Zusammenfassung
Beim Großteil aller Schlaganfälle handelt es sich um ischämische Schlaganfälle (Hirninfarkte). Bei diesen kommt es zu einer akuten zerebralen Durchblutungsstörung (z.B. durch Stenosen) im arteriellen Stromgebiet. Leitsymptom ist ein neues, plötzlich aufgetretenes fokal-neurologisches Defizit. Am häufigsten sind dabei eine motorische oder sensible Hemisymptomatik und Sprach- oder Sprechstörungen, wobei abhängig vom Ort der Läsion unterschiedliche Beeinträchtigungen möglich sind. Wichtigstes diagnostisches Verfahren ist die kraniale CT, um eine ursächliche Blutung auszuschließen und ggf. mittels CT-Angiografie einen Gefäßverschluss der größeren hirnversorgenden Gefäße zu detektieren. Anschließend ist beim ischämischen Schlaganfall die schnellstmögliche Rekanalisation zur Rettung des Gebietes relativer Ischämie anzustreben („Time is brain!“).
Die ebenfalls zu den Schlaganfällen zählende intrazerebrale Blutung und Subarachnoidalblutung werden in separaten Kapiteln behandelt.
Zum thrombotischen Verschluss venöser Hirngefäße bzw. der Hirnsinus siehe: Zerebrale Sinus- und Venenthrombose
Für das klinische Notfallmanagement bei V.a. Schlaganfall siehe: Schlaganfall - AMBOSS-SOP
Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".
Formen des Schlaganfalls
Es werden verschiedene Formen des Schlaganfalls unterschieden. Inhalt dieses Kapitels ist nur der ischämische Schlaganfall, andere Formen werden in separaten Kapiteln behandelt.
- Ischämischer Schlaganfall (ca. 80–85% aller Schlaganfälle): Episode neurologischer Dysfunktion infolge einer fokalen Ischämie des ZNS
- Hämorrhagischer Schlaganfall: Episode neurologischer Dysfunktion infolge einer
- Intrazerebralen Blutung (ca. 10–15% aller Schlaganfälle): Einblutung in das Hirnparenchym
- Subarachnoidalblutung (ca. 5% aller Schlaganfälle): Einblutung in den liquorgefüllten Subarachnoidalraum
Epidemiologie
- Inzidenz
- Ca. 270.000 Schlaganfälle pro Jahr in Deutschland [1]
- Ca. 250/100.000 Einwohner/Jahr [2]
- Anteil ischämischer Schlaganfälle: 80–85% [3]
- Behinderung durch Schlaganfall: Ca. 700.000 Menschen in Deutschland [2]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Ursachen
Kardiale Embolien
- Thromboembolie bei Vorhofflimmern
- Paradoxe Embolie bei einem persistierenden Foramen ovale oder Atriumseptumdefekt (ASD) durch
- Embolie (venöser Thrombus gelangt vom rechten Atrium durch die Vorhoflücke direkt in das linke Herz, ohne die Lunge zu passieren)
- Vorhofembolus (bei zusätzlicher Fehlbildung, insb. bei Vorhofseptumaneurysma)
- Bestimmte Manöver, die zu einer Erhöhung des rechtsatrialen Drucks führen (z.B. Valsalva-Manöver)
- Septische Embolien: Bei infektiöser Endokarditis
- Kardiale Embolie infolge anderer Ursachen
- Ventrikelthromben: Infolge von koronarer Herzkrankheit, akutem Myokardinfarkt oder dilatativer Kardiomyopathie
- Atriales Myxom (insb. linker Vorhof)
- Weitere: Bspw. Sick-Sinus-Syndrom, linksventrikuläres Aneurysma, Herzklappenerkrankung
Atherosklerose
Durch die Pathomechanismen der Atherosklerose werden die hirnversorgenden Arterien geschädigt. Mögliche Folgen sind:
- Makroangiopathie
- Arterioarterielle Embolie (z.B. an der Karotisgabel)
- Hämodynamische Infarkte (seltener)
- Mikroangiopathie: Lakunäre Ischämien
Dissektion eines hirnversorgenden Gefäßes
- Karotis- und Vertebralisdissektion
- Dissektion intrazerebraler Arterien (seltener)
Weitere Ursachen [2]
-
Zerebrale Vaskulitis, bspw.
- Riesenzellarteriitis, Takayasu-Arteriitis oder Morbus Behçet
- Infekt-assoziierte Vaskulitiden, bspw. bei Borreliose oder Lues
- Thrombophilien, Koagulopathien
- Seltene Vaskulopathien wie CADASIL, fibromuskuläre Dysplasie (insb. Frauen), RCVS (insb. Frauen), Moyamoya-Angiopathie, Morbus Fabry [4][5]
-
Iatrogen
- Mikrothromben
- Fettembolien
- Luftembolien
Kryptogene Schlaganfälle [6][7]
- Häufigkeit: Bei ca. 20–25% aller ischämischen Schlaganfälle bleibt die Ursache unklar
- ESUS (Embolic Stroke of Undetermined Source): Konzept, das embolische Mechanismen als Ursache kryptogener Schlaganfälle vermutet, wenn das Infarktmuster zu einer embolischen Ursache passt
- Kriterien [8]
- Embolisches Infarktmuster (Nachweis durch CT oder MRT)
- Abwesenheit einer Makroangiopathie der versorgenden Arterien
- Kein Nachweis eines erhöhten Risikos für embolische Infarkte
- Ausschluss weiterer Schlaganfallursachen, bspw. Arteriitis, Dissektion, migränöser Infarkt, Vasospasmus oder intravenöser Drogenabusus
- Vorgehen
- ESUS mit persistierenden Foramen ovale (mittlerer bis ausgeprägter Rechts-links-Shunt) und ≤60 Jahre: Interventioneller Verschluss
- Alle anderen Fälle
- Sekundärprophylaxe mit ASS, alternativ Clopidogrel [9][10][11]
- Ggf. Eventrecorder implantieren [12]
- Kriterien [8]
Risikofaktoren für den ischämischen Schlaganfall [2][13]
- Beeinflussbare Risikofaktoren
- Arterielle Hypertonie
- Vorhofflimmern
- Adipositas
- Bewegungsmangel
- Rauchen
- Diabetes mellitus
- Hyperlipidämie
- Alkoholmissbrauch
- Stenose der A. carotis interna
- Psychosoziale Belastungsfaktoren
- Polyglobulie infolge myeloproliferativer Erkrankungen
- Weitere kardiologische Erkrankungen mit Embolierisiko, bspw.
- Nicht-beeinflussbare Risikofaktoren
- Alter
- Genetische Disposition
- Weitere Risikofaktoren mit geringerer Prävalenz
- Alle Zustände/Erkrankungen mit erhöhtem Thromboserisiko, z.B. Thrombophilien, Gerinnungsstörungen, Hämatokriterhöhung, Schwangerschaft, Einnahme oraler Kontrazeptiva, Hormonersatztherapie
- Migräne
- Kokainabusus
Die wichtigsten Risikofaktoren für den ischämischen Schlaganfall sind die arterielle Hypertonie und das Vorhofflimmern!
Klassifikation
Ischämietypen nach Verlauf [14]
- Transitorische ischämische Attacke (TIA): Plötzlich aufgetretene, vorübergehende Episode neurologischer Dysfunktion infolge einer passageren fokalen Durchblutungsstörung des ZNS ohne Anhalt für zugrundeliegende bleibende Gewebsschädigung [1][15]
- Kein Läsionsnachweis in diffusionsgewichteten MRT-Sequenzen
- Dauer meist einige Minuten, im Einzelfall länger möglich
- Ischämierisiko nach TIA [16][17]
- 90-Tage-Risiko für Ischämie nach TIA: Ca. 10%
- Besonders starke Risikoerhöhung in ersten Tagen/Wochen nach TIA
- Hochrisiko-TIA
- TIA mit hohem Rezidivrisiko, definiert durch ≥4 Punkte im ABCD2-Score
- Therapie: Sekundärprävention mit vorübergehend doppelter Thrombozytenaggregationshemmung (siehe: Sekundärprävention der TIA)
- Hirninfarkt: Episode neurologischer Dysfunktion infolge einer fokalen, ischämisch bedingten, bleibenden Schädigung des ZNS (Gehirn, Retina, Rückenmark)
- Klinisch stummer Infarkt: Befunde (Bildgebung, Pathologie) vereinbar mit zurückliegendem Infarkt, anamnestisch keine Hinweise auf entsprechende Symptomatik
- Minor Stroke: Schlaganfall mit gering ausgeprägter Symptomatik (etwa NIHSS <4 und ohne behindernde neurologische Defizite) [3]
- Progressive Stroke: Neurologische Defizite nehmen im Verlauf weiter zu (meist innerhalb von Stunden)
- Veraltet: Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND): Rückbildung der Symptomatik innerhalb von 72 Stunden
Eine TIA geht mit einem hohen Risiko für einen späteren bleibenden ischämischen Schlaganfall einher – Diagnostik und Sekundärprophylaxe entsprechen der des ischämischen Schlaganfalls!
Ischämietypen nach Morphologie [2]
- Territorialinfarkt
- Oft großes, keilförmiges Infarktareal mit kortikaler und subkortikaler Ausdehnung
- Ätiologie: Meist embolischer Verschluss oder Arteriosklerose einer größeren Arterie
- Hämodynamisch-bedingte Infarkte
- Subtypen
- Ätiologie
- Unzureichende Perfusion in Kapillargebieten durch einen Blutdruckabfall oder ein vermindertes Herzzeitvolumen
- Grundlage ist meist eine schon bestehende regional eingeschränkte Perfusion (bspw. durch arteriosklerotische Gefäßverengung)
- Durch die hämodynamische Verschlechterung (bspw. starker Blutdruckabfall oder Herz-Kreislauf-Stillstand) kommt es zur kritischen Minderperfusion mit Gewebsuntergang
- Lakunäre Infarkte
- Kleine subkortikale Infarkte (Durchmesser max. 1,5 cm), vereinzelt oder multipel (Status lacunaris)
- Meist unterhalb des Kortex (subkortikal) oder im Bereich von Stammganglien, Thalamus und Hirnstamm lokalisiert
- Ätiologie: Meist arteriosklerotische Veränderungen kleiner Arterien (Mikroangiopathie)
- Symptome: Siehe Lakunäre Syndrome
Symptomatik
Allgemeine Überlegungen
- Leitsymptom des Schlaganfalls: Akutes fokal-neurologisches Defizit, d.h.
- Plötzlicher Symptombeginn (von einer Sekunde auf die andere)
-
Neurologische Defizite, die sich einem bestimmten arteriellen Versorgungsgebiet zuordnen lassen
- Art und Ausprägung des Defizits hängt von Lokalisation und Größe der Läsion ab
- Klassisch: Hemiparese, Hemihypästhesie, Sprach-, Sprech- oder Sehstörungen (z.B. verwaschene Artikulation, Wortfindungsstörungen oder Hemianopsie)
- Aber: Auch unspezifische Symptome möglich, bspw. Bewusstseinseintrübung und Schwindel
Jedes plötzlich aufgetretene neurologische Defizit deutet auf einen Schlaganfall hin und muss als Notfall behandelt werden!
Klinik nach betroffenem Gefäß
Die aufgeführten Symptome können bei einem proximalen Verschluss des jeweiligen Gefäßes alle gleichzeitig vorliegen. Bei weiter distal lokalisierten Verschlüssen können auch nur einzelne Symptome auftreten.
Hirninfarkte im Karotisstromgebiet (vordere Zirkulation)
- Allgemein
- Häufigkeit: Ca. 85% aller ischämischen Hirninfarkte [2]
- Betroffene Gebiete: Hirnanteile der vorderen und mittleren Schädelgrube
- Frontal- und Parietallappen, größter Anteil des Temporallappens
- Basalganglien, Capsula interna
- A. carotis interna
- Meist Symptome des Mediainfarkts
- Ipsilaterale Visusminderung (bei retinalem Gefäßverschluss)
- Hauptäste der A. carotis interna
- A. cerebri media (Mediainfarkt): Häufigste Infarktlokalisation
-
Kontralaterale brachiofaziale (d.h. arm- und gesichtsbetonte) sensomotorische Hemisymptomatik
- Ggf. einseitig gesteigerte Muskeleigenreflexe
- Blickdeviation zum Herd („Die kranke Person guckt den Herd an.“)
- Dysarthrie
- Aphasie, Apraxie (wenn die dominante Hemisphäre betroffen ist)
- Kontralateraler Hemineglect (wenn die nicht-dominante Hemisphäre betroffen ist): Extinktionsphänomen [18]
- Hemianopsie (wenn die zentrale Sehbahn betroffen ist)
- Als Komplikation bei malignem Mediainfarkt: Symptome eines Hirnödems
- Mögliches Residuum im Verlauf: Wernicke-Mann-Gangbild
-
Kontralaterale brachiofaziale (d.h. arm- und gesichtsbetonte) sensomotorische Hemisymptomatik
- A. cerebri anterior (Anteriorinfarkt)
- Kontralaterale, beinbetonte Hemiparese
- Apraxie
- Inkontinenz
- Bei beidseitiger Läsion: Schwere Antriebsstörung
- A. choroidea anterior: Kontralaterale Hemiplegie und Hemianopsie
- A. cerebri media (Mediainfarkt): Häufigste Infarktlokalisation
Hirninfarkte im vertebrobasilären Stromgebiet (hintere Zirkulation) [2][19]
Allgemein
- Häufigkeit: Ca. 10% aller ischämischen Hirninfarkte
- Betroffene Gebiete: Hirnanteile der hinteren Schädelgrube, insb.
