Zusammenfassung
Die akute Pankreatitis als primär sterile Entzündung der Bauchspeicheldrüse wird in den meisten Fällen durch Erkrankungen der Gallenwege oder Alkoholabusus ausgelöst. Durch Schädigung des Organs kommt es zur lokalen Freisetzung von (unter anderem) proteolytischen Verdauungsenzymen, was zu einer Autodigestion des Organs führt. Zusätzliche Entzündungsreaktionen bewirken dabei ödematöse Verquellung, Blutungen und Vasodilatation. Das Leitsymptom der Erkrankung ist ein meist gürtelförmiger, in den Rücken ausstrahlender Oberbauchschmerz mit „gummiartiger“ Konsistenz des Abdomens. Weitere typische Beschwerden sind Übelkeit und Erbrechen. Diagnostisch führend ist die Bestimmung der Pankreasenzyme im Serum (Lipase, Amylase), wobei auch Entzündungsparameter und LDH erhöht sein können. Ein ungünstiges Zeichen für die Prognose ist ein erniedrigter Serumcalciumwert, da dieses Elektrolyt bei Nekrosen durch Bildung von Kalkseifen ausfällt.
Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist eine ausgiebige Flüssigkeitssubstitution. Zudem sind eine analgetische Therapie sowie eine engmaschige (bei schwerem Verlauf intensivmedizinische) Überwachung indiziert. Wenn die Patient:innen Appetit verspüren, wird die langjährig als Therapiekonzept durchgeführte Nahrungskarenz nicht mehr empfohlen, sondern eine frühzeitige enterale Ernährung mit schonender Kost angestrebt. Beim Auftreten von Komplikationen (bspw. Pankreaspseudozysten, Nekrosen, Abszesse) kann zusätzlich eine interventionelle oder operative Therapie erfolgen.
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Definition
- Akute Pankreatitis: Primär sterile Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit unphysiologischer Enzymaktivierung [1]
- Phasen
- Frühphase: Erste Woche nach Erkrankungsbeginn
- Spätphase: Ab der 2. Woche nach Erkrankungsbeginn
- Anatomisch-physiologische Einteilung
- Interstitielle ödematöse Pankreatitis (ca. 85%)
- Nekrotisierende Pankreatitis (ca. 15%)
- Phasen
- Rezidivierende akute Pankreatitis: ≥2 Attacken einer akuten Pankreatitis, unabhängig von ihrer Ätiologie
- Asymptomatische Hyperlipasämie: Erhöhung der Serumlipase auf mind. das Dreifache der oberen Norm ohne klinische Symptome und bildmorphologische Kriterien für eine Pankreatitis
Ätiologie
Häufigste Ursachen
- Gallenwegserkrankungen = „Biliäre Pankreatitis“ (bspw. Choledocholithiasis, Gallensteinabgang, Stenose der Papilla duodeni major): Ca. 45%
- Alkoholinduziert: Ca. 35%
- Idiopathisch: Ca. 15%
Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für eine nicht-biliäre Pankreatitis vergesellschaftet!
Weitere mögliche Ursachen für eine akute Pankreatitis | ||
---|---|---|
Stoffwechselstörungen | Hypertriglyceridämie | |
Hyperkalzämie (bspw. primärer Hyperparathyreoidismus) | ||
Diabetes mellitus | ||
Mechanisch | Iatrogen (bspw. bei ERCP ) | |
Posttraumatisch (bspw. nach stumpfem Bauchtrauma) | ||
Organspezifische Ursachen | Hereditär (bspw. Mutation des Trypsinogen-Gens, in diesem Rahmen auch Überschneidungen zur chronischen und hereditären Pankreatitis) | |
Pancreas divisum | ||
Pankreastumoren | ||
Erregerbedingt | Virusinfektionen (bspw. Mumps, hepatotrope Viren, Coxsackie, CMV, HIV, HSV und VZV) | |
Bakterielle Infektionen (bspw. Mycoplasma pneumoniae, Mycobacterium tuberculosis, Leptospiren, Campylobacter und Yersinien) | ||
Parasitosen (bspw. Ascaris lumbricoides) | ||
Toxisch | Medikamentös-toxisch (bspw. Azathioprin, Statine, weitere medikamentöse Auslöser einer akuten Pankreatitis) | |
Tabakrauchen | ||
Grunderkrankungen | Autoimmunerkrankungen und rheumatologische Grunderkrankungen (bspw. Sjögren-Syndrom) |
„I GET SMASHED“ (I = Idiopathisch, G = Gallensteine, E = Ethanol, T = Trauma, S = Steroide, M = Mumps, A = Autoimmun, S = Skorpiongift, H = Hyperkalzämie, Hypertriglyceridämie, E = ERCP, D = Drugs)!
Klassifikation
- Schweregradeinteilung der revidierten Atlanta-Klassifikation von 2012 [4]
- Leichte akute Pankreatitis : Ohne lokale (Nekrosen) und systemische Komplikationen (Organversagen)
- Mittelschwere akute Pankreatitis: Mit lokalen oder systemischen Komplikationen oder passagerem Organversagen (bspw. Nierenversagen), das sich binnen 48 h bessert [1]
- Schwere Pankreatitis: Mit anhaltendem Organversagen (>48 h) oder Multiorganversagen
- Determinantenbasierte Klassifikation
- Milde akute Pankreatitis: Ohne (extra‑)pankreatische Nekrosen oder Organversagen [1]
- Moderate akute Pankreatitis: Sterile (extra‑)pankreatische Nekrosen und/oder transientes Organversagen (<48 h)
- Schwere akute Pankreatitis: Infizierte (extra‑)pankreatische Nekrosen oder persistierendes Organversagen (>48 h)
- Kritische akute Pankreatitis: Infizierte (extra‑)pankreatische Nekrosen und persistierendes Organversagen (>48 h)
Pathophysiologie
- Pankreatitis
- Intrapankreatische Aktivierung von Verdauungsenzymen → Autodigestion des Organs durch proteolytische Enzyme → Schädigung der Acinuszellen → Inflammatorische Reaktion → Proteolyse, Blutungen, Ödeme, Vasodilatation
- Bei schwerem Verlauf Nekrotisierung → Evtl. Infektion der Nekrosen, Abszess, Sepsis
- Fettgewebsnekrose
- Enzymatische Selbstverdauung durch freigesetzte Lipasen, Proteasen und Elastasen → Nekrose des Parenchyms → Akute hämorrhagische Pankreatitis → Frei werdende Fettsäuren binden Ca2+-Ionen → Verseifung zu Kalkseifen (Saponifikation)
- Intravasale Volumendepletion
- Durch Vasodilatation und Kapillarleckage kommt es zu einem Entzug von Flüssigkeit aus dem Kreislauf → Flüssigkeit sammelt sich in Pankreas, peripankreatischem Gewebe, retroperitoneal und intraperitoneal (Aszites) → Hypotonie → Reduzierte Organperfusion (v.a. Niere)
Das Serum-Ca2+ ist ein quantitativer Marker für den Gewebsschaden und damit ein Prognoseparameter!
