen eine häufige Komplikation!
Neben einem Eventerationssyndrom kann es durch Zug am Mesenterium auch zu einer vagalen Stimulation mit Reflexbradykardie kommen!
Kardiovaskuläre Komplikationen bei Phäochromozytom [7]
- Ätiologie: (Massive) Freisetzung von Katecholaminen durch chirurgische Manipulation
- Therapie: Abhängig von Art und Ausprägung der Symptomatik
- Typische Erstmaßnahme: Vertiefung der Narkose
- Bei Hypertonie: Blutdrucksenkung, bspw. mit Urapidil oder Glyceroltrinitrat
- Bei Tachykardie: Frequenzsenkung, bspw. mit Metoprolol oder Esmolol
- Bei Tachyarrhythmie: Antiarrhythmische Therapie, bspw. mit Magnesium oder Amiodaron