- Kleinhirn
- Hirnstamm
- Weitere: Teile des Thalamus, Okzipitallappen und medial-inferiorer Temporallappen
- Cave: Erschwerte Zuordnung zum Versorgungsgebiet eines Gefäßes durch individuell unterschiedliche Gefäßanatomie
Vertebralisstromgebiet
- A. vertebralis: Symptome eines Kleinhirninfarkts (siehe: Zerebelläre Ataxie) bzw. Hirnstamminfarkts
- Verlaufsform: Vertebrobasiläre Insuffizienz
- Definition: Verringerung des Blutflusses im vertebrobasilären Stromgebiet, die aufgrund der Kollateralisierung lange asymptomatisch bleibt, aber durch „Trigger“ wie Kopfdrehen oder Reklination symptomatisch wird
- Ursachen: Arteriosklerose oder Dissektion
- Symptome: Drehschwindel, Drop Attacks, Tinnitus, Sehstörungen
- Verlaufsform: Vertebrobasiläre Insuffizienz
- A. inferior posterior cerebelli (PICA, größter Ast der A. vertebralis): Symptome eines Kleinhirnhemisphäreninfarkts
- Ataxie (Extremitätenataxie >> Gang- und Standataxie), Schwindel, Nystagmus, Dysmetrie
- Ggf. Wallenberg-Syndrom (wenn Versorgungsgebiet der Medulla oblongata mitbetroffen ist)
Basilarisstromgebiet [2][20][21][22]
- A. basilaris (Basilaristhrombose): Lebensbedrohlicher Notfall mit hoher Letalität, unbehandelt ca. 80%! [2]
- Allgemeine Klinik
- Typische Konstellation: Vigilanzminderung + Zeichen einer Hirnstammschädigung + schwere motorische Störung
- Symptomatik je nach Höhe des Verschlusses
- Verlauf: Häufig mit Prodromi (Nausea, Schwindel, Kopf- und Nackenschmerzen) und fluktuierender, „stotternder“ Verschlechterung (Progressive Stroke)
- Unterformen
- Distaler Verschluss (Basilarisspitzensyndrom): Kombination aus Mesencephalon-, bilateralem Thalamus- und Posteriorinfarkt
- Mesencephaloninfarkt → Okulomotorik- und Pupillenstörungen
- Bilateraler Thalamusinfarkt → Akute Bewusstseinsstörung bis zum Koma, ggf. auch delirante Symptomatik und Gedächtnisstörungen
- Bilateraler Posteriorinfarkt → Kortikale Blindheit
- Mittlerer Verschluss (mittleres Basilarissyndrom): Bilaterale Ponsinfarkte
- Tetraplegie/-parese
- Locked-in-Syndrom möglich
- Bewusstsein i.d.R. nicht beeinträchtigt
- Proximaler Verschluss (kaudales vertebrobasiläres Syndrom): Infarkt im Gebiet der Medulla oblongata
- Dysarthrie, Dysphagie (Ausfall kaudaler Hirnnerven (IX–XII))
- Ataxie
- Hemi- und Tetraplegie/-parese, Atemlähmung
- Koma
- Ggf. Wallenberg-Syndrom
- Ggf. Horner-Syndrom
- Distaler Verschluss (Basilarisspitzensyndrom): Kombination aus Mesencephalon-, bilateralem Thalamus- und Posteriorinfarkt
- Allgemeine Klinik
- A. inferior anterior cerebelli (AICA)
- Ataxie, Dysarthrie, Schwindel, Übelkeit, Nystagmus (siehe auch: Kleinhirnsymptome)
- Ipsilateral: Hirnnervenausfall VII (faziale Parese) und VIII (vestibulokochleäre Störung)
- Hypakusis/Taubheit (A. labyrinthii) oder Hyperakusis (Hirnnervenausfall VII mit Ausfall des M. stapedius) möglich
- A. superior cerebelli (SCA)
- Ataxie (Extremitätenataxie >> Stand- und Gangataxie), Dysarthrie, Schwindel, Übelkeit, Nystagmus (siehe auch: Kleinhirnsymptome)
- Bei komplettem SCA-Infarkt (selten): Horner-Syndrom, kontralaterale dissoziierte Sensibilitätsstörung
- A. cerebri posterior (Posteriorinfarkt)
- Kontralaterale homonyme Hemianopsie
- Bei Thalamusinfarkt (Okklusion der nachgeschalteten Aa. thalamoperforantes anterior und posterior): Vielseitige Symptomatik, u.a. mit neuropsychologischen Defiziten (bspw. Desorientiertheit, Apathie, Gedächtnisstörungen), kontralateraler Hemihypästhesie oder Hemineglect, ggf. auch „Thalamusschmerz“ (kontralaterale Hyperpathie)
Basilarisinfarkte können wegen ihrer „stotternden“ und teils unspezifischen Symptomatik (insb. Schwindel) an andere Ursachen erinnern und werden initial häufig übersehen! [21]
Klassische Symptome von Infarkten im vertebrobasilären Stromgebiet sind die „4 D“: Dysarthrie, Dysphagie, Diplopie, Dizziness (engl. für Schwindel)! [23]
Klinik nach betroffenem Hirngebiet
Infarkte in kortikalen Arealen
- Frontal: Antrieb verarmt, Störung des Geruchssinns, motorische Aphasie
- Temporal: Ängstliche bis reizbare Stimmung, zu epileptischen Anfällen neigend, sensorische Aphasie
- Parietal
- Mantelkantensyndrom: Sensomotorische Hemisymptomatik der Beine, ggf. mit Blasenstörung
Infarkte in subkortikalen Arealen
- Capsula interna: Kontralaterale Hemiparese und kontralaterale Hirnnervenausfälle
- Wenn die kortikobulbären Bahnen betroffen sind: Pseudobulbärparalyse mit Dysphagie, Dysarthrophonie, pathologischem Lachen und Weinen
- Thalamus, Basalganglien, frontales Marklager (sog. „strategische Zentren“): Störung von Kognition, Gedächtnis, Orientierung und praktischen Fertigkeiten
- Thalamus isoliert: Kontralaterale Hemidysästhesie, Hyperkinesie der Finger, Thalamushand
Kleinhirninfarkte
- Allgemein: Zerebelläre Ataxie
- Pontocerebellum: Ipsilaterale Extremitätenataxie, ipsilaterales Rebound-Phänomen, ataktische Dysarthrie mit skandierender Sprache
- Spinocerebellum: Rumpfataxie, ataktische Dysarthrie
- Vestibulocerebellum: Schwindel, zentrale Okulomotorikstörungen, Rumpfataxie
Hirnstamminfarkte
Im Hirnstamm liegen wichtige vegetative Zentren, Hirnnervenkerne sowie lange motorische und sensible Nervenbahnen sehr eng beieinander. Hier lokalisierte Infarkte können daher – selbst wenn sie klein sind – zu vielfältigen und schwerwiegenden Ausfällen führen.
- Häufige Symptome
- Vigilanzstörungen, Schwindel, Dysarthrie, Dysphagie, Okulomotorikstörungen, Ataxie, Singultus
- Hemiplegia-alternans-Syndrom: „Gekreuzte Hirnstammsymptomatik“, bestehend aus
- Ipsilateralen Hirnnervenausfällen und
- Kontralateraler sensibler und/oder motorischer Halbseitensymptomatik
- Typische Hirnstammsyndrome
- Wallenberg-Syndrom
- Ätiologie: Verschluss im Bereich der A. inferior posterior cerebelli (PICA) oder der A. vertebralis → Infarkt der dorsolateralen Medulla oblongata
- Symptome
- Allgemein
- Schwindel und Nystagmus
- Übelkeit und Erbrechen
- Dysarthrie, Dysphonie
- Ipsilateral
- Horner-Syndrom mit Hemianhidrose
- N. trigeminus-Lähmung: Hypästhesie für alle Qualitäten im Gesicht
-
Nervus glossopharyngeus- und Nervus vagus-Lähmung
- Gaumensegelparese → Dysphagie
- Heiserkeit
- Hemiataxie
- Kontralateral: Dissoziierte Empfindungsstörung unterhalb des Kopfes
- Allgemein
- Weber-Syndrom: Ausfall des N. oculomotorius (ipsilateral) + Hemiparese (kontralateral)
- Wallenberg-Syndrom
Lakunäre Syndrome [2][23]
- Definition: Symptomkonstellationen, die durch lakunäre Infarkte entstehen können
- Pure Motor Stroke (rein motorische Hemiparese): Lakunäre Infarkte in Capsula interna und Pons
- Pure Sensory Stroke (rein sensible Halbseitensymptomatik): Lakunäre Infarkte in Thalamus und Hirnstamm
- Dysarthria-Clumsy-Hand-Syndrom (Dysarthrie und Feinmotorikstörung): Lakunäre Infarkte in Pons, Capsula interna oder (selten) Corpus striatum
- Ataktische Hemiparese (Hemiparese und Extremitätenataxie): Lakunäre Infarkte in der Pons
- Status lacunaris: Multiple lakunäre Hirnstamminfarkte mit Zerstörung kaudaler motorischer Hirnnerven
- Pseudobulbärparalyse mit
- Dysarthrie, Heiserkeit, Dysphagie durch Zungen- und Gaumensegellähmung
- Häufig gesteigertem Masseterreflex (Schädigung des 1. Motoneurons)
- Affektinkontinenz (pathologisches Lachen und Weinen)
- Pseudobulbärparalyse mit
Dissektionssyndrome
- Dissektion der A. carotis communis: Horner-Syndrom + Hypoglossusparese + Mediainfarkt
- Dissektion der A. vertebralis: Wallenberg-Syndrom + Nackenschmerzen + Posteriorinfarkt
Diagnostik
Für das klinische Notfallmanagement bei V.a. Schlaganfall siehe: Akuter Schlaganfall - AMBOSS-SOP
Anamnese und körperliche Untersuchung [3]
Fokussierte (Fremd‑)Anamnese
- Symptomatik: Plausibilitätsprüfung und möglichst exakte Bestimmung des Symptombeginns
- Art der Symptome
- Beginn
- Bestimmbarer Zeitpunkt: Ist der/die Patient:in im Thrombolysezeitfenster? (<4,5 h nach Symptombeginn, in Einzelfällen auch <9 h)
- Unbestimmbarer Zeitpunkt (sog. Unknown-Onset Stroke ): Letzten erinnerlichen bzw. beobachteten Zeitpunkt erfragen, an dem keine Symptome vorhanden waren
- Verlauf
- Medikamentenanamnese, insb. Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmer
- Basisinformationen
- Patientenalter
- Mobilität vor Ereignis
- Vorerkrankungen
- Ggf. Vorsorgevollmacht und/oder Patientenverfügung vorhanden?
- Bei Patient:innen im Thrombolysezeitfenster: Gewicht? Wesentliche Kontraindikationen für eine Thrombolysetherapie erfragen!
Fokussierte neurologische Untersuchung
- FAST (Neurologie): Als schnelles Screening (insb. in der Prähospitalphase, auch für (Laien‑)Ersthelfende) [1][24][25]
- F („Facial Expression“): (Meist einseitige) veränderte bzw. verminderte Mimik
- A („Arm Weakness“): Unfähigkeit oder Schwierigkeit, einen Arm angehoben zu halten
- S („Speech Difficulties“): Gestörtes Sprachverständnis oder Sprachproduktion
- T („Time is Brain“): Bei Hinweisen auf einen Schlaganfall (= eines der 3 oberen Kriterien trifft zu) ist schnelles Handeln notwendig → Zügige Einweisung bzw. Bildgebung veranlassen!
- Ggf. auch in erweiterter Form als BE-FAST mit zwei zusätzlichen Items [26]
- B („Balance“): Gangunsicherheit/Gleichgewichtsstörungen oder Schwäche eines Beins
- E („Eye“): Sehstörungen oder Störungen der Augenbewegungen
- Orientierende neurologische Notfalluntersuchung auf fokal-neurologische Defizite
- Erfassen besonderer Gefährdung
- Symptome einer Basilaristhrombose?
- Schluckstörung?
- Hirndruckzeichen?