Symptomatik
- Leitsymptome
-
Plötzlich einsetzender Oberbauchschmerz
- Evtl. gürtelförmig mit Ausstrahlung in den Rücken
- Bei Gallensteinen kolikartig
- Übelkeit, Erbrechen
-
Plötzlich einsetzender Oberbauchschmerz
- Weitere Symptome
- Häufig: Meteorismus, paralytischer (Sub‑)Ileus mit spärlichen Darmgeräuschen
- Prall-elastisches Abdomen („Gummibauch“)
- Evtl. Fieber, Tachykardie, Hypotonie, Hypoxie, Oligurie/Anurie
- Aszites, Pleuraerguss
- Evtl. Ikterus
- Evtl. EKG-Veränderungen
-
Evtl. Hautzeichen : Bläulich-livide oder grün-braune Ekchymosen jeweils in charakteristischer Lokalisation
- Cullen-Zeichen: Periumbilikal
- Grey-Turner-Zeichen: Flankenregion
- Fox-Zeichen: Leistenregion
Diagnostik
Diagnosekriterien [2]
Die Diagnose einer akuten Pankreatitis kann gestellt werden, wenn mind. 2 der folgenden 3 Kriterien vorliegen:
- Typische abdominelle Schmerzen: Akut beginnende, anhaltende Oberbauchschmerzen, oft mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken
- Serumlipase↑: Mind. das 3-Fache der oberen Norm
- Charakteristische bildmorphologische Befunde: Primär transabdominelle Sonografie, im Verlauf ggf. Endosonografie, CT oder MRT
Laboruntersuchung bei akuter Pankreatitis
- Pankreasenzyme im Serum↑
- Lipase: Sensitivster und spezifischster Parameter
- Bei >180 U/L bzw. >3-facher Erhöhung besteht der V.a. eine Pankreatitis
- Die Höhe der Werte erlaubt keinen Rückschluss auf den Schweregrad bzw. die Prognose einer Pankreatitis
- Amylase (unspezifisch)
- Lipase: Sensitivster und spezifischster Parameter
- Leberwerte
- ALT↑ spricht für eine Pankreatitis biliären Ursprungs
- AST
- γGT↑ und MCV↑ sprechen für eine äthyltoxische Genese (siehe auch: Labordiagnostik bei chronischem Alkoholabusus)
- Blutbild
-
Hämatokrit
- Bei Diagnosestellung: Hämatokrit-Erhöhung (♂ > 43%; ♀ ≥ 40%) gilt als prognostisch ungünstig
- Im Verlauf nach 48 h: Hämatokrit-Abfall über 10% gilt als Indikator für die Entwicklung einer schweren Pankreatitis (siehe auch: Ranson-Score)
- Leukozyten↑
-
Hämatokrit
- Parameter für Zelluntergang
- LDH↑↑
- Entzündungsparameter
- CRP↑ , Leukozytose, ggf. Procalcitonin-Bestimmungen
- Procalcitonin↑
- Nierenwerte
- Weitere wichtige Laborparameter
- Triglyceride↑↑
- Calcium im Serum ↓ (ungünstige Prognose bei Hypokalzämie )
- Serumglucose↑ (ungünstige Prognose bei Hyperglykämie >125 mg/dL bei Diagnosestellung)
Die Bestimmung von Calcium hat einen bedeutsamen Wert: Hyperkalzämie kann Ursache, Hypokalzämie Folge einer Pankreatitis sein!
Apparative Diagnostik der akuten Pankreatitis
Transabdominelle Sonografie bei akuter Pankreatitis
- Indikation: Primärdiagnostik bei jeder Pankreatitis
- Durchführung
- Durch erfahrene Untersucher:in
- Darstellung des gesamten Pankreas, der intra- und extrahepatischen Gallenwege
- Ggf. mit Kontrastmittel
- Mögliche Befunde
- Häufige Befunde bei leichter Pankreatitis
- Unscharfe Begrenzung der Pankreasloge (ödematöse Aufquellung)
- Verminderte Echogenität innerhalb der Pankreasloge
- Ggf. Nachweis von Komplikationen
- Nekrosen, Abszesse, Pankreaspseudozysten
- Peripankreatische Flüssigkeitsansammlung, evtl. Aszitesnachweis
- Ätiologische Abklärung
- Nachweis einer Choledocholithiasis bzw. von erweiterten Gallenwegen (biliäre Pankreatitis)
- Nachweis eines raumfordernden Prozesses, ggf. mit Dilatation oder Kompression des Ductus pancreaticus
- Häufige Befunde bei leichter Pankreatitis
Endosonografie [5]
- Indikationen
- Unklarheiten in der transabdominellen Sonografie
- Fortbestehender V.a. biliäre Genese oder Tumorerkrankung
- Zeitpunkt: Im Intervall
- Häufige Befunde bei Cholangitis
- Diffuse konzentrische Wandverdickung des Gallengangs von >1,5 mm
- Nachweis von nicht-echofreiem Ganginhalt ohne Schallschatten
- Vorteile/Zusätzlicher Informationsgewinn
- Hohe Ortsauflösung und ggf. genaue Lokalisation einer Stenose und Obstruktion in Gallen- und Pankreasgängen
- Nachweis auch kleinerer Gallensteine
ERCP bei biliärer Pankreatitis
- Indikationen: Weiterführende Diagnostik
- Bei bakterieller Cholangitis: ERCP und Papillotomie binnen 24 h
- Bei biliärer Pankreatitis und obstruktiver Cholestase ohne Cholangitis: Idealer Zeitpunkt einer Intervention per ERCP unklar, Abwarten eines spontanen Steinabgangs möglich
- Antibiotikatherapie nicht generell zu empfehlen, sollte jedoch insb. bei längerem Abwarten erwogen werden
- ERCP und Papillotomie spätestens, wenn kein spontaner Steinabgang binnen 48 h erfolgt
- Eher frühe ERCP als längeres Abwarten: Bei absehbarer Notwendigkeit einer Intervention, Indikatoren hierfür sind
- Anzeichen einer schweren Pankreatitis
- Eindeutige klinische Symptomatik mit Gallenkoliken
- Eindeutige Laborbefunde mit (kurzfristig progredienter) Erhöhung der Cholestaseparameter
- Nachweis großer impaktierter Konkremente und Dilatation des DHC in der Abdomensonografie
- Im Zweifel: Weitere Abklärung durch Endosonografie oder MRCP vor einer Intervention
- Bei rezidivierender akuter Pankreatitis infolge eines Pancreas divisum: ERCP mit Dilatation oder Papillotomie der Minorpapille erwägen
- Vorteile/Zusätzlicher Informationsgewinn: Darstellung des Gallen- und Pankreasgangsystems mit gleichzeitiger Interventionsmöglichkeit (bspw. Steinextraktion und/oder Gallengangs-Stent bei Cholestase)
- Periinterventionelle Antibiotikatherapie: Häufig erforderlich, insb. bei [6]
- Manipulation der Gallenwege
- Drainagen- und Stenteinlage sowie bei Unsicherheit eines kompletten Abflusses
- Darstellung des Pankreasgangsystems bzw. bei Vorliegen von Pankreaspseudozysten
- Z.n. Lebertransplantation
Computertomografie [2][7][8]
- Indikationen: Initial sollte keine CT-Untersuchung erfolgen, da Nekrosen erst nach einigen Tagen, Pseudozysten sogar erst nach Wochen entstehen
- Durchführung
- Mit Kontrastmittel
- Volumen 1–1,5 mL/kg/KG
- Iodkonzentration ≥300 mg/mL
- Flussrate >3 mL/s
- Mit Bolus-Tracking-Technik
- Biphasisch: Arteriell und portalvenös
- Mit Kontrastmittel
- Vorteile / Zusätzlicher Informationsgewinn
- Hochauflösende, untersucherunabhängige Darstellung des gesamten Organs und der umgebenden abdominellen Strukturen (bspw. Nekroseareale und ihre Lagebeziehung zu Nachbarorganen)
- Ermöglicht Einschätzung des Schweregrades der akuten Pankreatitis
- Ermöglicht bei Raumforderungen differenzialdiagnostische Aussagen
- Mögliche Befunde
- Bei interstitiell-ödematöser Pankreatitis: Aufgetriebenes Organ , peripankreatische Entzündungszeichen , KM-Anreicherung im gesamten Pankreas
- Bei nekrotisierender Pankreatitis: Entzündliche peripankreatische Flüssigkeit oder peripankreatische Nekrosen oder hypodense Nekrosezonen
- Bei Cholangitis: Transientes inhomogenes Enhancement des Leberparenchyms in der arteriellen Phase, peribiliäres Ödem
- Luft als Zeichen einer infizierten Nekrose oder Perforation
- Ggf. Gefäßkomplikationen
- Morphologische Klassifikation: Neben der Atlanta-Klassifikation der akuten Pankreatitis (s.o.) fließen folgende lokale Komplikationen in die Befundung ein:
- Lokalisation von Nekrosen
- Nekrose des Pankreasparenchyms UND peripankreatisch
- Nur Nekrose des Parenchyms
- Nur Nekrose des peripankreatischen Gewebes
- Zeitpunkt
- Frühnekrosen (<4 Wochen): Nekrosen und Flüssigkeitsverhalte
- Spätnekrosen (>4 Wochen): Pseudozysten oder raumfordernde Nekrosen mit Wandbildung („WON“ → „walled-off pancreatic Necrosis“), siehe auch: Komplikationen
- Lokalisation von Nekrosen
Bei Patient:innen >50 Jahren mit ätiologisch unklarer oder bereits wiederholt aufgetretener unklarer Pankreatitis sollte das Pankreaskarzinom als Differenzialdiagnose bedacht und mittels CT oder Endosonografie abgeklärt werden!
In der Frühphase einer akuten Pankreatitis sollte eine Computertomografie nicht angefertigt werden! (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme)
MRT/MRCP
- Indikationen
- Klärung der Gallengangsmorphologie
- Konkrementnachweis bei V.a. Choledocholithiasis
- Zweite Bildgebung bei Kontraindikationen gegen CT mit Kontrastmittel
- Weitere Abklärung nach idiopathischer Pankreatitis, nach Endosonografie ohne Befund
- Mögliche Befunde
- Aufgetriebenes Organ, ggf. Nachweis von Nekrosen und Raumforderungen
- Nachweis entzündlicher Umgebungsreaktionen
- Bei Durchführung als MRCP ggf. Darstellung von Gangdilatationen, Konkrementen, Stenosen und Raumforderungen möglich
- Bei Cholangitis: Erhöhte periduktale Signalintensitäten (T2), transiente periduktale Signalabschwächung, Wandverdickung der extrahepatischen Gallengänge
- Vorteile / Zusätzlicher Informationsgewinn
- Sehr hohe Ortsauflösung
- Kontrastierte Darstellung der Gallenwege in T2-Wichtung (MRCP)
- Erkennen von Anomalien des pankreatikobiliären Gangsystems (bspw. Pancreas divisum)
- Erlaubt differenzialdiagnostische Rückschlüsse bei Raumforderungen
Konventionelles Röntgen
- Indikationen
- Nachweis extrapankreatischer Komplikationen (bspw. Pneumonie und Pleuraergüsse im Röntgen-Thorax)
- Ggf. Verlaufskontrolle bei (Sub‑)Ileuszuständen (Röntgen-Abdomen)
- Mögliche Befunde
- Siehe: Pleuraerguss
- Siehe: Ileus
Therapie
„PANCREAS“ - Perfusion (Flüssigkeitssubstitution), Analgesia, Nutrition, Clinical (Überwachung), Radiology (bildgebende Kontrollen), ERC (endoskopische Steinextraktion), Antibiotics (ggf. Antibiotikagabe), Surgery (ggf. chirurgische Intervention).