- Ggf. ausgedehntere neurologische Untersuchung (z.B. bei unklarer Symptomatik)
- Erheben des NIHSS
- Grobe Einstufung des Behinderungsgrades, i.d.R. mithilfe der modifizierten Rankin-Skala
Internistische körperliche Untersuchung
- Fokus auf kardiologischer Untersuchung, inkl.
- Herzfrequenz- und Blutdruckmessung
- Messung der Sauerstoffsättigung
Bei V.a. Schlaganfall muss schnellstmöglich eine (CT‑)Bildgebung erfolgen! Anamnese und Untersuchung sollten bei Patient:innen, die potenziell im Thrombolyse- oder Thrombektomiezeitfenster sind, nur wenige Minuten in Anspruch nehmen! [27]
Bildgebung bei Schlaganfall
Bei V.a. einen Schlaganfall muss schnellstmöglich herausgefunden werden, ob es sich um ein ischämisches oder um ein hämorrhagisches Ereignis handelt. Diese Unterscheidung ist am besten mit einer cCT möglich. Auch wenn sich ein ischämischer Infarkt erst nach einigen Stunden demarkiert, ist eine frische Blutung sofort zu identifizieren. I.d.R. direkt angeschlossen wird eine erweiterte CT-Bildgebung, die der Indikationsstellung zur mechanischen Thrombektomie dient.
Die Diagnose eines ischämischen Schlaganfalls wird in der Akutphase i.d.R. klinisch gestellt! Die Nativ-cCT dient initial dem Ausschluss einer intrazerebralen Blutung als Ursache der Defizite! Zeigt sich keine Blutung, wird von einer frischen Ischämie ausgegangen und eine Gefäßdarstellung (CT-A) für die Evaluation der Notfalltherapie eingeleitet!
CT-Diagnostik [3]
Nativ-cCT
- Indikation: Immer bei V.a. akuten Schlaganfall
- Ziele
- Ausschluss einer Hirnblutung
- Akute Blutung: Hyperdense Raumforderung
- Ggf. Nachweis ischämischer Frühzeichen oder einer Infarktdemarkierung
- Ggf. Abschätzung des Infarktkerns bei Mediainfarkt: Quantifizierung mithilfe des ASPECT-Score
- Ggf. Nachweis subakuter/älterer Hirninfarkte
- Ausschluss einer Hirnblutung
Befunde des ischämischen Schlaganfalls im Nativ-cCT | |
---|---|
Zeit nach Symptombeginn | Typische Darstellung |
2–6 Stunden | Ggf. Frühzeichen wie [28]
|
12–24 Stunden | Beginnende Demarkierung
|
Tag 10–18 | Fogging-Phase
|
Ab 3. Woche | Definitive Demarkierung
|
Erweiterte (kontrastmittelgestützte) CT-Diagnostik [1]
Supraaortale CT-Angiografie
- Indikation
- V.a. proximaler Gefäßverschluss, der potenziell für eine mechanische Thrombektomie zugänglich wäre
- Vordere Zirkulation: In den ersten 24 h nach Symptombeginn
- Vertebrobasiläres Stromgebiet: Immer
- Unmittelbar im Anschluss an das native CT
- V.a. proximaler Gefäßverschluss, der potenziell für eine mechanische Thrombektomie zugänglich wäre
- Alternativ: MRA oder transkranielle Duplexsonografie (wenn ohne Zeitverzögerung möglich!)
Perfusions-CT
- Indikation
- Alle Patient:innen im Zeitfenster >4,5 h: Einschätzung des Verhältnisses zwischen bereits infarziertem Gewebe und Penumbra
- Bei klinisch uneindeutigen Fällen: Direkter Nachweis von Perfusionsstörungen schon in der Akutphase
- Alternative: Einschätzung der Penumbra durch Perfusions-Diffusions-Mismatch im MRT
cMRT [1]
- Indikation
- In Akutsituation
- Alternative zum CT für alle Patient:innen mit V.a. akuten Schlaganfall
- Bei unklarem Zeitfenster (Unknown-Onset Stroke) oder Symptombeginn >4,5 h als Entscheidungsgrundlage für eine revaskularisierende Therapie
- Klinisch uneindeutige Fälle, insb. bei V.a. einen infratentoriell lokalisierten Infarkt
- Im Verlauf
- Bildgebende Diagnosesicherung
- Zur Darstellung des Infarktmusters
- In Akutsituation
- Zusatznutzen
- Frühere Darstellung von Infarktgewebe (DWI-MRT)
- Einschätzung des Risikogewebes (Penumbra) durch Perfusions-Diffusions-Mismatch-Bildgebung möglich
- Einschätzung möglich, ob sich der Infarkt noch im Thrombolysezeitfenster von 4,5 h befindet (über DWI-FLAIR-Mismatch)
- Hohe Sensitivität auch bei kleinen und infratentoriellen Läsionen
- Sequenzen der „Schlaganfall-MRT“ [29]
- FLAIR („Fluid-Attenuated Inversion Recovery“): MRT-Sequenz, bei der durch einen zusätzlichen Impuls das Signal von Wasser unterdrückt wird, sodass andere Gewebe besser zur Darstellung kommen
- Diffusions-MRT (= DWI-MRT, „Diffusion Weighted Imaging“) : Stellt das Areal des Gehirns dar, in dem die Diffusion eingeschränkt ist (also den „Infarkt-Kern“) → In diesem Areal sind bereits alle Zellen irreversibel geschädigt
- Perfusions-MRT (= PWI-MRT, „Perfusion Weighted Imaging“): Stellt das Areal des Gehirns dar, in dem die Durchblutung eingeschränkt ist → In diesem Gebiet sind die Nervenzellen zum Teil bereits irreversibel, zum Teil aber auch noch reversibel geschädigt
- Blutungssensitive Sequenz (Meist T2*-gewichtete Gradientenechosequenz)
- MR-Angiografie: Stellt das Gefäßsystem dar und kann extra- und intrakranielle Gefäßstenosen zeigen
- Darstellung von Infarktarealen in der MRT
DWI-FLAIR-Mismatch [3][30][31]
- Ziel: Zeitliche Einordnung ischämischer Läsionen bei unklarem Zeitfenster (insb. bei Wake-up Strokes)
- Auswertung
- Mismatch besteht, wenn sich in DWI-Messung ein Infarktareal zeigt, aber in FLAIR-Sequenz nicht („FLAIR-negativ“)
- Da sich ein Infarktareal in der FLAIR-Sequenz erst nach ca. 4,5 h demarkiert, kann bei Mismatch auf ein frisches Geschehen geschlossen werden → Eine Thrombolysetherapie ist dann noch möglich
Perfusions-Diffusions-Mismatch (PWI-DWI-Mismatch, „Penumbra Imaging“) [32]
- Ziel: Abschätzung der Penumbra
- Auswertung
Weitere Diagnostik [3]
- Basis-Labordiagnostik bei Schlaganfall
- Darstellung der hirnversorgenden Arterien, i.d.R. durch Doppler-Sonografie: Stenosen, Verschlüsse, Dissektionen, bei V.a. Vaskulitiden und fibromuskuläre Dysplasie
- Bei unklaren Befunden ggf. Ergänzung durch MR- oder CT-Angiografie
- Bei speziellen Fragestellungen auch als digitale Subtraktionsangiografie
- EKG
- Im Rahmen des Monitorings in der Akutphase
- Nachfolgend ggf. Langzeit-EKG
- Echokardiografie (vorzugsweise als TEE ): Zur Suche einer Emboliequelle, insb. kardiale Thromben oder PFO
- Blutkulturen: Bei Hinweis auf Endokarditis im TEE
- Lumbalpunktion: Bei V.a. SAB ohne Blutungsnachweis im CT
Zusatzdiagnostik bei juvenilem Schlaganfall oder kryptogenem Schlaganfall [5][33]
- MRT mit Kontrastmittel und MR-Angiografie der hirnversorgenden Gefäße mit Black-Blood-Sequenz
- Ggf. Katheterangiografie der hirnversorgenden Gefäße
- Vaskulitis-Diagnostik
- Screening : Anti-ANA-Ak, pANCA, cANCA, Rheumafaktor aus dem Serum; Erregerdiagnostik (s.u.)
- Ggf. Liquoruntersuchung
- Zellzahl und/oder Gesamteiweiß erhöht : Erregerdiagnostik
- Thrombophilie-Screening
- Spezifische genetische Diagnostik auf hereditäre Vaskulopathien in Verdachtsfällen von bspw. CADASIL, MELAS, Morbus Fabry
Differenzialdiagnosen
Stroke Mimics [34][35]
- Definition: Erkrankungen oder Zustände, in deren Rahmen es zu einem plötzlichen fokal-neurologischen Defizit kommt, bei denen es sich aber nicht um einen Schlaganfall handelt
- Epidemiologie: Bis zu 30% aller initial mit der Verdachtsdiagnose „Schlaganfall“ aufgenommenen Patient:innen [36]
- Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei potenziellen Thrombolysefällen
- Zielgerichteter Ausschluss der Differenzialdiagnosen, siehe Tabelle
- Multimodale Bildgebung (inkl. zerebralem Gefäßstatus und Perfusion)
- Durchführung einer Thrombolysetherapie [37]
„Stroke Mimics“ DD Schlaganfall | ||
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Differenzialdiagnosen | Häufige fokal-neurologische Defizite | Diagnostik zur Abgrenzung zum Schlaganfall |
Hypoglykämie |
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Migräne mit Aura |
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Epileptischer Anfall |
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Schwere Infektion/Sepsis |
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Periphere Nervenschädigung |
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Neuritis vestibularis und benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel |
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Alkoholintoxikation |
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Funktionelle Störung |
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|
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- Prognose: Defizite sind i.d.R. reversibel (Ausnahme: Sepsis)
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Pathologie
Verlauf und Histologie
- Initiale Nekrose und Demarkation (0–5 Tage)
- Ödematöse Erweichung und Auflockerung
- Sichtbare Abgrenzung zu vitalem Gewebe
- Resorptionsphase (ab 5. Tag)
- Kleinzystisches Zerfließen
- Einwanderung von Makrophagen mit lipidgefüllten Vakuolen im Zytoplasma
- Organisationsphase (ab 1.–8. Woche)
- Kapillarproliferation
- Ausbildung eines zystischen Parenchymdefektes
- Reaktive Gliose im Randbereich
Elektive Parenchymnekrose
- Bedeutung: Hypoxiebedingter, selektiver Untergang von einzelnen Nervenzellen bei erhaltenem umliegenden Gewebe
- Vorkommen: Hypoxische/ischämische Schädigung des Hirns mit anschließender Reperfusion (inkomplette Ischämie) z.B. durch passageren Herz-Kreislauf-Stillstand; Epilepsie (Ammonshornsklerose)
- Histologie
- Gliazellen und Gefäße bleiben erhalten; Deckung des Defekts durch Astrogliavermehrung
- Laminäre oder pseudolaminäre Schichtung möglich
- Makroskopisches Abblassen der geschädigten Schichten durch verminderte Anfärbbarkeit
Therapie
Allgemeine Überlegungen zum klinischen Management von Schlaganfall und TIA
Die wichtigsten Ziele sind:
- Prähospital: Schnellstmögliche stationäre Aufnahme (siehe: Schlaganfall - Präklinisches Management)
- Im Krankenhaus: Zügige diagnostische Abklärung und Einleitung der Akuttherapie mit Reperfusion minderperfundierter Areale
- Siehe für das Notfallmanagement: Schlaganfall - AMBOSS-SOP
- Siehe auch für allgemeine Informationen zur Akuttherapie: Schlaganfall - Akuttherapie im Krankenhaus
- Auf der Stroke Unit
- Therapie/Vermeidung von Komplikationen (siehe: Frühversorgung auf der Stroke Unit)
- Etablierung einer Sekundärprophylaxe (siehe: Prävention bei Schlaganfall)
Präklinisches Management beim ischämischen Schlaganfall [24]
- Voranmeldung und Transport in Krankenhaus mit Stroke Unit(SU)
- Lagerung: Vorzugsweise 30°-Oberkörperhochlagerung
- Untersuchung und Behandlung nach ABCDE-Schema
- Überwachung der Vitalparameter (EKG, Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur) und des Blutzuckers
- Anlage eines venösen Zugangs
- Bedarfsgerechte Sicherung/Stabilisierung der Vitalfunktionen
- Sauerstoffgabe ab spO2 <95% (Ziel: Normoxämie)
-
Arterielle Hypertonie i.d.R. tolerieren
- Bei Werten ≥220 mmHg systolisch oder ≥120 mmHg diastolisch: Vorsichtig titrierend senken (max. um 15%) [1][24]
- Arterielle Hypotonie: Ursachenforschung (Herzrhythmusstörungen, reduzierte Auswurfleistung oder Hypovolämie?)