Akute Pankreatitis - Allgemeine Therapiegrundsätze
Stationäre Aufnahme
- Immer stationäre Aufnahme
- Aufnahme/Verlegung auf IMC (Intermediate Care) oder ITS (Intensivstation) bei:
- Sepsis und SIRS
- Zeichen eines Organversagens (bspw. Nierenversagen, respiratorische Insuffizienz)
- Prognostisch ungünstigen Laborparametern bei Aufnahme (s.o.) oder deren Verschlechterung im Verlauf
- Hypotonie und hohem Volumenbedarf in den ersten 24–48 h
- Risikofaktoren für einen schweren Verlauf wie Adipositas und hohes Alter (>70 Jahre)
- Spezielle intensivmedizinische Behandlung
- Blasendruckmessung wegen drohendem abdominellen Kompartmentsyndrom
- Senkung des intraabdominellen Hypertonus
- Entleerung von Magen-Darm-Inhalten durch bspw. Magensonde, Darmrohr
- Entfernung raumfordernder Läsionen durch Punktion, Drainage, OP
- Steigerung der Bauchwand-Compliance
- Optimierte Flüssigkeitszufuhr und hämodynamisches Monitoring
Jede akute Pankreatitis muss stationär überwacht werden!
Kontrollierte Flüssigkeitssubstitution bei akuter Pankreatitis [2][9]
- Ziele
- Ausgleich des initialen Volumendefizits
- Sicherstellen einer ausreichenden Perfusion des Pankreas
- Vermeiden eines zu hohen intraabdominellen Drucks durch Flüssigkeitsüberladung
- Durchführung
- Initial: 200–250 mL/h Kristalloide, bspw. Ringer-Lactat-Lösung , evtl. Bolus-Gabe 7 mL/kg/KG über 30 min
- Anschließend: Kontrollierte, bedarfsadaptierte Flüssigkeitssubstitution unter Berücksichtigung der Zielparameter
- Hämodynamisches Monitoring: Herzfrequenz <120/min und MAP >65 mmHg
- Diurese 50–100 mL/h bzw. Serumharnstoff
- Hämatokrit 35–44%
- Persistenz bzw. Rückbildung von Organversagen und SIRS-Kriterien
- Ggf. erweitertes hämodynamisches Monitoring: PiCCO® zur Steuerung des Volumenbedarfs erwägen
- Zeitraum: Insb. in den ersten 20–48 h nach Aufnahme
- Besondere Patientengruppen: Reduktion des Flüssigkeitsvolumens bei terminaler Nieren- und schwerer Herzinsuffizienz
Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist eine ausreichende Flüssigkeitsgabe (mind. 3–4 L/d)!
Ernährung
Enterale Ernährung
- Indikation: Sobald die Patient:innen dies tolerieren, eine Nahrungskarenz ist allgemein nicht zu empfehlen
- Kostform
- Bei leichter Pankreatitis: Fettreduzierte Vollkost
- Bei Intensivpatient:innen/Inappetenz (insb. bei Darmatonie): Hochmolekulare Sondenkost über nasogastrale oder nasojejunale Sonde
- Einsatz einer doppellumigen Ernährungssonde
- Langsamer Beginn mit Sondenkost (10 mL/h), bei fehlendem Reflux langsam steigern
- Bei hohem Reflux bzw. fehlender Toleranz der gastralen Ernährung : Endoskopische Anlage einer Jejunalsonde mit gastralem Refluxschenkel, um effektive Ernährung zu ermöglichen
Parenterale Ernährung
- Indikation: Wenn der Energie- und Nährstoffbedarf innerhalb von 5 d nach Erkrankungsbeginn nicht ausreichend enteral gedeckt werden kann
- Durchführung
- Nach allgemeinen ernährungs- und intensivmedizinischen Empfehlungen
- Möglichst immer in Kombination mit geringer enteraler Ernährung (10 mL/h)
Wann immer möglich, sollte die enterale Kost bevorzugt werden!
Akute Pankreatitis - Medikamentöse Therapie
Analgesie [2]
- Essenzielle Therapiemaßnahme!
- Durchführung
- Basisanalgesie mit Nicht-Opioid-Analgetikum, bspw. Metamizol
- Bei Bedarf zusätzlich hochpotentes Opioid
- Pethidin
- Buprenorphin
- Ggf. auch andere Opioide wie bspw. Piritramid
- Zusätzliche Maßnahmen: Überwachung von Darmaktivität und Atmung bei Einsatz von Opioiden
- Alternativ oder ergänzend thorakale PDA (Periduralanästhesie) ab Th8–9: Überwachung auf Intensivstation erforderlich
- Einsatz eines Opioids (bspw. Morphin) und eines Lokalanästhetikums (bspw. Bupivacain)
Weitere Therapiemaßnahmen
- Thromboseprophylaxe
- Protonenpumpenhemmer bei schwerem Verlauf (bspw. Pantoprazol zur Stressulkusprophylaxe)
Kalkulierte antibiotische Therapie der akuten Pankreatitis
- Indikationen: Nicht prophylaktisch!