- Ggf. Volumengabe (kristalloide Lösungen)
- Ggf. Noradrenalin
- Siehe: Neuroprotektive Basismaßnahmen bei ischämischem Schlaganfall
Keine Gabe gerinnungsaktiver Substanzen!
Akuttherapie im Krankenhaus
Bei Eintreffen des Patienten oder der Patientin mit V.a. Schlaganfall/TIA im Krankenhaus steht nach Diagnosestellung und Blutungsausschluss in der cCT oder MRT die Entscheidung an, ob eine rekanalisierende Therapie möglich ist.
Für das klinische Management bei V.a. Schlaganfall siehe: Schlaganfall - AMBOSS-SOP
Rekanalisierende Therapie des ischämischen Schlaganfalls
- Ziel: Reperfusion minderperfundierter Areale (sog. Penumbra oder „Tissue At Risk“ ), da hier der Zelluntergang noch verhindert werden kann („Time is brain!“)
- Therapieoptionen
- Thrombolysetherapie und/oder
- Mechanische Thrombektomie
Thrombolysetherapie bei Schlaganfall [1]
- Wirkprinzip: Aktivierung von Plasminogen → Bildung von Plasmin → Auflösung von Fibrin im Thrombus → Thrombolyse → Reperfusion vormals verschlossener Gefäße
- Wirkstoffe
- Alteplase (rt-PA, rekombinanter gewebespezifischer Plasminogenaktivator)
- Berechnungsbeispiel: Person mit 75 kgKG → rt-PA-Dosis: 75 kgKG × 0,9 mg/kgKG = 67,5 mg
- Erste Spritzenpumpe mit 50 mg/50 mL bestücken
- 7 mL (10%) als Bolus über 1 min injizieren
- 61 mL (90%) über 60 min injizieren, dazu Laufgeschwindigkeit auf 61 mL/h einstellen
- Zweite Spritzenpumpe mit 20 mg/20 mL bestücken
- Berechnungsbeispiel: Person mit 75 kgKG → rt-PA-Dosis: 75 kgKG × 0,9 mg/kgKG = 67,5 mg
- Tenecteplase (TNK, rekombinanter fibrinspezifischer Plasminogenaktivator) [38]
- Dosierung (i.v. Gabe als Bolus)
- 51–59 kgKG: 15 mg bzw. 3.000 U
- 60–69 kgKG: 17,5 mg bzw. 3.500 U
- 70–79 kgKG: 20 mg bzw. 4.000 U
- 80–89 kgKG: 22,5 mg bzw. 4.500 U
- ≥90 kgKG: 25 mg bzw. 5.000 U
- Hinweise zur Anwendung
- Besonders sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung bei ≤50 kgKG oder Alter >80 Jahre
- Keine Daten zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen vorhanden
- Dosierung (i.v. Gabe als Bolus)
- Alteplase (rt-PA, rekombinanter gewebespezifischer Plasminogenaktivator)
- Auswahl des Wirkstoffs
- Vorteile von Alteplase: Zulassung ab 16 Jahren , kostengünstiger als Tenecteplase, langjährige Anwendungserfahrung
- Vorteile von Tenecteplase: Vereinfachte Anwendung (einmalige Bolusgabe ), höhere Fibrinspezifität als Alteplase , weniger Inaktivierung durch den endogenen Inhibitor (PAI1)
- Indikation: Ischämischer Schlaganfall innerhalb von 4,5 h nach Symptombeginn („Thrombolysezeitfenster“) [1]
- Individueller Heilversuch mit Alteplase (Off-Label Use!)
- Voraussetzung: Nachweis von Penumbra [1] bei
- Erweitertem Zeitfenster: 4,5–9 h nach Symptombeginn oder
- Unklarem Zeitfenster: Unknown-Onset Stroke mit Bemerken der Symptome ≤4,5 h
- Voraussetzung: Nachweis von Penumbra [1] bei
- Individueller Heilversuch mit Alteplase (Off-Label Use!)
- Hinweise
- Schnellstmögliche Durchführung!
- Keine obere Altersgrenze
- Radiologische Ischämiefrühzeichen (Gewebshypodensitäten, hyperdenses Arterienzeichen oder Anzeichen eines Hirnödems) stellen kein Ausschlusskriterium dar!
- Blutdrucksenkung auf <180/105 mmHg vor Beginn der Thrombolysetherapie
- Kontraindikationen für eine Thrombolysetherapie bei Schlaganfall: Insb. bei erhöhtem Blutungsrisiko (Auswahl)
- Aktive oder anamnestisch stattgehabte intrazerebrale Blutung
- Gerinnungsparameter: Thrombozyten <100.000/μL, INR >1,7, Quick <50%
- Wirksame antikoagulative Therapie [39][40]
- Erkrankungen mit erhöhtem Blutungsrisiko (Malignom, akute Pankreatitis, Ösophagusvarizen)
- Gewebedefekte: OP oder Trauma innerhalb der letzten 2 Wochen, nicht-komprimierbare Punktionen (Organ-, Gefäß- oder Lumbalpunktion) innerhalb der letzten Woche
- Schwangerschaft/Entbindung/Wochenbett
- Nicht kontrollierbare arterielle Hypertonie >180/105 mmHg [1]
- Bakterielle Endokarditis
- Akut-symptomatischer epileptischer Anfall
- Relative Kontraindikationen (Therapie unter Nutzen-Risiko-Abwägung möglich)
- Geringe Ausprägung der Symptome bzw. rückläufige Symptome
- Schlaganfall innerhalb der letzten 3 Monate
- Off-Label Use (besondere Aufklärungspflicht!) bei Antikoagulationstherapie nur unter strengen Voraussetzungen möglich
- Vitamin-K-Antagonisten: INR <1,7
- Direkte Thrombininhibitoren oder direkte Faktor-Xa-Inhibitoren: Normale Gerinnungstests (dilutierte Thrombinzeit, Anti-Faktor-Xa-Aktivität) ODER innerhalb der letzten 48 h keine Einnahme oder bei DOAK-Einnahme ggf. nach Antidot-Gabe (siehe: Antagonisierung von DOAK)
- Komplikationen
- Blutungen (insb. intrakraniell) [41][42]
-
Orolinguales Angioödem mit Gefahr der Atemwegsverlegung (Prävalenz: ca. 1,5%)
- Lysetherapie sofort stoppen
- Kontinuierliches Monitoring von Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung
- Erstmaßnahmen siehe: Behandlungsschema bei Anaphylaxie
- Zur weiteren medikamentösen Therapie siehe: Therapie medikamenteninduzierter Angioödeme
- Nach Thrombolysetherapie
- Erneute cCT-Untersuchung 24 h nach Thrombolysetherapie (Kontroll-CT zum Blutungsausschluss)
- Danach Beginn einer antithrombozytären Therapie bzw. Antikoagulation in Abhängigkeit von Kontroll-CT, Klinik und ätiopathogenetischen Erwägungen
- Regelmäßige Blutdruckkontrollen, siehe auch: Neuroprotektive Basismaßnahmen bei ischämischem Schlaganfall
Keine gerinnungshemmenden Substanzen innerhalb von 24 h nach Thrombolysetherapie!
Interventionelle Therapie des Schlaganfalls (mechanische Thrombektomie) [1][43][44][45][46][47][48]
- Indikationen
-
Akuter Verschluss der größeren hirnversorgenden Gefäße des vorderen Kreislaufs mit klinisch relevantem neurologischen Defizit
- Bis 6 h nach Symptombeginn, im Einzelfall auch darüber hinaus
- Kombination mit einer vorherigen intravenösen Thrombolysetherapie bei Symptombeginn <4,5 h
-
Akuter vertebrobasilärer Verschluss
- Keine definierte zeitliche Obergrenze
- Zusätzlich intravenöse Thrombolysetherapie bei Schlaganfall (falls nicht kontraindiziert)
- Zusätzliche intraarterielle Thrombolysetherapie: Einzelfallentscheidung
-
Akuter Verschluss der größeren hirnversorgenden Gefäße des vorderen Kreislaufs mit klinisch relevantem neurologischen Defizit
- Hinweise
- Schnellstmögliche Durchführung!
- Ausgedehnte Infarkte: Einzelfallentscheidung, bei Vorliegen einer Penumbra (→ Perfusions-Diffusions-Mismatch) kann Intervention sinnvoll sein
- Keine obere Altersgrenze
- Prozedere
- Nicht-invasive Gefäßdarstellung (CT-Angiografie, MR-Angiografie) bei potenziell geeigneten Patient:innen für interventionelle Therapie → Darstellung des Hauptstammverschlusses
- Bei Zeitfenster >6 h nach Symptombeginn: Darstellung des Perfusions-Diffusions-Mismatch (PWI-DWI-Mismatch)
-
Innerhalb des 4,5-Stunden-Zeitfensters: Vorab zusätzlich intravenöse Thrombolysetherapie mit rt-PA (bei fehlenden Kontraindikationen)
- Ein Wirkungseintritt sollte nicht abgewartet werden, da dies die mechanische Thrombektomie verzögert
- Falls notwendig, notfallmäßige Verlegung in Zentrum mit endovaskulärer Therapiemöglichkeit („drip-and-ship“-Strategie)
- Ggf. Sedierung oder Intubationsnarkose
- Ggf. medikamentöse Blutdrucksenkung auf ≤180/105 mmHg vor Beginn der mechanischen Thrombektomie
-
Mechanische Thrombektomie mittels Stent Retriever
- Arterieller Zugang über A. femoralis
- Sondierung der betroffenen Hirnarterie mit einem Führungskatheter
- Hirnversorgende Gefäße und Gefäßabbruch (= thromboembolischer Verschluss) werden angiografisch dargestellt
- Einführung eines Mikrokatheters, der den Thrombus passiert
- Stent-Retriever-System wird über den Mikrokatheter vorgeschoben und nach Positionierung über dem Thrombus durch Zurückziehen des Mikrokatheters geöffnet
- Entfernung des Thrombus mit dem Stent Retriever durch Zurückziehen sowie gleichzeitige Aspiration über den Führungskatheter
- Ziele
- Leistenpunktion innerhalb von 90 Minuten nach Ankunft in Klinik („Door-To-Groin Time“)
- Thrombektomie innerhalb von 30 Minuten nach Leistenpunktion
- Reperfusion gemäß der TICI-Skala: Mind. 2b (von 3), d.h. komplette, aber verlangsamte Füllung des nachgeschalteten Gefäßterritorium
- Komplikationen
- Gefäßperforation
- Intrazerebrale Blutung
- Subarachnoidalblutung
- Arteriendissektion
- Verschleppung von Emboli
- Vasospasmen
Frühversorgung auf der Stroke Unit
Die Versorgung in der Frühphase nach Schlaganfall dient der Vermeidung von Rezidiven und sekundären Komplikationen. Sie sollte auf einer Stroke Unit (Schlaganfall-Station) erfolgen. [1]
- Stroke-Unit-Konzept
- Definition: Neurologische Stationen, die auf die Therapie von Schlaganfällen spezialisiert sind
- Bestandteile: Strukturiertes Initialmanagement mit hohen diagnostischen und therapeutischen Qualitätsstandards inkl.
- Monitoring-Betten
- 24/7-Verfügbarkeit von CT oder MRT, neurologischer Ultraschall-Diagnostik
- Möglichkeit neurochirurgischer oder interventioneller Behandlung (in eigener Fachabteilung oder mit fester Kooperation)
- Multidisziplinärer Teams aus Ärzten, Pflege, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Sozialarbeitern
- Vorteile: Reduktion von Mortalität und Morbidität
- Monitoring: Beginn unmittelbar nach stationärer Aufnahme
- Kontinuierliches Monitoring der Vitalparameter: EKG, Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung
- Regelmäßige Kontrolle
- Neurologischer Befund mit Dokumentation des NIHSS-Scores
- Temperatur und Blutzucker
- Infektparameter (→ Antibiotische Behandlung bakterieller Infektionen, keine antibiotische Prophylaxe)
- Dysphagie-Screening („Schluckversuch“) vor erster oraler Kost
- Neuroprotektive Basismaßnahmen bei ischämischem Schlaganfall/TIA [1]
- Blutdruckmanagement
- Antihypertensive Therapie nur bei Überschreitung kritischer Blutdruckgrenzen
- In den ersten Tagen nach Schlaganfall leichte Hypertonie anstreben
- Schnelle und drastische Blutdrucksenkung vermeiden!