- Eitrige Cholangitis: Kalkulierte antibiotische Therapie einleiten und ERCP durchführen (Notfallindikation)
- Infizierte Nekrosen: Nachweis von Nekrosen im CT/MRT + Auftreten von Fieber + Erhöhung oder sprunghafter Anstieg der Entzündungsparameter (Leukozytose, CRP↑, Procalcitonin↑)
- Punktion und Aspiration der suspekten Nekrose für den Erregernachweis anstreben
- Kalkulierte antibiotische Therapie einleiten (ggf. Anpassung nach Resistogramm)
- Bei fehlendem Ansprechen oder steriler Nekrose: Absetzen der Antibiotika, erneute Fokussuche, ggf. erneute Punktion der suspekten Nekrose oder eines anderen suspekten Herdes
- Bei Nachweis von Pilzen im Feinnadelaspirat (bspw. Candida spp.) ist eine antimykotische Therapie zu erwägen, insb. dann, wenn unter antibiotischer Therapie keine Besserung eintritt.
- Bei Nachweis von Candida spp. in der Blutkultur siehe auch: Vorgehen bei Candidämie
- Bei Nachweis von Candida spp. im Gewebe siehe auch: Invasive Candidose
- Bei endoskopischer oder chirurgischer Intervention: Antibiotikatherapie schon vor bzw. spätestens während der Intervention beginnen
- Wirkstoffauswahl
- Erwachsene
- 1. Wahl: Meropenem oder Imipenem/Cilastatin
- Alternativen
- Ceftriaxon und Metronidazol
- Ciprofloxacin und Metronidazol , siehe auch: Rote-Hand-Briefe zu Fluorchinolonen
- Piperacillin/Tazobactam
- Kinder und Jugendliche: Siehe Pankreatitis im Kinder- und Jugendalter
- Bei septischem Verlauf: Sepsis - Initialtherapie bei Fokus Gallenwege
- Erwachsene
Solange an den Gallenwegen nicht interveniert wird, können Zeichen und Nachweise einer bakteriellen Infektion abgewartet werden – bei iatrogenen Manipulationen entsteht nahezu immer eine bakterielle Cholangitis. Eine antibiotische Behandlung ist daher obligat!
Interventionelle und operative Therapie [2]
ERCP
- Indikationen
- Biliäre Pankreatitis mit Cholangitis: Sofortige ERCP (siehe: Befundkonstellationen bei biliären Erkrankungen)
- Biliäre Pankreatitis mit obstruktiver Choledocholithiasis und ausbleibendem spontanen Steinabgang (nach spätestens 48 h)
- Durchführung, siehe: ERCP bei biliärer Pankreatitis
- ERCP mit Intervention an der Minorpapille (Ballondilatation/Papillotomie), wenn ein Pancreas divisum als Ursache einer rezidivierenden Pankreatitis infrage kommt
- Bei biliärer Pankreatitis: Papillotomie zur Prophylaxe eines Rezidivs
Der optimale Zeitpunkt für den Einsatz einer/der ERCP bei obstruktiver Choledocholithiasis ohne Nachweis einer Cholangitis ist weiterhin unklar. Die angegebenen Zahlen sind daher orientierend zu verstehen!
Interventionelle Therapie eines Verhalts [2]
- Indikationen:
- (Mutmaßlich) Sterile nekrotisierende Pankreatitis
- Mit Kompressionssymptomen durch große Verhalte
- Mit beginnendem Multiorganversagen
- Infizierte nekrotisierende Pankreatitis
- (Mutmaßlich) Sterile nekrotisierende Pankreatitis
- Durchführung: Je nach Ausmaß und Lokalisation des Verhalts
Operative Therapie
Cholezystektomie
- Indikation: Akute Pankreatitis mit nachweislich biliärer Genese
- Durchführung: I.d.R. laparoskopisch
- Zeitpunkt
- Bei leichter Pankreatitis: Unmittelbar im Anschluss an die Ausheilung, nach 72 h (früh-elektiv)
- Bei schwerer Pankreatitis: I.d.R. ca. 6 Wochen nach Ausheilung
- Kontraindikationen: Sehr hohes individuelles Operationsrisiko, Ablehnung der OP durch die Patient:innen
- In solchen Fällen kann auch eine ERCP mit weiträumiger Papillotomie als ausreichend erachtet werden
Bei leichter biliärer Pankreatitis wird eine Cholezystektomie im Rahmen des initialen Krankenhausaufenthaltes empfohlen!
Explorative Laparotomie
- Indikationen
- Arrosionsblutung
- Perforation
- Darmischämie
- Andere Ursachen eines akuten Abdomens
- Abdominelles Kompartmentsyndrom
- Durchführung: Mediane Laparotomie mit Inspektion des gesamten Bauchraums
- Beurteilung des Pankreas, ggf. Probenentnahme
- Beurteilung von Peristaltik, Farbe und Pulsationen im Mesenterium
- Ggf. Sonografie
Komplikationen
Lokale Komplikationen
Frühe Komplikationen (<4 Wochen nach Erkrankungsbeginn)
Akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlung (APFC) [1]
- Definition: Homogene Flüssigkeitsansammlung ohne Nekrosen und Abkapselung
- Einteilung: Frühkomplikation der interstitiellen ödematösen akuten Pankreatitis
- Diagnostik: Schnittbildgebung mit Kontrastmittel (ggf. Wiederholung nach 1–2 Wochen)
- Therapie: Meist nicht notwendig, da selbstlimitierend
- Komplikationen
- Sekundärinfektion des Flüssigkeitsverhalts
- Abkapselung zur Pankreaspseudozyste
Akute Nekrose des Pankreas (ANC ) [1]
- Definition: Sterile Flüssigkeitsansammlung und Nekrose ohne Nachweis einer Abkapselung
- Einteilung: Frühkomplikation der nekrotisierenden akuten Pankreatitis
- Lokalisation: Bursa omentalis und pararenale Kompartimente
- Diagnostik
- Sonografie oder Schnittbildgebung: Solide Anteile nekrotischen Gewebes innerhalb einer Flüssigkeitsansammlung
- Engmaschige Kontrolle von klinischen und laborchemischen Parametern
- Komplikation: Sekundärinfektion der akuten Nekrose
- Therapie: Konservatives Vorgehen möglich bei fehlenden Zeichen einer Infektion oder relevanten Kompression [5]
- Interventionspflichtige Kompressionssymptome
- Passagestörung von Magen oder Duodenum
- Cholestase
- Pfortaderkompression mit akuter portaler Hypertension
- Interventionspflichtige Infektionssymptome: Zeichen der Sekundärinfektion in Zusammenschau von Laborbefunden (PCT↑) und Bildgebung (Größenprogredienz)
- Sepsis
- Weiteres Organversagen bzw. Multiorganversagen
- Erstmaßnahme bei Infektion: Antibiotische Therapie mit Meropenem
- Engmaschige Kontrollen: Täglich ggf. mehrfache abdomensonografische Befundkontrollen, ggf. CT-Bildgebung
- Je schwerer progredient der Verlauf, desto aggressiver und früher die Intervention!
- Engmaschige Kontrollen: Täglich ggf. mehrfache abdomensonografische Befundkontrollen, ggf. CT-Bildgebung
- Prinzipien der Intervention/Operation
- Transgastrale bzw. transduodenale retroperitoneale Nekrosektomie bzw. Drainage mit Stents als endoskopische Intervention primär anzustreben
- Transkutane Punktion und Drainage bei erschwertem endoskopischen Zugang
- Chirurgische Optionen bei frustranen Interventionen
- Minimal-invasive retroperitoneale Nekrosektomie (Laparoskopie)
- Konventionell offene Nekrosektomie (Laparotomie)
- Bei Ausbleiben einer akuten Interventionspflicht: Spätere Interventionen (>30 Tage nach Krankheitsbeginn) i.d.R. prognostisch günstiger als frühe Interventionen
- Interventionspflichtige Kompressionssymptome
Erfolgt bei Nekrosen eine Intervention, sollte eine antibiotische Therapie eingeleitet werden!
Späte Komplikationen (>4 Wochen nach Erkrankungsbeginn)
Pankreaspseudozyste [1][10]
- Definition: Abgekapselte sterile Flüssigkeitsansammlung ohne relevante Nekroseanteile
- Einteilung: Spätkomplikation der interstitiellen ödematösen akuten Pankreatitis
- Entstehung: Nach ca. 4 Wochen aus akuten peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen
- Häufigkeit: <10% der interstitiellen ödematösen akuten Pankreatitiden
- Symptome: Je nach Ausmaß und Lage
- Therapie [11]
- Konservativ: <4 cm meist spontane Rückbildung, keine Behandlung notwendig
- Zystendrainage
- Indikationen: Infektion, Einblutung, Symptomatik , Kompression großer Gefäße oder von Nachbarorganen, Einengung des Ductus hepatocholedochus, Behinderung des Galleabflusses mit Cholestase, pankreatico-pleurale Fistel
- Durchführung: Transkutan , endoskopisch oder intern chirurgisch
- Operatives Vorgehen: Bei Malignomverdacht
- Komplikation: Sekundärinfektion der Pankreaspseudozyste
- Diagnostik: Computertomografie
- Ähnlich einer Pseudozyste mit Kontrastmittel-aufnehmender Kapsel
- Nachweis von Flüssigkeit (Pus) in der Abszesskapsel möglich
- Nachweis von Gaseinschlüssen ist beweisend (nur in ca. 30–50% der Fälle möglich)
- Therapie: Punktion mit Drainage, bei Scheitern chirurgisches Vorgehen mit Nekrosektomie
- Diagnostik: Computertomografie
Abgekapselte Nekrose des Pankreas (WON ) [1]
- Definition: Abgekapselte Flüssigkeitsansammlung und Nekroseanteile
- Nekrose des Pankreasparenchyms (ca. 5%)
- Nekrose des peripankreatischen Gewebes (ca. 20%)
- Kombination aus Pankreas- und peripankreatischen Nekrosen (ca. 75%)
- Einteilung: Spätkomplikation der nekrotisierenden akuten Pankreatitis
- Therapie [12]
- Konservativ: Kleine Nekrosen bilden sich meist spontan zurück
- Interventionell bzw. operatives Vorgehen: Größere Nekrosen, die Komplikationen verursachen
- Drainage, ggf. mit Nekrosektomie
- Videoassistiertes retroperitoneales Débridement
- Laparoskopische Zystogastrostomie
- Komplikation: Sekundärinfektion der abgekapselten Nekrose (ehem. Pankreasabszess)
- Diagnostik: Computertomografie
- Therapie: Punktion mit Drainage, bei Scheitern chirurgisches Vorgehen mit Nekrosektomie
Weitere lokale Komplikationen
- Abdominelles Kompartmentsyndrom
- Obere gastrointestinale Blutung bei gastroduodenaler Ulkuskrankheit
- Blutungen durch Gefäßarrosion
- Thrombosen und thromboembolische Komplikationen wie bspw. Pfortaderthrombose, Milzinfarkt
- Fistelbildung durch Darmarrosion
Systemische Komplikationen
- SIRS, Sepsis
- Verbrauchskoagulopathie
-
Respiratorische Insuffizienz, Pneumonie, ARDS
- Eine respiratorische Insuffizienz wird gefördert durch:
- Überwässerung infolge einer Infusionstherapie und ggf. eines Nierenversagens → Pleuraergüsse und interstitielles Ödem
- Abdominelle Druckerhöhung und pulmonale Restriktion
- Endoskopische Untersuchungen mit Aspiration
- Eine respiratorische Insuffizienz wird gefördert durch:
- Schock
- Prärenales Nierenversagen aufgrund eines Volumenmangels
- Paralytischer Ileus
- Mikroinfarkte durch Leukozytenemboli: Einzelfälle mit plötzlicher Erblindung bei Embolisationen in die A. centralis retinae
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
Strukturierte Nachsorge [2]
- Angebot für Patient:innen mit
- Mittelschwerer bis schwerer Pankreatitis jeglicher Art
- Alkoholinduzierter Pankreatitis
- Pankreatitis unklarer Ätiologie und Alter >40 Jahre
- Persistierenden Beschwerden nach Entlassung
- Zeitpunkt: Alle 6–12 Monate für i.d.R. 2 Jahre
- Untersuchungen
- Abdomensonografie
- HbA1c und Nüchternglucose (zum Ausschluss einer endokrinen Insuffizienz )
- Elastase im Stuhl (zum Ausschluss einer exokrinen Insuffizienz )
- Weitere Maßnahmen: Vollständige Alkoholkarenz , Rauchstopp
Bei nicht-biliären Pankreatitiden wird ein Rauchstopp empfohlen, um erneute Episoden zu verhindern!