- Aber: Konsequente Therapie hypotoner Blutdruckwerte
- Korrektur [1]
- Ab ≥220/120 mmHg: Senkung um max. 25% in den ersten 24 h
- Vor Thrombolyse oder Thrombektomie auf <180/105 mmHg senken
- Blutzuckermanagement: Vermeidung schwerer Hypo- und Hyperglykämien
- Korrektur
- Ab>180 mg/dL: I.d.R. mit Alt-Insulin [49]
- Ab <60 mg/dL: Mit bspw. 40%iger Glucoselösung (20–60 mL)
- Siehe auch: Diabetes mellitus – Stationäres Blutzuckermanagement
- Korrektur
- Weitere Maßnahmen
- Fiebersenkung mit dem Ziel der Normothermie (<37,5 °C)
- Ausgleich von Elektrolytstörungen
- Erwägung einer nasogastralen Sonde zur Ernährung
- Blutdruckmanagement
- Thromboseprophylaxe
- Supportiv
- Frühmobilisation und ausreichende Volumentherapie
- Keine Verwendung von Kompressionsstrümpfen
- Intermittierende pneumatische Kompression
- Medikamentös: Bevorzugt mit niedermolekularen Heparinen
- Supportiv
- Frührehabilitative Behandlung: Rehabilitationsmaßnahme, die bereits während der akutstationären Behandlung einsetzt (u.a. physio- und ergotherapeutische sowie logopädische Maßnahmen)
- Leicht bis mittelschwer Betroffene: Beginn der Therapien innerhalb von 48 h
- Schwer Betroffene: Start der Mobilisierung zwischen 24 und 48 h nach Symptombeginn
- Rehabilitation bspw. nach dem Bobath-Konzept
Bei akutem ischämischem Apoplex soll eine medikamentöse Blutdrucksenkung in der Regel nicht erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme 2)
Frühe Sekundärprophylaxe nach ischämischem Schlaganfall beginnen (siehe: Prävention des Schlaganfalls)!
AMBOSS-Pflegewissen: Ischämischer Schlaganfall
Erstversorgung des ischämischen Schlaganfalls
Der ischämische und der hämorrhagische Schlaganfall (siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Intrazerebrale Blutung und Subarachnoidalblutung) sind Notfälle und erfordern eine schnellstmögliche Therapie. Andernfalls ist mit schweren Einschränkungen bzw. einem lebensbedrohlichen Zustand zu rechnen. Um sich einen schnellen Überblick über die Symptome (insb. auch außerhalb der klinischen Versorgung) zu verschaffen, hat sich das sog. Schema „BE-FAST“ (Balance, Eyes, Face, Arms, Speech, Time) als hilfreich erwiesen. Zur Therapie siehe auch: Schlaganfall - Präklinisches Management .
Bei Eintreffen des Patienten oder der Patientin mit V.a. Schlaganfall oder TIA im Krankenhaus ist nach Diagnosestellung und Blutungsausschluss in der cCT oder cMRT ärztlicherseits die Entscheidung zu treffen, ob eine rekanalisierende Therapie möglich ist. Im Rahmen der rekanalisierenden Therapie stehen das Assistieren sowie die Nachbeobachtung im Hinblick auf Komplikationen im Vordergrund. Nach der Erstversorgung wird der/die Patient:in auf eine neurologische Überwachungs- oder Intensivstation bzw. auf eine Stroke Unit verlegt. Weitere Informationen siehe auch: Schlaganfall - AMBOSS-SOP .
- Auftreten von Symptomen im Stationsalltag: Zusätzlich zu allen weiteren Maßnahmen
- Schnellstmöglich ärztliches Personal und weitere Pflegekräfte herbeirufen
- Notfallwagen bereithalten: Advanced Life Support (ALS) durchführen
- Intravenöse Zugänge und Blutentnahme vorbereiten bzw. durchführen, siehe auch: Labordiagnostik bei Schlaganfall
- Transport zur weiteren Diagnostik mit Notfallausrüstung gemeinsam mit ärztlichem Personal
- Kontinuierliches Monitoring der Vitalparameter: Beginn unmittelbar nach stationärer Aufnahme bzw. V.a. Schlaganfall
- EKG, Herzfrequenz
- Blutdruck: Antihypertensive Therapie nur bei Überschreitung kritischer Blutdruckgrenzen
- Ab ≥220/120 mmHg: Senkung um max. 25% in den ersten 24 h nach ärztlicher Anordnung
- Vor Thrombolyse oder Thrombektomie: Nach ärztlicher Anordnung auf <180/105 mmHg senken
- Atmung: Insb. Atemfrequenz, siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Beobachten der Atmung
- Sauerstoffsättigung: Sauerstoffgabe nach ärztlicher Anordnung ab spO2 <95% (Ziel: Normoxämie)
- Temperatur: Fiebersenkung mit dem Ziel der Normothermie (<37,5 °C)
- Blutzucker: Vermeidung schwerer Hypo- und Hyperglykämien, Korrektur nach ärztlicher Anordnung i.d.R.
- Ab >180 mg/dL: I.d.R. mit kurzwirksamen Insulinen
- Ab <60 mg/dL: Mit bspw. 40%iger Glucoselösung (20–60 mL)
- Siehe auch: Diabetes mellitus – Stationäres Blutzuckermanagement
- Vigilanz- und Pupillenkontrolle , siehe auch: Prüfung der Pupillomotorik
- 12-Kanal-EKG und weitere diagnostische Maßnahmen: Nach ärztlicher Anordnung durchführen bzw. assistieren
- Blasendauerkatheter: Ggf. nach ärztlicher Anordnung, bei Lysetherapie ausreichenden zeitlichen Abstand einhalten
- Positionierung: Ggf. nach ärztlicher Anordnung Bettruhe
- Ggf. Vorbereitung und Assistenz bei rekanalisierender Therapie des ischämischen Schlaganfalls
- Aufgaben der Pflegekräfte bei Lysetherapie
- Ggf. Vorbereitung und Überwachung der Medikamentengabe und des Perfusors für das Lysemedikament
- Engmaschige Beobachtung der Patient:innen über Monitoring und im Hinblick auf Komplikationen der Therapie, insb. Blutungen
- Blut in Urin und Stuhlgang
- Einblutungen in die Schleimhäute
- Petechien
- Bewusstseinsveränderungen
- Kreislaufinstabilität
- Allergische Reaktion auf die verabreichten Medikamente
- Bei Thrombektomie: Medikamente und weiterführende Maßnahmen nach ärztlicher Anordnung vorbereiten
- Aufgaben der Pflegekräfte bei Lysetherapie
- Verlegung auf eine Intensivstation bzw. Stroke Unit: Mit Notfallausrüstung und Begleitung durch ärztliches Personal
Während der systemischen Lysetherapie dürfen keine i.m. Injektionen durchgeführt werden, da die Blutungsgefahr stark erhöht ist!
Auch die psychische Unterstützung ist wichtig, da die Symptome je nach Ausprägung große Angst auslösen können. Das Vorgehen sollte erklärt und der/die Patient:in beruhigt werden!
Pflegerische Maßnahmen im weiteren Verlauf
Die pflegerischen Maßnahmen nach einem Schlaganfall richten sich nach den Einschränkungen und Symptomen der Patient:innen. Darüber hinaus kommen v.a. in der bereits während der akutstationären Behandlung beginnenden frührehabilitativen Behandlung verschiedene pflegerische Konzepte zum Einsatz. Diese sollen insb. die Wahrnehmung und Bewegungsabläufe der Patient:innen verbessern.
- Hohe Relevanz der Arbeit im interdisziplinären Team
- Pflegekräfte
- Ärztliches Personal
- Physiotherapeut:innen
- Ergotherapeut:innen
- Logopäd:innen
- Beginn der Therapien
- Bei leicht bis mittelschwer Betroffenen: Innerhalb von 48 h nach Symptombeginn
- Bei schwer Betroffenen: Wenn möglich zwischen 24 und 48 h nach Symptombeginn
- Fokus auf Erkennen von Risikofaktoren : Während pflegerischer Maßnahmen, bspw.
- Unregelmäßiger Puls
- Erhöhte Blutdruckwerte
- Unterstützung der Betroffenen und Angehörigen
- Raum für Sorgen und Ängste geben
- Betroffene motivieren, Fortschritte anerkennen
- Fragen beantworten
- Weiterführende Informationen vermitteln
Beobachten/Überwachen
- Basismonitoring: Je nach ärztlicher Anordnung kontinuierlich oder mehrmals täglich
- Herzfrequenz bzw. EKG
- Blutdruck
- Atmung
- spO2
- Temperatur
- Ggf. Blutzucker
- Im Hinblick auf Hinweise für eine klinische Verschlechterung: Bei Verdacht sofort eine:n Ärztin/Arzt informieren!
- Intrakranielle Druckerhöhung
- Vigilanz: Somnolenz, Sopor, Koma
- Pupillenreaktion: Im Hinblick auf Veränderungen mind. 1×/Schicht , siehe auch: Prüfung der Pupillomotorik
- Andere Zeichen: Bspw. Kopfschmerzen, Übelkeit/Erbrechen, Diplopie, siehe auch: Klinische Hirndruckzeichen
- Neurologische Defizite: Verschlechterung der bestehenden Defizite oder neues Defizit
- Nach einer Thrombolyse: Auf Blutungszeichen achten
- Intrakranielle Druckerhöhung
- Flüssigkeitshaushalt: Inkl. Flüssigkeitsbilanzierung und Zielbilanz (i.d.R. ausgeglichen) nach ärztlicher Anordnung
- Fixierungsmaßnahmen: Nur nach ärztlicher Anordnung!
An den stärker betroffenen Extremitäten sollten möglichst keine Blutabnahmen, Infusionen oder Blutdruckmessungen durchgeführt werden!
Positionierung
- Auf die betroffene Seite, um die Wahrnehmung dieser zu fördern
- Gelenke möglichst in Neutralstellung : Insb. Kopf und Hände
- Nestlage: Zur Wahrnehmung der Körpergrenzen und Entspannung wird der Körper rundherum gepolstert
Mobilisation/Bewegung
- Ggf. angeordnete Bettruhe beachten
- Betroffene Körperhälfte einbeziehen: Patient:innen zu gezielten Bewegungen anleiten, um einen korrekten Umgang mit der stärker betroffenen Seite zu fördern
- Orientierung geben : Auf festen Oberflächen, immer die weniger betroffene Seite nutzen
- Beine aufstellen vor Drehung im Bett
- Haltemöglichkeiten aufzeigen
- Im Sitzen mit den Händen aufstützen lassen
- Arm auf feste Oberfläche positionieren, bspw. Tisch
- Sturzprophylaxe: Stolperfallen beseitigen, ggf. nach ärztlicher Anordnung Bettgitter bzw. einen Teil dieser als Begrenzung hochziehen
- Mobilisation ins Sitzen: Insb. zu Beginn nur in kurzen Intervallen, auf eine symmetrische Hüft-/Beckenhaltung achten
- Voraussetzungen für kurzes Stehen
- Ausreichend Tonus und Stabilität im betroffenen Bein
- Fähigkeit, das Gleichgewicht halten zu können
- Schulter- und Hüftluxationen vorbeugen : Insb. bei Hemiplegien
- Betroffene Extremitäten körpernah fassen und vorsichtig bewegen: Nie nur am distalen Arm/Bein oder unter der Schulter greifen, Ellenbogen/Kniegelenk und Handgelenk/Knöchel physiologisch unterstützen
- Um Arm nach vorn oben zu bewegen: Leicht nach außen rotieren , nie abduzieren oder >50° nach oben bewegen
- Zug an der betroffenen Extremität vermeiden: Betroffene Arme bzw. Beine nie länger nach unten hängen lassen
- Hüftgelenk in Mittelstellung positionieren: Bein sollte nicht nach außen rotiert sein
- Bewegungsradius der betroffenen Extremitäten an die der weniger betroffenen Extremität anpassen
- Auf Schmerzzeichen der Patient:innen achten: Abwehrbewegungen, Stöhnen, hektische Augenbewegungen
Um Luxationen und Verletzungen der Gelenke vorzubeugen, sind die Extremitäten während der Positionierung so zu unterpolstern, dass sie in einer physiologischen oder dem Bewegungsradius angepassten Stellung liegen. Bei Bewegungen der betroffenen Extremität ist auf den Bewegungsradius der weniger betroffenen Extremität zu achten und die Bewegung an diesen anzupassen!
Insb. Patient:innen mit Neglect, Pusher-Symptomatik, eingeschränkter Sehfähigkeit und Hemiparesen/-plegien sind hochgradig sturzgefährdet! Mobilisation und Transfer sind möglichst mit zwei Pflegekräften durchzuführen!
Prophylaxen
- Aspirationsprophylaxe, Malnutritions- und Dehydrationsprophylaxe: Insb. bei Dysphagie, siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Aspirationsprophylaxe
- Sturzprophylaxe: Insb. bei nicht-orientierten Patient:innen und bei Patient:innen mit Neglect, Pusher-Symptomatik, eingeschränkter Sehfähigkeit, Hemiparesen und -plegien sowie Dranginkontinenz, siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Sturzprophylaxe
- Pneumonie- und Dekubitusprophylaxe: Aufgrund der Bewegungseinschränkungen, siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Pneumonieprophylaxe
- Thromboseprophylaxe: Aufgrund der Bewegungseinschränkungen
- Frühmobilisation und ausreichende Volumentherapie
- Keine Verwendung von Kompressionsstrümpfen, ggf. intermittierende pneumatische Kompression
- Medikamentös: Bevorzugt mit niedermolekularen Heparinen nach ärztlicher Anordnung
- Obstipationsprophylaxe: Insb. um erhöhten intrakraniellen Druck bei der Defäkation bzw. dem Pressen zu verhindern, siehe AMBOSS-Pflegewissen: Obstipation und Obstipationsprophylaxe
Körperpflege
Die Körperpflege erfolgt nach Pflegekonzepten wie Bobath, Basale Stimulation oder Kinästhetik. Die Pflegekraft unterstützt die Patient:innen soweit nötig, indem sie bspw. anleitet oder ihre Hand führt. Insb. im Frühstadium wird die Körperpflege ggf. durch die Pflegekraft übernommen. Zunehmend sollte jedoch die betroffene Person einbezogen und so die Selbstständigkeit gefördert werden.
- Patient:innen über Vorgehen (mittels Initialberührung) informieren
- Positionierung: Stabiler Sitz oder 90°-Seitenlage auf der betroffeneren Seite
- Mit konstantem Druck und möglichst durchgehendem Körperkontakt arbeiten
- I.d.R. von der weniger betroffenen Seite zur betroffeneren Seite waschen
- Körperwahrnehmung fördern: Bei Patient:innen, die ein Krankheitsbewusstsein erlangt haben
- Betroffene Körperhälften einbeziehen: Patient:innen anleiten, betroffene Seite zu berühren
- Voraussetzungen für das Waschen am Waschbecken
- Stabiler Kreislauf
- Kopf- und Rumpfstabilität
- Aufmerksamkeit
- Hüftbewegung nach vorn möglich
- Füße können zum Boden Kontakt halten
- Mind. ein Arm ist ausreichend beweglich
- Ankleiden: Immer mit der betroffeneren Seite beginnen, dann mit Kopf fortfahren
- Auskleiden: Mit der weniger betroffenen Seite beginnen
- Kleidung: Insb. an betroffenen Extremitäten lockere Kleidung wählen, Einschnürungen vermeiden
- Raumaufteilung beachten: Insb. bei Patient:innen mit Neglect, Hemianopsie etc.
- Zur Förderung der Wahrnehmung: Bspw. Ansprache von der betroffenen Seite, Nachttisch auf betroffene Seite
- Ausscheidung: Blasendauerkatheter schnellstmöglich nach ärztlicher Anordnung entfernen
- Hilfsmittel (bspw. Inkontinenzversorgung, Urinflaschen, Steckbecken) verwenden
- Toiletten- und Blasentraining
- Ggf. zunächst Steckbecken/Urinflasche, mit zunehmender Mobilisation Toilettenstuhl bzw. -gang
Bei Neglect ist darauf zu achten, dass die Patient:innen die betroffene Seite (z.B. beim Waschen, Abtrocknen, Pflegen, Rasieren, Kämmen) nicht vernachlässigen!
Ernährung
Schluckstörungen sind bei Schlaganfall sehr häufig. Sie erhöhen das Risiko für Aspirationspneumonien sowie Dehydratation und Malnutrition.
- Siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Aspirationsprophylaxe
- Dysphagie-Screening („Schluckversuch“): I.d.R. Aufgabe von Ärzt:innen oder Logopäd:innen
- Wasserschlucktest: Einfacher klinischer Test zur Prüfung einer Dysphagie
- Durchführung: Patient:innen trinken erst 2 × 5 mL, dann 2 × 10 mL und danach 2 × 20 mL Wasser, nach jedem Versuch wird jeweils für mind. eine Minute auf folgende Symptome geachtet
- Husten bzw. schwacher oder kein Husten möglich nach Aufforderung
- Veränderter Klang der Stimme
- Würgereflex
- Dysphonie (beeinträchtigte Stimmbildung)
- Dysarthrie (Sprechstörung)
- Auswertung: Dysphagie liegt vor, wenn mehr als eines der genannten Symptome auftritt
- Durchführung: Patient:innen trinken erst 2 × 5 mL, dann 2 × 10 mL und danach 2 × 20 mL Wasser, nach jedem Versuch wird jeweils für mind. eine Minute auf folgende Symptome geachtet
- Ggf. Gugging Swallowing Screen (GUSS)
- Siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Ersteinschätzung eines physiologischen Schluckvorgangs
- Wasserschlucktest: Einfacher klinischer Test zur Prüfung einer Dysphagie
- Anpassen der Kostform nach Anordnung von Logopäd:innen bzw. Ärzt:innen: Bspw. Flüssigkeiten andicken, passierte Kost
- Bei starker Dysphagie: Ernährung über Sonden, siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Sonden
- Nasogastrale Sonde nach ärztlicher Anordnung legen
- Bei starker Dysphagie: Ernährung über Sonden, siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Sonden
- Hilfsmittel: Wie Ess- und Trinkhilfen , um die Selbstständigkeit der Patient:innen zu fördern
- Malnutritions- und Dehydrationsprophylaxe: Gewichtskontrollen, Essprotokolle und Flüssigkeitsbilanzierungen durchführen
Umgang mit Patient:innen mit Aphasie
- Kurze, einfache Sätze
- Ruhe und Geduld bewahren
- Langsam, deutlich, in normaler Lautstärke sprechen
- Patient:innen einbeziehen, nicht übergehen
- Ja-/Nein-Fragen stellen
- Patient:innen nicht verbessern
- Bei Unverständnis: Mimik, Gestik, Bilder, Buchstabentafeln einsetzen (lassen)
- Kein Verständnis vortäuschen, wenn Äußerungen nicht verständlich sind
- Sprachtherapeut:innen einbeziehen
Patient:innen mit Aphasie sollten ernst genommen und respektiert werden! Ggf. müssen kreative Wege gefunden werden, um mit den Betroffenen zu kommunizieren!
Beratung (und Prävention)
- Häusliches Umfeld und mögliche Anpassungen klären: Ggf. Sozialdienst/Case-Management einbeziehen
- Über Möglichkeiten der Anschlussheilbehandlung nach ärztlicher Rücksprache informieren
- Ggf. über Pflegeeinrichtungen, Kurzzeitpflege, Pflegedienste etc. informieren
- Anpassungen im häuslichen Umfeld, bspw. Hausnotruf
- Wenn gewünscht, Angehörige schulen: In der alltäglichen Pflege, für die Einschränkungen der Betroffenen sensibilisieren
- Weitere Beratung zu
- Rauchstopp
- Ernährung: Vitaminreiche, fettreduzierte Kost
- Sport: Nach ärztlicher Empfehlung, bspw. in Selbsthilfegruppen
- Teilnahme am gesellschaftlichen Leben: Informationen für Betroffene aushändigen
- Finanzielle Unterstützung: Bspw. Pflegegeld, Schwerbehindertenausweis, für Anpassungen im häuslichen Umfeld
- Notwendigkeit der regelmäßigen Kontrollen bei Hausärzt:innen erläutern: Insb. bei Risikofaktoren wie arterieller Hypertonie, Vorhofflimmern, Diabetes mellitus
Prävention
Primärprävention des ischämischen Schlaganfalls [11][24]
- Optimale Einstellung der Grundkrankheiten bzw. Beseitigung der veränderbaren Risikofaktoren (siehe auch: Prävention der Atherosklerose)
- Blutzuckereinstellung
- Blutdruckeinstellung
- Nikotinverzicht
- Risikoadaptierte LDL-Cholesterineinstellung mit Statinen
- Ggf. Gewichtsreduktion und Anpassung des Ernährungsstils
- Regelmäßig Sport treiben
- Vermeidung eines hohen Alkoholkonsums (>40 g täglich)
- Bei Vorhofflimmern: Ggf. Antikoagulation und/oder Kardioversion (für detaillierte Informationen siehe: Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern)
- Patientenedukation: Patient:innen mit kardiovaskulären Risikofaktoren über das Schema FAST (Neurologie) und entsprechend einzuleitende Maßnahmen informieren
Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls und der TIA [1][11][50]
Allgemein
- Maßnahmen der Primärprävention sowie [24][50]
- Behandlung mit Statinen [51]
- Blutdruckeinstellung i.d.R. mit Zielkorridor von 120/70–140/90 mmHg
- Siehe auch: Therapie atherosklerotisch bedingter Erkrankungen
- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom ggf. abklären/behandeln
- Stressreduktion
- Vermeidung kombinierter hormoneller Kontrazeption und postmenopausaler Hormonersatztherapie
Ischämischen Schlaganfällen liegen i.d.R. kardiologische Grunderkrankungen (insb. Atherosklerose und Vorhofflimmern) zugrunde. Die (Sekundär‑)Prophylaxe muss daher immer die optimale Einstellung dieser internistischen Erkrankungen einschließen!
Schlaganfall OHNE Vorhofflimmern
- Frühe Rezidivprophylaxe mit einfacher Thrombozytenaggregationshemmung
- ASS ; bei Unverträglichkeit: Clopidogrel oder Ticagrelor
- Beginn innerhalb von 24–48 h nach Symptombeginn
- Bei erfolgter systemischer Lysetherapie: Zuvor mittels Bildgebung eine Blutung ausschließen!
- Sonderfall: Hochrisiko-TIA oder Minor Stroke : Vorübergehende doppelte Thrombozytenaggregationshemmung [1][52][53]
- Initial (Beginn innerhalb von 24 h nach Ereignis) [1]
- ASS + Clopidogrel für 21 Tage oder
- ASS + Ticagrelor für 30 Tage
- Anschließend: Monotherapie mit ASS oder Clopidogrel [54][55][56]
- Voraussetzungen
- Keine rekanalisierende Therapie erfolgt
- Kein erhöhtes intra- oder extrakranielles Blutungsrisiko
- Initial (Beginn innerhalb von 24 h nach Ereignis) [1]
Schlaganfall MIT Vorhofflimmern [50]
- Therapeutische Antikoagulation mit DOAK oder Cumarinen
- Beginn: Individuelle Entscheidung, u.a. in Abhängigkeit von Infarktgröße oder sekundärer Einblutung
- Keine zusätzliche Gabe von ASS oder Clopidogrel (Ausnahme: Klare Indikation zur Thrombozytenaggregationshemmung, bspw. nach frischer Stentimplantation)
- Siehe auch: Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern
Vorgehen bei Karotisstenose
Das Vorliegen einer Karotisstenose wird i.d.R. mittels Duplexsonografie gesichert (Flussgeschwindigkeiten von ca. 300–500 cm/s sprechen für eine hochgradige Stenose).
- Symptomatische Stenose
- Maßnahmen der Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls
-
Revaskularisierung: Insb. bei hochgradigen Stenosen empfohlen
- Thrombendarteriektomie (offen chirurgisch)
- Stentimplantation (endovaskulär)
- Akut symptomatisch : Rekanalisierende Therapie des ischämischen Schlaganfalls
- Asymptomatische Stenose
- Maßnahmen der Primärprävention des ischämischen Schlaganfalls
- Ggf. Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Statingabe
- Revaskularisierung erwägen (bei hochgradigen Stenosen)
Die Bestimmung des Stenosegrades bei Veränderungen der Arteria carotis soll mit der farbkodierten Duplex-Sonografie (FKDS) erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie)
Komplikationen
Allgemein [57][58]
- Auftreten von Komplikationen innerhalb der ersten Woche: In etwa ⅔ der Fälle
- Risiko für ein Schlaganfallrezidiv innerhalb des ersten Jahres nach dem Schlaganfall: Ca. 10–12%
- Insg. häufigste Komplikationen: Schmerzen, Fieber (in je ca. ¼ der Patient:innen) [59]
Intrakranielle Druckerhöhungen [58][60][61]
Intrakranielle Druckerhöhungen können nach einem ischämischen Infarkt auf dem Boden einer sekundären Blutung und/oder der Entwicklung eines Hirnödems auftreten.