Karzinomausschluss [2]
- Angebot für Patient:innen mit
- Z.n. erster Pankreatitis unklarer Ätiologie und Alter >40 Jahre
- Diabetes mellitus und einmaliger Episode einer mittelschweren bis schweren Pankreatitis
- Zeitpunkt: Spätestens 3 Monate nach Abheilung der Pankreatitis, bei Patient:innen mit Diabetes mellitus jährlich über bis zu 5 Jahre
- Untersuchungen
- KM-gestützte Schnittbildgebung oder Endosonografie
- Ggf. erneute Bildgebung nach 12–24 Monaten
Bei Diabetikern mit einmaliger Episode einer nicht leichten Pankreatitis kann die Nachsorge auf 5 Jahre verlängert werden, da ein gegenüber Nicht-Diabetikern leicht erhöhtes Pankreaskarzinomrisiko besteht!
AMBOSS-Pflegewissen: Akute Pankreatitis
Die pflegerischen Aufgaben bei akuter Pankreatitis sind neben der engmaschigen Überwachung des Flüssigkeitshaushaltes insb. auch das rechtzeitige Erkennen von Komplikationen. Leichte Verläufe sind zwar häufig, in schweren Fällen steigt jedoch die Lebensbedrohlichkeit stark an. Bei einer alkoholbedingten Pankreatitis ist der Verzicht auf Alkohol unerlässlich, insb. um Rezidive zu vermeiden.
Beobachten/Überwachen
- Basismonitoring
- Herzfrequenz: Tachykardie
- Blutdruck: Hypotonie
- Atmung: Insb. Dyspnoe, Husten
- Temperatur: Fieber
- Blutzuckerspiegel: Hyperglykämie oder Hypoglykämie
- Gewicht: Zunahme durch Aszites/Pleuraerguss
- Haut: Ikterus bei Abflussstörung der Galle
- Hautzeichen: Bläulich-livide oder grün-braune, großflächige Hauteinblutungen bei schwerer Pankreatitis
- Schmerzen: Schmerzerfassung mehrfach täglich , ggf. Analgetikagabe nach ärztlicher Anordnung
- Flüssigkeitshaushalt: Augenmerk auf Flüssigkeitsbilanz, nach ärztlicher Anordnung ausgiebige Flüssigkeitssubstitution
- Ggf. Aszites: Siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Aszites
- Ausscheidungen
- Urin: Insb. Oligurie/Anurie
- Übelkeit/Erbrechen: Insb. Menge, Frequenz und weitere Auffälligkeiten
- Stuhlgang: Insb. Obstipation , Meteorismus
- Psyche: Entzugserscheinungen , siehe auch: Alkoholentzugssyndrom
Die Überwachung ist bei akuter Pankreatitis absolut essenziell – Veränderungen in klinischer Symptomatik, Kreislauf und Ausscheidung sollten immer Anlass zur Information des ärztlichen Personals und der Neubeurteilung des Krankheitsverlaufes sein!
Medikamentöse Therapie
- Flüssigkeits- und Volumentherapie: Ausgiebige Flüssigkeitssubstitution, insb. in den ersten 48 h nach Aufnahme
- Nach ärztlicher Anordnung: I.d.R. 200–250 mL/h Vollelektrolytlösungen (insb. Ringer-Lactat-Lösung)
- Ggf. Korrekturen des Blutzuckerspiegels: Glucose- bzw. Insulingaben nach ärztlicher Anordnung
- Ggf. bei Komplikationen: Operative oder interventionelle Therapie, insb. ERCP bei biliärer Pankreatitis
- Ggf. Laparotomie: Offenes Abdomen bei abdominellem Kompartmentsyndrom als gefürchtete Komplikation
- Siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Perioperative Pflege, AMBOSS-Pflegewissen: Endoskopien, AMBOSS-Pflegewissen: Cholelithiasis, Cholezystitis und Cholangitis
Ernährung
- Alkohol-, Koffein- und Nicotinkarenz
- In der akuten (Entzündungs‑)Phase
- Möglichst enterale Ernährung: Sobald die Patient:innen diese tolerieren, ggf. auch über gastrale Sonden
- Eine Nahrungskarenz ist allgemein nicht zu empfehlen
- Parenterale Ernährung: Ggf. bei unzureichendem Energie- und Nährstoffbedarf, wenn möglich immer in Kombination mit geringer enteraler Ernährung (10 mL/h)
- Möglichst enterale Ernährung: Sobald die Patient:innen diese tolerieren, ggf. auch über gastrale Sonden
- Nach der schmerzhaften Phase
- Kostaufbau: Nach ärztlicher Anordnung und hausinternen Standards, fettreduzierte Vollkost
- Siehe auch: Künstliche Ernährung, AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Sonden
Weitere pflegerische Maßnahmen
- Positionierung: Bauchdeckenentlastend
- Mobilisation: Nach ärztlicher Anordnung ggf. Bettruhe bzw. langsame Steigerung je nach Allgemeinzustand
- Prophylaxen: Bedarfsgerecht, insb.