- Sekundäre Blutungen
- Iatrogen
- Postoperatives zerebrales Hyperperfusionssyndrom [62][63]
- Definition: Plötzliche Hyperperfusion eines zerebralen Stromgebietes Stunden bis Tage nach einem ischämischen Ereignis mit nachfolgender interventioneller Revaskularisierung
- Pathomechanismus: Nicht im Detail bekannt; vermutlich greifen eine Störung der zerebrovaskulären Autoregulation, ein postoperativ erhöhter arterieller Blutdruck und eine Schädigung der zerebrovaskulären Barorezeptoren ineinander und münden in einem Hirnödem und/oder Einblutungen
- Klinik: Einseitige Kopfschmerzen , fokal-neurologische Defizite, fokal beginnende epileptische Anfälle, Hirndruckzeichen
- Therapie: Medikamentöse Blutdrucksenkung, bspw. durch Gabe von Urapidil oder (bei bestehender Tachykardie) kurzwirksamer Betablocker (bspw. Esmolol)
- Klinisch relevante Hirnödeme: Insb. beim malignen Media-Infarkt und beim raumfordernden Kleinhirninfarkt
Maligner Media-Infarkt [64]
- Definition: Ausgedehnte Ischämie im Stromgebiet der A. cerebri media (meist >⅔ des Stromgebiets) nach Verschluss des M1-Abschnittes der A. cerebri media oder der distalen A. carotis interna („Karotis-T“) mit Entwicklung eines Hirnödems und daraus resultierender Kompression der Seitenventrikel und Mittellinienverlagerung
- Häufigkeit: Bis zu 10% der Media-Infarkte [65]
- Zeitpunkt: Ausbildung des Hirnödems i.d.R. innerhalb der ersten 2–5 Tage nach Infarkt
- Klinik: Hirndruckzeichen zusätzlich zu Symptomen des Mediainfarkts
- Diagnostik: Verlaufsbildgebung per cCT/cMRT (siehe auch: Bildgebung bei Schlaganfall)
- Demarkierung eines (Sub‑)Totalinfarktes im Stromgebiet der A. cerebri media
- Ausgedehntes Hirnödem mit Ventrikelkompression und Mittellinienverlagerung
- Ggf. transtentorielle Einklemmung
- Therapie [1]
- Allgemein: Frühzeitige Intubation, Beatmung und situationsgerechte Lagerung [23]
- Operative Hirndrucksenkung: Dekompressive Hemikraniektomie [1]
- Möglichst frühzeitig (und innerhalb von 48 h) nach dem Ereignis
- Bei bereits eingetretenen Folgeerscheinungen (z.B. Zeichen einer Einklemmung) ist der Nutzen einer Hemikraniektomie unklar
- Konservative Hirndrucksenkung: Nur bei Kontraindikation/Ablehnung der Hemikraniektomie [1]
- Evtl. Osmotherapie (z.B. Mannitol)
- Prognose
- Rein konservative Therapie: Sterblichkeit altersabhängig ca. 70–75%
- Dekompressive Hemikraniektomie: Reduziert die Sterblichkeit altersabhängig um ca. 25–50% und verbessert das funktionelle Outcome
Raumfordernder Kleinhirninfarkt
- Häufigkeit: Etwa 10% der zerebellären Ischämien
- Klinik (zusätzlich zur Symptomatik des Schlaganfalls, insb. der Kleinhirnsymptome)
- Vigilanzminderung im Verlauf
- Klinische Zeichen der Hirnstammkompression (etwa vertikale Blickparese, neu aufgetretene Pyramidenbahnzeichen)
- Einklemmungszeichen
- Diagnostik: Verlaufsbildgebung (cCT/cMRT)
- Therapie: Modalität wird prinzipiell anhand des Vigilanzniveaus festgelegt
- Patient:in wach/somnolent: Konservative Hirndrucksenkung unter engmaschiger Überwachung
- Patient:in soporös/komatös
- Verlegung in Neurochirurgie
- Liquorzirkulationsstörung ohne Hirnstammkompression: Externe Ventrikeldrainage, Osmotherapie, ggf. dekompressive Kraniektomie
- Drohende Hirnstammkompression: Frühzeitige dekompressive subokzipitale Kraniektomie, ggf. nach passagerer Osmotherapie
- Prognose
- Bei adäquater Intervention relativ gut
- Schlecht bei begleitender ausgedehnter Hirnstammischämie
Bei erhöhtem intrakraniellem Druck darf die Entscheidung zur Operation, soweit indiziert, nicht länger als nötig hinausgezögert werden!
Pneumonie (insb. Aspirationspneumonie)
- Risikofaktoren: Schluckstörungen (s.u.), Vigilanzminderung
- Diagnostik: Siehe: Diagnostik der Pneumonie
- Therapie: Siehe: Therapie der Pneumonie
- Prävention
- Dysphagie-Screening (Screening mit GUSS, logopädische Testung und Schlucktraining)
- Frühmobilisation
Schluckstörungen nach ischämischem Schlaganfall [1][61]
- Häufigkeit: Initial ca. 50%
- Diagnostik: Dysphagie-Screening innerhalb von 24 h nach Aufnahme, ggf. fiberendoskopische Schluckdiagnostik
- Therapie
- Initial orale Nahrungskarenz
- Nahrungszufuhr je nach Dysphagie-Ausprägung
- Leichtgradige Dysphagie (geringes Aspirationsrisiko): Eingedickte Flüssigkeiten, pürierte bzw. weiche Nahrung
- Mittelgradige Dysphagie (mäßiges Aspirationsrisiko): Eingedickte Flüssigkeiten, Dysphagie-Kost, Medikamente zermörsert in angedickter Flüssigkeit
- Hochgradige Dysphagie (hohes Aspirationsrisiko): Keine orale Kost- und Medikamentenzufuhr, stattdessen Nahrung über nasogastrale Sonde, PEG-Sonde und ggf. parenteral
- Funktionelle Schlucktherapie durch Logopäd:innen
- Indikation für PEG-Sonde: Bei absehbarer Ernährungsdauer >28 Tage, Anlage i.d.R nach etwa 14–28 Tagen
- Prävention: Frühmobilisation
- Prognose
- Häufig spontane Rückbildung
- Nach 6 Monaten: Schluckstörung bei <10%
Epileptische Anfälle und Epilepsie nach ischämischem Schlaganfall [1][66][67]
Epileptische Anfälle nach ischämischem Schlaganfall
- Risikofaktoren: Kortikale Läsionen, schwere ischämische Schlaganfälle, Einblutungen
- Pathophysiologie
- Bei akut-symptomatischen Anfällen: Infolge von akuten Elektrolytverschiebungen, Neurotransmitter-Dysbalancen und metabolischen Folgeerscheinungen des Hirninfarkts
- Bei unprovozierten Anfällen: Infolge bleibender Veränderungen der Zell-Elektrophysiologie sowie struktureller Läsionen bzw. Veränderungen der Gewebearchitektur
- Häufigkeit: 2–10%
- Formen
- Akut-symptomatischer Anfall: ≤1 Woche nach Akutereignis
- Unprovozierter Anfall: >1 Woche nach Akutereignis
- Veraltet
- Immediatanfälle: <24 Stunden nach Akutereignis
- Frühanfälle: 1–14 Tage nach Akutereignis
- Spätanfälle: >14 Tage nach Akutereignis
- Therapiegrundsätze [1][68]
- Nach Schlaganfall: Keine anfallssuppressive Primärprophylaxe
- Nach einmaligem akut-symptomatischen Anfall: Keine anfallssuppressive Therapie
- Etwaige anfallssuppressive Therapie : I.d.R. auf Akutphase begrenzen
Strukturelle Epilepsie nach ischämischem Schlaganfall
- Definition
- ≥2 unprovozierte epileptische Anfälle, zwischen denen >24 h liegen
- Plausibel auf ischämische Läsion zurückzuführen
- Risikofaktoren
- Ausgedehnte kortikale Läsionen
- Form des ersten Anfalls (Epilepsierisiko nach akut-symptomatischem Anfall 17–35%, nach unprovoziertem Anfall 65–90%)
- Häufigkeit: 3%
- Therapie: Bspw. mit Lamotrigin oder Levetiracetam [68]
- Alternativen
- Bei unklassifizierter Epilepsie: Valproat
- Bei rein fokaler Epilepsie: Lacosamid
- Alternativen
- Prognose
- Günstigere Prognose als strukturelle Epilepsien infolge anderer Ätiologie (etwa Hippocampussklerose)
- Relativ hohe Rate anfallsfreier Patient:innen unter Monotherapie (ca. 70–90%)
Tiefe Beinvenenthrombose und Lungenembolie
- Risikofaktoren: Immobilisation, ausgeprägte Paresen, hohes Lebensalter, Dehydratation
- Häufigkeit [59]
- Tiefe Beinvenenthrombose: 0,2–4,0%
- Lungenembolie: 0,2–1,0%
- Diagnostik: Siehe: Diagnostik der Phlebothrombose und Diagnostik der Lungenembolie
- Therapie: Siehe: Therapie der Phlebothrombose und Therapie der Lungenembolie
- Prävention [1][69][70]
- Frühmobilisation und ausreichende Hydratation
- Niedrig-dosiert unfraktioniertes Heparin (s.c.) oder niedermolekulare Heparine (s.c.) bei Risikopatient:innen
- Medikamentöse Thromboseprophylaxe: Bevorzugt mit niedermolekularen Heparinen
- Intermittierende pneumatische Kompression, sofern keine Kontraindikationen vorliegen
- Nicht empfohlen: Kompressionsstrümpfe
- Prognose: Lungenembolie relevanter Risikofaktor für Tod nach Schlaganfall, Fallzahlen tendenziell rückläufig [59]
Kardiale Komplikationen [71]
- Risikofaktoren: Vorbestehende Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, QT-Intervall-Verlängerungen im EKG und schwere Schlaganfälle
- Pathophysiologie
- Schlaganfälle können über eine autonome Dysregulation kardiale Komplikationen auslösen
- Andererseits: Schlaganfällen und Myokardinfarkten liegen die selben Risikofaktoren zugrunde → Häufige Koinzidenz
- Häufigkeit
- Myokardinfarkt: ∼2% jährliches Risiko nach Schlaganfall [72]
- Herzrhythmusstörungen: Ca. 25% in der Akutphase [73]
- Herzinsuffizienz: Ca. 15–30% (systolische Dysfunktion, echokardiografisch nachgewiesen) [74]
- Sekundäre EKG-Veränderungen: 15–20% [75]
- Diagnostik
- Engmaschige Überwachung im Rahmen des initialen Monitorings
- 12-Kanal-EKG, ggf. Langzeit-EKG
- TTE oder TEE (im Rahmen der ätiologischen Abklärung)
- Bei kardialer Vorschädigung: Auf Zeichen einer kardialen Dekompensation achten (bilanzierte Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßiges Wiegen)
- Therapie: Entsprechend der Ursache, siehe bspw.: Therapie der kardialen Dekompensation
- Prävention: Optimale Einstellung kardialer Grundkrankheiten bzw. Beseitigung der veränderbaren kardiovaskulären Risikofaktoren (siehe auch: Kardiovaskuläre Risikoabschätzung)
Psychische Komplikationen
Post-Stroke-Depression [24][76][77][78][79]
- Risikofaktoren: Schwere Behinderung, vorbestehende Depression oder Angsterkrankung, kognitive Beeinträchtigung, geringe Unterstützung durch das soziale Umfeld
- Häufigkeit
- Ca. 30–50% aller Patient:innen mit Schlaganfall
- Häufiger jüngere Personen betroffen
- Diagnostik siehe: Diagnosekriterien einer Depression
- Therapie
- Pharmakotherapie der 1. Wahl: SSRI
- Psychotherapie, insb. KVT
- Prävention: Frührehabilitation mit Förderung von Aktivitäten
- Prognose: Negativer Einfluss auf Rehabilitation
Post-Stroke-Delir [1]
- Definition: Delirante Symptomatik nach einem Schlaganfall, die nicht vollständig durch den Schlaganfall selbst erklärt werden kann
- Häufigkeit: Etwa 10–50% der Schlaganfallpatient:innen
- Prävention
- Regelmäßiges Screening auf Delirsymptome bei allen Schlaganfallpatient:innen
- Nicht-medikamentöse Therapieoptionen des Delirs bereits präventiv bei allen überwachungspflichtigen Schlaganfallpatient:innen anwenden
- Therapie: Nicht-medikamentös und medikamentös, entsprechend der Therapie des Delirs
Vaskuläre Demenz
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Übersicht klinisch wichtiger Skalen und Scores
ABCD2-Score [17]
- Ziel: Risikostratifizierung für einen Schlaganfall nach stattgehabter TIA (als Zwei-Tages-Risiko)
- Durchführung
- Vergabe von 1 oder 2 Punkten bei Vorhandensein prognostisch ungünstiger Patientencharakteristika
- Aufsummieren der einzelnen Punktwerte
- 0–7 Punkte erreichbar
ABCD2-Score: Tabellarische Übersicht | ||
---|---|---|
Kriterium | Punktzahl | |
A | Alter: Patientenalter ≥60 Jahre? |
|
B | Blutdruck: Blutdruck in Akutsituation ≥140/90 mmHg? |
|
C | Clinical Features: Art der Symptome? |
|
D | Dauer: Dauer der Symptome? |
|
D | Diabetes: Patient:in mit Diabetes mellitus? |
|
Auswertung |
|
ABCD3-I-Score [80][81]
- Ziel: Erweiterung des ABCD2-Scores zur Erhöhung von Sensitivität und Spezifität
- Durchführung/Auswertung: Analog zum ABCD2-Score plus 3 Faktoren zusätzlich
- Duale TIA (weitere TIA in der Woche vor dem Ereignis): 2 Punkte
- I wie Imaging
- Stenose von ≥50% der ipsilateralen Karotis: 2 Punkte
- Frische Hyperintensität in der diffusionsgewichteten MRT: 2 Punkte
- 8–13 Punkte: Hochrisiko-TIA → Sekundärprävention mit vorübergehend doppelter Thrombozytenaggregationshemmung indiziert
ASPECTS (Alberta Stroke Program Early CT Score) [82]
- Ziel
- Abschätzen der Prognose von Patient:innen mit Mediainfarkt anhand früher CT-Veränderungen
- Unterstützung bei Entscheidung zur mechanischen Thrombektomie [3][44][45][46][47][48][83]
- Das Media-Stromgebiet wird CT-morphologisch in 3 subkortikale (Nucleus caudatus, Nucleus lentiformis und Capsula interna) und 7 kortikale Bereiche (Insellappen und M1–M6) aufgeteilt
- Für jedes Gebiet mit Infarktfrühzeichen wird 1 Punkt vom Ausgangsscore 10 abgezogen
- 0–10 Punkte erreichbar
- Je niedriger die Punktzahl, desto schlechter die Prognose (schlechteres Outcome und höheres Risiko intrazerebraler Blutungen)
GUSS (Gugging Swallowing Screen) [84]
- Ziel
- Standardisiertes Dysphagie-Screening von Schlaganfallpatient:innen
- Anwendung insb. in Akutphase zur Pneumonieprophylaxe
- Durchführung/Auswertung
- Indirekter Schluckversuch (Voruntersuchung): Beurteilung von Vigilanzniveau, Hustenstoß und Schluckakt mit trockenem Schluckversuch (Speichelschlucken)
- Direkter Schluckversuch (wenn Schluckakt in Voruntersuchung erfolgreich): Direkter Schluckversuch mit Getränk bzw. Essen
- Beobachtung, ob Anzeichen einer Aspiration auftreten (bspw. Husten, Heiserkeit oder Drooling)
- 0–20 Punkte erreichbar
- Je niedriger die Punktzahl, desto schwerer ist die Dysphagie
- Je nach GUSS-Score Verordnung von angepasster Dysphagie-Kost
NIHSS (National Institutes of Health Stroke Scale)
- Ziel: Standardisierte und zeitsparende Beurteilung der Schwere neurologischer Defizite beim Schlaganfall
- Anwendung bspw. im Rahmen von
- Akutphase (Objektivierung der Defizite, insb. durch regelmäßige Testung auf der Stroke Unit)
- Verlaufsbeurteilung
- Prognostischer Abschätzung
- Klinischen Studien
- Anwendung bspw. im Rahmen von
- Durchführung/Auswertung
- Testung verschiedener neurologischer Funktionsbereiche anhand von 13 Items (7–9 min)
- Abgestufte Punktevergabe je nach Ausführung
- Aufsummieren der einzelnen Punktwerte
- 0–42 Punkte erreichbar
- Je höher die Punktzahl, desto schwerer die Defizite
- Sonderfälle beachten: Besondere Punktevergabe in vielen Situation, bspw. bei vorbestehenden Defiziten, Koma oder Sprachbarriere
NIHSS: Tabellarische Übersicht | |
---|---|
Funktionsbereiche/Items | Abstufung |
1A: Vigilanz | Vigilanz testen |
1B: Orientierung | Frage nach Monat und Alter
|
1C: Befolgung von Aufforderungen | Aufforderung, die Augen und die Faust zu schließen
|
2: Blickparese | Aufforderung, dem Finger des Untersuchers zu folgen (Finger wird horizontal durch das Blickfeld geführt)
|
3: Gesichtsfeld | Grobe Gesichtsfeld-Perimetrie
|
4: Faziale Parese | Mimik prüfen |
5 A+B: Armparese | Aufforderung, den Arm anzuheben (rechts und links getrennt testen, Punktwerte addieren!)
|
6 A+B: Beinparese | Aufforderung, das Bein anzuheben (rechts und links getrennt testen, Punktwerte addieren!)
|
7: Extremitätenataxie | Aufforderung zum Finger-Nase-Versuch und Knie-Hacke-Versuch |
8: Hemihypästhesie | Testen von Berührungsempfinden und Schmerz an beiden Körperhälften
|
9: Aphasie | Sprache beobachten, ggf. Gegenstände benennen lassen |
10: Dysarthrie | Sprache beobachten, ggf. Wortliste lesen lassen
|
11: Neglect | Auslöschungs- und Vernachlässigungsphänomene prüfen |
mRS (modified Rankin Scale) [85][86]
- Ziel: Grobe Einschätzung des Behinderungsgrades nach Schlaganfall
- Durchführung/Auswertung
- Zuordnung eines Punktwertes von 0–6, je nach Behinderungsgrad
- Je höher der Punktwert, desto schwerer die Beeinträchtigung
- Anwendungsbereiche: Insb. zur Verlaufsbeurteilung oder für Outcome-Studien
mRS: Tabellarische Übersicht | ||
---|---|---|
Punktwert | Behinderungsgrad | Klinik |
0 | Keine Behinderung, keine Symptomatik |
|
1 | Keine signifikante Behinderung trotz Symptomatik |
|
2 | Leichte Behinderung |
|
3 | Mäßige Behinderung |
|
4 | Schwere Behinderung |
|
5 | Sehr schwere Behinderung |
|
6 | Tod | – |
eTICI (Thrombolysis In Cerebral Infarction Scale [erweitert]) [87][88]
- Ziel: Standardisierte Erfassung des Behandlungserfolges nach Rekanalisation
- Durchführung: Einstufung der Perfusion des zuvor verschlossenen Gefäßes anhand von angiografischer Bildgebung
eTICI: Tabellarische Übersicht | ||
---|---|---|
Grad | Perfusion nach Rekanalisation | |
0 | Keine | |
1 | Fluss distal des Verschlusses vorhanden, aber mit inkompletter Füllung | |
2 | ||
a | Antegrader Fluss und <50% Perfusion des Territoriums | |
b | Antegrader Fluss und >50% Perfusion des Territoriums | |
c | Antegrader Fluss mit fast kompletter Perfusion des Territoriums, aber langsamem Fluss oder kleinen Embolien | |
3 | Komplette Perfusion aller distalen Äste | |
Interpretation | Erfolgreiche Rekanalisation ab ≥ eTICI 2b [67] |
Weitere
- Scores zur primären Risikoabschätzung: ACC/AHA CV Risk Calculator (2013)
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- Studientelegramm 28-2018-1/3: Nutzen und Risiko einer doppelten Plättchenaggregationshemmung nach TIA und leichtem ischämischen Schlaganfall
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- Studientelegramm 17-2018-2/3: Begünstigung postoperativer Schlaganfälle durch ein PFO?
- Studientelegramm 11-2018-2/4: Neues zur Thrombektomie in der Schlaganfallbehandlung
- Studientelegramm 10-2017-3/3: Die Qual der Wahl: Welches Antikoagulans zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern?
- Studientelegramm 07-2017-3/4: Time is brain? Oder: Sind bei Patienten mit Schlaganfall Thrombektomien auch noch bis zu 24 h nach Symptombeginn sinnvoll?
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 103-2024-3/3: A missed CHANCE: colchicine does not prevent early recurrent stroke
- One-Minute-Telegram 100-2024-3/3: Blood pressure management in undifferentiated stroke: one size does not fit all
- One-Minute Telegram 93-2024-3/3: Atrial cardiopathy without atrial fibrillation: Can a DOAC vanquish the stroke?
- One-Minute Telegram 83-2023-2/3: The OPTIMAL-BP after endovascular thrombectomy for stroke
- One-Minute Telegram 65-2022-1/3: 2022 U.S. Preventive Services Task Force: summary of recommendations
- One-Minute Telegram 59-2022-1/3: Sugar free is not risk free
- One-Minute Telegram 59-2022-2/3: Asporvapril? Ramaspastatin? Single polypill for secondary ASCVD prevention better than usual care
- One-Minute Telegram 41-2021-2/2: 2021 U.S. Preventive Services Task Force: Summary of recommendations
- One-Minute Telegram 35-2021-1/3: Time is brain: mobile stroke units and patient outcomes in early stroke
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
I63.-: Hirninfarkt
- Inklusive: Verschluss und Stenose zerebraler und präzerebraler Arterien (einschließlich Truncus brachiocephalicus) mit resultierendem Hirninfarkt
- Exklusive: Folgen eines Hirninfarktes (I69.3)
- I63.0: Hirninfarkt durch Thrombose präzerebraler Arterien
- A. basilaris, A. carotis und A. vertebralis
- I63.1: Hirninfarkt durch Embolie präzerebraler Arterien
- A. basilaris, A. carotis und A. vertebralis
- I63.2: Hirninfarkt durch nicht näher bezeichneten Verschluss oder Stenose präzerebraler Arterien
- A. basilaris, A. carotis und A. vertebralis
- I63.3: Hirninfarkt durch Thrombose zerebraler Arterien
- A. cerebri media, A. cerebri anterior, A. cerebri posterior und Aa. cerebelli
- I63.4: Hirninfarkt durch Embolie zerebraler Arterien
- A. cerebri media, A. cerebri anterior, A. cerebri posterior und Aa. cerebelli
- I63.5: Hirninfarkt durch nicht näher bezeichneten Verschluss oder Stenose zerebraler Arterien
- A. cerebri media, A. cerebri anterior, A. cerebri posterior und Aa. cerebelli
- I63.6: Hirninfarkt durch Thrombose der Hirnvenen, nichteitrig
- I63.8: Sonstiger Hirninfarkt
- I63.9: Hirninfarkt, nicht näher bezeichnet
I64: Schlaganfall, nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet
- Inklusive: Zerebrovaskulärer Insult o.n.A.
- Exklusive: Folgen eines Schlaganfalls (I69.4)
G45.-: Zerebrale transitorische Ischämie und verwandte Syndrome
- Inklusive: Zerebrale transitorische ischämische Attacke [TIA]
- Exklusive: In der Bildgebung nachgewiesener korrelierenderInfarkt (I63.‑), Zerebrale Ischämie beim Neugeborenen (P91.0)
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie G45 zu benutzen:
- 2: Komplette Rückbildung innerhalb von 1 bis 24 Stunden
- 3: Komplette Rückbildung innerhalb von weniger als 1 Stunde
- 9: Verlauf der Rückbildung nicht näher bezeichnet
- G45.0-: Arteria-vertebralis-Syndrom mit Basilaris-Symptomatik
- G45.1-: Arteria-carotis-interna-Syndrom (halbseitig)
- G45.2-: Multiple und bilaterale Syndrome der extrazerebralen hirnversorgenden Arterien
- G45.3-: Amaurosis fugax
- G45.4-: Transiente globale Amnesie [amnestische Episode]
- Exklusive: Amnesie o.n.A. (R41.3)
- G45.8-: Sonstige zerebrale transitorische Ischämie und verwandte Syndrome
- G45.9-: Zerebrale transitorische Ischämie, nicht näher bezeichnet
- Drohender zerebrovaskulärer Insult
- Spasmus der Hirnarterien
- Zerebrale transitorische Ischämie o.n.A.
G46.-:* Zerebrale Gefäßsyndrome bei zerebrovaskulären Krankheiten (I60–I67†)
- G46.0*: Arteria-cerebri-media-Syndrom (I66.0†)
- G46.1*: Arteria-cerebri-anterior-Syndrom (I66.1†)
- G46.2*: Arteria-cerebri-posterior-Syndrom (I66.2†)
- G46.3*: Hirnstammsyndrom (I60–I67†)
- Benedikt-Syndrom
- Claude-Syndrom
- Foville-Syndrom
- Millard-Gubler-Syndrom
- Wallenberg-Syndrom
- Weber-Syndrom
- G46.4*: Kleinhirnsyndrom (I60–I67†)
- G46.5*: Rein motorisches lakunäres Syndrom (I60–I67†)
- G46.6*: Rein sensorisches lakunäres Syndrom (I60–I67†)
- G46.7*: Sonstige lakunäre Syndrome (I60–I67†)
- G46.8*: Sonstige Syndrome der Hirngefäße bei zerebrovaskulären Krankheiten (I60–I67†)
Folgen und Sonstiges
- I69.-: Folgen einer zerebrovaskulären Krankheit
- I69.0: Folgen einer Subarachnoidalblutung
- I69.1: Folgen einer intrazerebralen Blutung
- I69.2: Folgen einer sonstigen nichttraumatischen intrakraniellen Blutung
- I69.3: Folgen eines Hirninfarktes
- I69.4: Folgen eines Schlaganfalls, nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet
- I69.8: Folgen sonstiger und nicht näher bezeichneter zerebrovaskulärer Krankheiten
- P91.-: Sonstige zerebrale Störungen beim Neugeborenen
- P91.0: Zerebrale Ischämie beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.