- Bei Bettruhe: Pneumonieprophylaxe , Dekubitusprophylaxe, Thromboseprophylaxe, Obstipationsprophylaxe
- Bei Nahrungskarenz: Parotitisprophylaxe, Soorprophylaxe
- Körperpflege: Bedarfsgerechte Unterstützung
Beratung und Prävention
- Rezidivprophylaxe
- Absolute Alkoholkarenz
- Nahrungsanpassung: Mehrere kleine fettarme, eiweißreiche und kohlenhydratreiche Mahlzeiten am Tag
- Diättagebuch
- Diätberatung
- Psychosoziale Betreuung: Insb. bei Alkoholabhängigkeit bzw. Entzugssyndromen , Umgang mit lebensbedrohlicher Erkrankung sowie Anpassung von Gewohnheiten
Prognose
- Krankheitsverlauf
- 80% leicht
- 20% schwer
- Letalität
- Leichte akute Pankreatitis (nach Atlanta-Klassifikation) : 0,1%
- Mittelschwere akute Pankreatitis (nach Atlanta-Klassifikation): 2,1%
- Schwere akute Pankreatitis (nach Atlanta-Klassifikation): 52,2%
- Nekrotisierende Pankreatitis: Bis zu 50%
Laborwerte zur Einschätzung der Prognose [2]
- Hämatokrit
- Bei Diagnosestellung: Hämatokriterhöhung (♂>43%; ♀≥40%) gilt als prognostisch ungünstig
- Im Verlauf nach 48 h: Hämatokritabfall über 10% gilt als Indikator für die Entwicklung einer schweren Pankreatitis, siehe auch: Ranson-Score
- Entzündungszeichen
- CRP↑: >90 mg/dL innerhalb von 48 h bzw. eine absolute Höhe >190 mg/dL nach 48 h spricht für einen schweren Verlauf
- Leukozyten↑
- Procalcitonin: ≥3,5 ng/mL über 2 d korreliert mit infizierten Nekrosen, Organversagen und Letalität
- Nierenretentionsparameter
- LDH↑↑
- Calcium↓: Indikator für die Entwicklung einer schweren Pankreatitis mit Fettnekrosen
- Serumglucose↑: >125 mg/dL bei Diagnosestellung
Scoring-Systeme zur Einschätzung der Prognose [2]
Ranson-Score
- Ziel: Vorhersage eines schweren Verlaufs
- Auswertung
- 0 – 2 Punkte: Minimale Mortalität (1%)
- 3–4 Punkte: 15% Mortalität
- 5–6 Punkte: 40% Mortalität
- >6 Punkte: 100% Mortalität
Ranson-Score | ||
---|---|---|
Parameter | 1 Punkt bei | |
Bei Aufnahme | Alter | >55 Jahre |
Leukozytose | >16.000/μL | |
Hyperglykämie | >200 mg/dL | |
LDH | >350 U/L | |
AST | >250 U/L | |
Nach 48 h | pO2 | <60 mmHg |
Flüssigkeitssequester/-defizit | >6 L | |
Hämatokrit | Abfall >10% prognostisch ungünstig | |
Calcium | <2 mmol/L | |
Harnstoff | >1,8 mmol/L | |
Basendefizit | >4 mmol/L bzw. mEq/L |
BISAP-Score [2][13]
- Ziel: Vorhersage eines schweren Verlaufs
- Auswertung: Bei 5 Punkten beträgt die Mortalität >20%, bei 0 Punkten <1%
BISAP-Score | |
---|---|
Parameter | 1 Punkt bei |
BUN (Serumharnstoff-Stickstoff ) | >25 mg/dL = Serumharnstoff >9 mmol/L |
Impaired mental Status | Desorientiertheit, Lethargie oder Vigilanzminderung |
SIRS | Mind. 2 SIRS-Kriterien erfüllt |
Alter | >60 Jahre |
Pleuraerguss | Vorhanden |
HAP-Score (Harmless Acute Pancreatitis Score) [2][14]
- Ziel: Ausschluss eines schweren Verlaufs
- Auswertung: Liegt keines der Kriterien vor, so ist ein schwerer Verlauf und die Notwendigkeit eines Aufenthaltes auf Intensivstation unwahrscheinlich
HAP-Score | |
---|---|
Parameter | Ausschluss von |
Abdomenbefund | Gummibauch/Peritonitis |
Kreatinin | >2 mg/dL bzw. 177 μmol/L |
Hämatokrit | ≥39,6% (♀) bzw. ≥43% (♂) |
PAS-Score (Acute Pancreatitis Activity Scoring System) [2][15]
- Ziel: Vorhersage eines mittel-/schweren Verlaufs
- Auswertung: Bei >140 ist ein mittelschwerer oder schwerer Verlauf sehr wahrscheinlich
PAS-Score | |
---|---|
Parameter | Wertung: |
Organversagen | ×100 (pro Organsystem) |
SIRS-Kriterien | ×25 (pro Kriterium) |
Bauchschmerzen | ×5 |
Analgetikabedarf in i.v. Morphinäquivalenzdosis/12 h (mg) | ×5 |
Toleranz fester Nahrung (Ja=0, Nein=1) | ×40 |
AMBOSS-Podcast zum Thema
Akute Pankreatitis (August 2021)
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Meditricks
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Akute Pankreatitis
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K85.-: Akute Pankreatitis
- Die fünfte Stelle wird jeweils wie folgt vergeben:
- 0: Ohne Angabe einer Organkomplikation (Bspw.: K85.00: Idiopathische Pankreatitis ohne Angaben einer Organkomplikation)
- Pankreatitis: akut (rezidivierend), subakut, o.n.A.
- 1: Mit Organkomplikation (Bspw.: K85.01: Idiopathische Pankreatitis mit Organkomplikation)
- Pankreasabszess
- Pankreasnekrose: akut, infektiös
- Pankreatitis: eitrig, hämorrhagisch
- 0: Ohne Angabe einer Organkomplikation (Bspw.: K85.00: Idiopathische Pankreatitis ohne Angaben einer Organkomplikation)
- K85.0-: Idiopathische akute Pankreatitis
- K85.1-: Biliäre akute Pankreatitis (Gallenstein-Pankreatitis)
- K85.2-: Alkoholinduzierte akute Pankreatitis
- K85.3-: Medikamenten-induzierte akute Pankreatitis
- K85.8-: Sonstige akute Pankreatitis
- K85.9-: Akute Pankreatitis, nicht näher bezeichnet
- Die fünfte Stelle wird jeweils wie folgt vergeben:
- K87.-*: Krankheiten der Gallenblase, der Gallenwege und des Pankreas bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- K87.0*: Krankheiten der Gallenblase und der Gallenwege bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- K87.1: Krankheiten des Pankreas bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Pankreatitis bei Mumps (B26.3)
- Pankreatitis bei Zytomegalie (B25.2)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.